Es bleibt ein unbehagliches Gefühl

In vier Tagen beginnt der NSU-Prozess in München. Über die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses hat Hartfrid Wolff (FDP) in Hall berichtet. Die anschließende Diskussion war informativ, ihre Inhalte beängstigend.

Autor: VERENA BUFLER |
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"Ich hoffe, Sie schlafen noch gut heute Nacht." Mit diesen Worten beendete Hartfrid Wolff am Donnerstag im Haus der Bildung seinen Vortrag über die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses in Berlin. Ihm gehört der stellvertretende Landesvorsitzende der FDP als Obmann an. Volkshochschule und Haller Tagblatt hatten zu der Diskussion geladen.

Sah man in die Gesichter der rund 50 Gäste, konnte man eher Sorge als Erleichterung ablesen. Sie hatten von gravierenden Pannen bei der Aufdeckung der Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) gehört - von geschredderten Akten und rassistischen Polizisten sowie von Verfassungsschutz-Präsidenten und Politikern, die verharmlost und verheimlicht haben. "Zurück bleibt ein unbehagliches Gefühl", sagte der Leiter des Hauses der Bildung Thomas Gerstenberg. Zuhörer Siegfried Hubele ging einen Schritt weiter: "Ich fürchte mich vor dem Staat", meinte er mit Blick auf die rassistischen Böblinger Polizisten.

"Was war da los in dieser Einheit?", hakte HT-Redakteur Thumilan Selvakumaran nach. "Waren dort alle Polizisten Rassisten?" Einen Hort der Gewalt wollte Hartfrid Wolff nicht bestätigen. Die Böblinger Polizei werde jedoch noch unter die Lupe genommen. "Die Polizeiausbildung muss besser werden."

Viel Zeit bleibt den elf Mitgliedern des NSU-Untersuchungsausschusses nicht mehr. Mehr als 60 Mal hat er bereits getagt, nur noch sechs Termine stehen an.

"Wieso hat keiner der Polizisten die rassistischen Kameraden verpfiffen?", wollte André Kaufmann wissen. "Und wie ist einer geschützt, der sowas tut?", fragte Susanne Waldmaier. Was mit einem Denunzianten passiert, hänge vom jeweiligen Vorgesetzten ab, meinte Wolff.

Offen blieb die Frage von Redakteur Selvakumaran, wie viel Geld die V-Männer Thomas R. alias "Corelli" und Achim Schmid vom Staat bekamen. Dies ist deshalb pikant, weil beide Führungsrollen im Haller Ku-Klux-Klan hatten. "Das hat mich erschreckt", so Selvakumaran. Wolff räumte ein: "Der Einsatz von V-Männern ist ein Graubereich."

Kontrovers diskutiert wurde ein mögliches NPD-Verbot - für Wolff eine "Ablenkungsdiskussion".

Dass das HT seine "Kritik- und Kontrollfunktion" (Chefredakteur Marcus Haas) erfüllt, bestätigte Hartfrid Wolff. "Den Namen Schwäbisch Hall nahmen wir in den letzten Wochen häufiger in den Mund. Das lag durchaus auch am HT."

Was bleibt bei den Gästen von der Diskussion? Das Gefühl, dass der Staat in Bezug auf die NSU-Mordserie "Dreck am Stecken" hat, dass man "sowas hätte ahnen können" und dass Fremdenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft schwelt. Gut schlafen kann man danach nicht.

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