Religion und Agrarwirtschaft

Donnerstag, 06. Juni 2013

In den 60ern lebte ich im rumänischen Banat und ich assoziiere meine Kindheit auch mit dem betörenden Duft des frischen Weißbrotes, das man beim Bäcker um die Ecke backen ließ. Man brachte es von dort in einem handgeflochtenen Weidenkorb nach Hause, und bevor meine Mutter es aufschnitt, bekreuzigte sie es dreimal mit einem großen Messer, um sich bei Gott für diesen Brotlaib zu bedanken. Vor dem Einschlafen betete man das Vaterunser und wenn einer plötzlich rief „Jesus, Maria und Josef!“ bezeugte dies nicht bloß plötzlichen Schreck oder Verblüffung, sondern zeigte auch, wie wichtig die Religion im Alltag war.

Aber das, was sich im Privaten und was sich in der Öffentlichkeit abspielte, waren weiß Gott zwei paar Schuhe. Die heilige Dreifaltigkeit des realen Sozialismus bestand nicht aus dem Vater, dem Sohn und dem heiligem Geist, sondern aus Marx, Engels und Lenin. Der von Karl Marx geprägte Spruch „Religion ist  das Opium des Volkes“ prangte an allen Wänden. Ich war noch in der ersten Klasse, als ich ihn zum ersten Mal laut buchstabierte. Was Religion war, hatte ich ja bereits zu Hause mitbekommen, aber was um Gottes Willen war denn Opium? Das Opium, erklärte mir mein Lehrer, Genosse Toma, sei etwas ganz Schlimmes, und daher streng verboten. So wurde ich bereits im zarten Alter von  nur sieben Jahren nicht nur in den Atheismus, sondern auch in die sozialistische Variante des Betäubungsmittelgesetzes eingewiesen.
Die Religion war für den Kommunismus Teufelszeug, bis in den Tod hinein. Aufs Grab eines wahren Kommunisten setzte man statt eines Kreuzes einen roten Stern, und bei den besonders eifrigen Genossen legte man noch einen Hammer und eine Sichel auf die Grabplatte, wahrscheinlich, damit sie sich in den ewig langen schlaflosen Nächten nicht langweilten und als Bastler oder Friedhofsgärtner betätigen konnten.

Ganz anders sieht es im heutigen Rumänien aus. Es besteht absolute Religionsfreiheit, Religion ist Unterrichtsfach an den Schulen und vor den Kirchen stehen die Menschen oft Schlange. Religion ist ein allgegenwärtiges Thema, vor allem bei politischen Debatten und im Wahlkampf. Korrumpierbarkeit, dreistes Lügen oder Verleumdung dem Gegner vorzuwerfen, bringt nichts, daran haben sich alle gewöhnt, aber wer der Gottlosigkeit öffentlich bezichtigt wird, der hat ein schweres Kreuz zu tragen. Bei meinem letzten Besuch in Temeswar im April bekreuzigte sich mein Taxifahrer vor jeder Kirche mit der rechten Hand, während er mit der linken das Handy hielt, um zu Telefonieren. Doch der neuen Religiosität steht vor allem die junge Generation oft ziemlich skeptisch gegenüber. „Ich würde ja Religion gerne abwählen, wie auch viele meiner Mitschüler, doch unsere Religionslehrerin drohte uns, wenn wir dies täten, würde sie beten, dass wir beim Abi durchfallen.“

Ja, manchmal hilft nur noch beten, hat sich auch das Landwirtschaftsministerium kürzlich gesagt und unterzeichnete eine Vereinbarung mit der orthodoxen Kirche, wonach die Dorfpriester aufgerufen wurden, über den Einsatz moderner Traktoren und über Familienhöfe zu predigen, wie auch über die EU-Gelder und die staatlichen Zuschüsse für die rumänische Agrikultur aufzuklären. Das Blogportal Voxpublica nimmt dieses Unterfangen auf die Schippe: „Der Landwirtschaftsminister könnte es noch einfacher haben. Er könnte eine Vereinbarung mit der Feuerwehr treffen, die laut jüngsten Umfragen in der Bevölkerung großes Vertrauen genießt (86 Prozent). Die Feuerwehr bewässert die Felder, die Armee hilft bei der Feldarbeit, die Popen sprechen in der Kneipe (was sie jetzt schon tun) über die Vorteile der modernen Landwirtschaft – und Rumänien wäre gerettet.“

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