Amt Menden in Sankt Augustin: Suche nach Wurzeln, Heimat, Schicksalen | GA-Bonn

Amt Menden in Sankt Augustin

Suche nach Wurzeln, Heimat, Schicksalen

SANKT AUGUSTIN. "Ich weiß, dass Menschen ohne Wurzeln sich oft verloren fühlen", sagt Waltraud Böhm (58). Für sie erklärt das auch den Boom, den derzeit die Ahnenforschung erlebt, und sie begründet das mit der immer weiter fortschreitenden Globalisierung und der schnelllebigen Zeit heute. Die Finanzbeamtin ist derzeit damit beschäftigt, Familienbücher über das Amt Menden zu erstellen. Sie vereinen Geburten, Hochzeiten und Todesdaten der Menschen von 1700 bis 1982.

Blick zurück: Waltraud Böhm beschäftigt sich mit schwer lesbaren Heirats-, Sterbe- und Geburtsurkunden. Foto: Holger Arndt

Die voraussichtlich drei dicken Bände sollen Ende dieses Jahres fertig werden. Sie sind ein El Dorado für Ahnenforscher und ein Abbild des Lebens unter anderen Bedingungen und zu anderen Zeiten. Die vielen Zahlen und Namen erzählen denen, die sich damit beschäftigen, viel vom Leben unserer Vorfahren.

Zum Amt Menden gehörten vor der Gebietsreform 1969 acht Gemeinden. Das waren: Menden, Niederpleis, Hangelar, Siegburg-Mülldorf, Holzlar (mit Roleber und Kohlkaul), Buisdorf, Meindorf und Hütte. Bis 1875 gibt es für das Amt Menden eine Verkartung, die Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle aufzeigt. "Als ich erkannte, dass für das Amt Menden ab 1876 nur noch eine weiße Landschaft existiert, wollte ich das ändern", erklärt Böhm den Wunsch, dieses große Projekt, das sie am Ende fast drei Jahre beschäftigt haben wird, zu starten.

Sankt Augustins Archivar Michael Korn war begeistert und gab ihr grünes Licht. Allerdings müssen Sperrfristen zur Veröffentlichung von Daten beachtet werden. Das sind bei Geburten 110 Jahre, bei Hochzeiten 70 Jahre und bei Sterbefällen 30 Jahre. Nur bis zu diesen Sperrfristen darf veröffentlicht werden. Die Freizeit der Sieglarerin ist seit mehr als zwei Jahren geprägt von Excel-Tabellen und schwer lesbaren Heirats-, Sterbe- und Geburtsurkunden.

 Handschriftlich formuliert heißt es dort zum Beispiel: "Am 3.Januar 1890 erschien der Tagelöhner Franz Schwammborn persönlich bekannt dem Standesbeamten", um dort zu heiraten. Böhm begann mit den Hochzeiten, die sie von 1876 an in eine Excel-Tabelle übertrug. "Das waren für das Amt Menden ungefähr 50 pro Jahr", schätzt sie. In dieses bestehende Register hat sie dann die Geburten und Todesfälle eingearbeitet. Böhm pflegt die Daten selbst ein, weil die von ihr getestete Software ihrer Meinung nach langsamer ist.

Derzeit beschäftigt sie sich mit den Sterbefällen im Jahr 1955 und sie hofft, bis zum Jahresende ihr Werk für Menden vollbracht zu haben. Schon jetzt belegt ihr Familienbuch, dass es Ende des 19.Jahrhunderts eine Art Bevölkerungsexplosion in Menden gab. Während zuvor fast ausschließlich Katholiken in der Region wohnten, zogen mit den Mannstaedt Werken und anderen Industrieansiedlungen die Fabrikarbeiter ins Amt Menden - und die waren oftmals protestantisch.

Auch aus Köln-Kalk kamen viele Arbeiter und Handwerker wie Maler oder Maurer, und danach zogen die Telegrafen-Arbeiter aus dem Ruhrgebiet in die Region. "Die Lebensbedingungen mit den kleinen Häuser-Kolonien waren einfach besser", erklärt Böhm, die gleichzeitig auch Schatzmeisterin im Heimat- und Geschichtsverein Troisdorf ist, diesen Umstand.

Auch wenn in dem Familienbuch die Namen alphabetisch geordnet sind, bleibt Interpretationsspielraum, denn die Namen wurden in früheren Zeiten nach Gehör aufgeschrieben. So wurde der Name ?Möltgen? im Rheinland als ?Möllschen? notiert. Böhm fand Vornamen wie "Heinerjette" für "Henriette" oder "Schallöde" für eine "Charlotte", die aus Sachsen kam.

Für die Mendener gab es schon immer eine enge Bindung Richtung Troisdorf. So wurde seit jeher oft über die Ortsgrenzen hinweg geheiratet. Ganz anders sah dies im Nachbarort Meindorf aus. "Man blieb unter sich und war entsprechend eigenständig", so wie heute, meint Böhm augenzwinkernd.

Auch ihre eigene lebenslustige, rheinische Frohnatur konnte die Sieglarerin Dank ihrer Recherchen bei den Wurzeln fassen. Denn schon eine ihrer Vorfahrinnen mütterlicherseits, Christina Offermann, wurde im Jahr 1780 bei einer kirchlichen Visitation statt in der Kirche in einer Gaststätte vorgefunden und musste - ebenso wie die beiden männlichen Begleiter - Strafe zahlen.

Die Ahnenforscherin hat eine enge Bindung an ihre Heimat. Bis jetzt lebte sie in Sieglar, wo ihre Mutter herkommt. Böhm plant jedoch in Kürze einen Umzug nach Menden - dem Geburtsort ihres Vaters.

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