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3D-Druck erobert die Medizin – Bei Haut, Zähnen und Ohren im Einsatz
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Forschung in Hannover

3D-Druck erobert die Medizin – Bei Haut, Zähnen und Ohren im Einsatz

Hannover/Osnabrück. Organspendeausweise und aufwendige Hauttransplantationen könnten bald der Vergangenheit angehören. Forscher haben erste Prototypen von 3-D-Druckern entwickelt, mit denen sich Organe wie Nieren, Leber oder Haut produzieren lassen. In einigen Jahren könnten diese künstlich hergestellten Gewebe zum Beispiel bei Verbrennungsopfern eingesetzt werden. In anderen Bereichen der Medizintechnik hat der 3-D-Drucker längst Einzug gehalten.

 
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Gesichter lassen sich noch nicht ausdrucken, dafür aber kleine Hautstücke. Das Foto zeigt Ausdrucke von 3-D-Gesichtsscans aus dem 3-D-Drucker. Foto: dpa Dr. Lothar Koch Foto: LZH Gedruckte Zellen unter dem Mikroskop. Foto: LZH Kronen kommen heute oft aus dem 3-D-Drucker.Foto: Imago

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Unscheinbar wirkt das Labor im Laser-Zentrum Hannover (LZH). Aber nur auf den ersten Blick. Lothar Koch, der Leiter der Biofabrication-Gruppe, arbeitet hier seit etwa fünf Jahren mit den Regenerationsforschern des Exzellenzclusters an der Medizinischen Hochschule Hannover an der Reproduktion von Haut mithilfe eines 3-D-Laserdruckers. Allerdings hat dieses Gerät mit den Laserdruckern, die viele aus dem Büro kennen, nichts zu tun. Dieser speziell entwickelte Prototyp ordnet verschiedene Zelltypen präzise in dem gleichen dreidimensionalen Muster an, wie es im natürlichen Gewebe zu finden ist. Danach werden die gedruckten Hautstücke im Labor kultiviert, und die Zellen vermehren sich.

Den Forschern gelang es so, Stücke herzustellen, die zehn Millimeter lang und breit sowie zwei Millimeter dick waren. „Wir haben sie bereits an Mäusen getestet, und das hat funktioniert. Nach einiger Zeit sind sogar Blutgefäße eingewachsen“, erklärt Koch. Zwar werde es noch einige Zeit dauern, bis man das Gewebe beim Menschen einsetzen könne, doch diese Ergebnisse könnten in Zukunft Hauttransplantationen überflüssig machen. Zum Beispiel könnte mit der künstlich hergestellten Haut Verbrennungsopfern geholfen und ihnen damit die Entnahme von gesunder Haut erspart werden.

„In den gedruckten Hautstücken fehlen aber noch spezialisierte Zellen wie Blutgefäß-, Haarfollikel- und Schweißdrüsenzellen, um sie einsatzfähig zu machen“, so Koch. Zurzeit würden er und seine Kollegen zwar noch Grundlagenforschung betreiben, doch einige Ergebnisse liefern schon jetzt interessante Erkenntnisse: „Biologen untersuchen Zellen zweidimensional in einer Petrischale. Mit dem Laserdruck sehen wir zum ersten Mal, wie Zellen dreidimensional aufeinander reagieren.“ Denkbar sei laut Koch außerdem, Hautstücke für Tests an Kosmetikhersteller zu verkaufen. In Europa sind in dieser Branche Tierversuche seit kurzer Zeit verboten – der Verkauf der Gewebestücke wäre also ein riesiger Markt.

Das Besondere am Druckverfahren mit einem Laserdrucker ist, dass nahezu alle Zellen, sogar empfindliche Stammzellen, den Prozess unbeschadet überstehen. „Das ist beim Tintenstrahldrucker oft nicht der Fall“, sagt der Physiker Koch. Wegen der Düse seien die Zellen hier den Scherkräften ausgesetzt und zerrissen so. „Welche Technik, also Tinte oder Laser, sich am Ende durchsetzt, lässt sich jetzt aber noch nicht sagen“, meint Koch.

Doch nicht nur Haut soll in Zukunft aus dem 3-D-Drucker kommen, sondern nach dem Willen einiger Forscher auch Muskeln – irgendwann sogar einmal ganze Organe. Das US-amerikanische Unternehmen Organovo hat ebenfalls einen 3-D-Drucker entwickelt, mit dem sich Gewebe reproduzieren lässt – sie verwenden jedoch weder Laser- noch Tintenstrahltechnik. Wie das Internetportal heiseonline.de berichtet, nutzt das Gerät vorbereitete Muskelzellen, die in einer Kartusche sitzen, und bringt diese in einer einheitlichen Form in eine Petrischale auf. Der Drucker erarbeitet dabei so genau, wie es kein Mensch könnte. Anschließend wachsen die Zellen zu einem Gewebe heran, das dem menschlichen sehr ähnlich ist. Der Vorteil gegenüber dem Tintenstrahlverfahren sei laut Organovo, dass die Zellen hier beim Druck ähnlich miteinander agierten, wie sie es auch im Körper täten. Sie tauschten untereinander die natürlichen chemischen Signale aus und orientierten sich aneinander. Nur so würden aus dem Ausdruck tatsächlich funktionierende Muskeln.

Ziel des Unternehmens ist es, irgendwann ganze Organe per 3-D-Drucker herzustellen. Weil die speziell hergestellten Organe aus Zellen des Patienten bestünden, verringere sich auch die Abstoßungsgefahr. Diese Entwicklung ist schon seit Jahren ein Medizinertraum und würde zugleich das Ende des Organspendedilemmas bedeuten. Zunächst forscht Organovo aber an der Herstellung von künstlichem Gewebe für Medikamententests von Pharmaunternehmen. Mit den Einnahmen soll die weitere Forschung zur Organherstellung finanziert werden. Während die Forschung im Bereich des Zellendruckens noch in den Kinderschuhen steckt, ist sie aus einem anderen medizinischen Bereich kaum mehr wegzudenken: der Zahntechnik.

Bereits seit einigen Jahren gibt es Zahnersatz aus dem 3-D-Drucker. Vor etwa zwei Jahren gelang es belgischen und niederländischen Wissenschaftlern sogar, einer Patientin zum ersten Mal einen kompletten Unterkiefer einzusetzen, der aus dem 3-D-Drucker stammte.

Die Prothese, die sie der 83-Jährigen implantierten, wurde von einem 3-D-Drucker aus Titanpulver aufgebaut, wie das Technikportal golem.de berichtet . Das Einsetzen der Prothese dauerte nach Angaben der Ärzte nur vier Stunden. Eine Implantation mit herkömmlichen Methoden könne dagegen bis zu zwei Tage dauern. Die Patientin habe schon kurz nach dem Aufwachen die ersten Worte sagen können. Am Tag danach konnte sie bereits normal sprechen und schlucken.

Auch ein künstliches Ohr haben Wissenschaftler der Cornell-Universität in Ithaca im US-Bundesstaat New York auf ähnliche Weise produziert, wie golem.de berichtet. Dafür wurde zunächst ein 3-D-Scan des Kopfes mit Ohr erstellt.

Auf dieser Grundlage wurde von einem 3-D-Drucker ein dreidimensionales Ohr erstellt, das als Form für das neue Ohr dient. Diese Form wird mit einer Art Biotinte gefüllt, die lebende Zellen enthält: Sie besteht aus einem Collagen, das aus Rattenschwänzen gewonnen wurde, und 250 Millionen Knorpelzellen von Kühen. Die gefüllte Form wandert danach in einen Brutkasten – so entsteht ein Gebilde aus Zellen in der Form des Ohrs. Das Collagen dient dabei als Gerüst, auf dem die Knorpelzellen wachsen. Nach einigen Tagen in einer Nährlösung kann das künstliche Ohr implantiert werden. Die künstlichen Körperteile sollen vor allem Kindern mit fehlgebildeten Ohren helfen. Bislang wurde ihnen Knorpel aus dem Brustbein entfernt, um daraus eine Ohrmuschel zu formen. Allerdings ist dieses Verfahren kompliziert und das Ohr aus Brustbeinknorpel nicht so schön wie ein echtes.Egal ob künstliche Haut oder neues Organ: Der 3-D-Drucker gilt als die Technik der Zukunft. Das glauben auch 81 Prozent der Unternehmen der Informations- und Telekommunikationsindustrie, wie eine Umfrage der Bitkom anlässlich der Hannover Messe ergab . Drei Prozent glauben demnach sogar, die Geräte würden die Wirtschaft insgesamt revolutionieren. Lothar Koch ist da etwas bescheidener: „Ich glaube nicht, dass sich irgendwann jeder einfach zu Hause ein neues Organ drucken kann. Wahrscheinlich wird es ein oder zwei Unternehmen geben, die sich darauf spezialisieren.“


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