Ausbau der Betuwe-Linie Das Nadelöhr am Niederrhein

Von Sabine Tenta

Zwischen Emmerich und Oberhausen stockt der europäische Schienengüterverkehr. Die Betuwe-Linie soll Abhilfe schaffen. Seit zwei Tagen steht die Finanzierung, am Freitag (26.07.2013) kam Bahnchef Grube an den Niederrhein. Im Gepäck: Lob für die Bürgerinitiativen - und ein Geschenk.


Hinweisschild des Haltepunkts Haldern an der Bahnstrecke zwischen Emmerich und Oberhausen
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Halt in Haldern für Bahnchef Rüdiger Grube

Der wichtigste Verkehrskorridor für Güter auf der Schiene läuft quer durch Europa von der Nordsee zum Mittelmeer: von den niederländischen Häfen Rotterdam und Amsterdam zum italienischen Genua. Die Nachbarn in den Niederlanden haben bereits ihren Teil dazu beigetragen, dass der Verkehr rollt: Die Betuwe-Route, ein Neu- und Ausbau der Strecke, wurde 2007 von Königin Beatrix feierlich eingeweiht. Nur zwischen Emmerich und Oberhausen verläuft ein 73 Kilometer langes Stück, das den Verkehr ausbremst. Hier ist ein Ausbau dringend notwendig. Planungen für die deutsche Betuwe-Linie laufen seit über 20 Jahren. Die Strecke soll laut Info-Broschüre der Bahn durchgängig dreigleisig werden, mit weitreichenden Konsequenzen: Elf Bahnhöfe und Haltepunkte müssen umgebaut werden, 55 Bahnübergänge werden beseitigt und teilweise durch Brücken oder Untertunnelungen ersetzt, auf 22 Kilometern wird die Strecke komplett neu gebaut.

Die Finanzierung

Für dieses Projekt werden Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro veranschlagt. Die alles entscheidende Frage lautet natürlich: Wer soll das bezahlen? Die Finanzierungsvereinbarung konnte erst am Mittwoch (24.07.2013) vertraglich festgezurrt werden: Das Land NRW wird 450 Millionen Euro beitragen, vom Bund kommen 746 Millionen Euro und den Rest übernimmt unter anderem die Bahn. Zwei Tage später kamen Bahnchef Rüdiger Grube und NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) nach Rees-Haldern (Kreis Kleve), um über den Ausbau der Güterstrecke zu informieren.

Die Erleichterung der Kommunen


Rüdiger Grube (links) und Ronald Pofalla
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Rüdiger Grube (links) und Ronald Pofalla

Vermittelt wurde dieses "Elefantentreffen" von Ronald Pofalla (CDU). Der ist nicht nur Kanzleramtsminister und als Geheimdienstkoordinator wegen seines Abtauchens in der NSA-Affäre kräftig unter Druck, sondern auch direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag für den Kreis Kleve. Als solcher will er am 22. September wiedergewählt werden und verkündete freudig die gute Botschaft, dass die Finanzierung des Ausbaus "nun endlich vertraglich fixiert worden ist". Die anwesenden Vertreter der Städte und Gemeinden entlang der Strecke waren sichtlich erleichtert über die Vereinbarung, denn lange war über eine Beteiligung der Kommunen gestritten worden. Nun steht fest, dass sie gar nichts zahlen müssen. Der Kämmerer der Stadt Rees, Andreas Mai, rechnete vor, dass auf seine Kommune Kosten von 20 bis 40 Millionen Euro zugekommen wären: "Damit wäre Rees auf einen Schlag pleite gewesen."

Der Zeitplan


Informationstafel der Bahn in einem Schaukasten kündigt Bauarbeiten an
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Hinweisschilder dieser Art wird es am Niederrhein ab 2015 öfter geben

Wann werden die ersten Güterzüge über die neue Strecke rollen? Bahnchef Grube hofft, dass die Bahn 2015 mit dem Ausbau beginnen kann und sieben Jahre später, also 2022, fertig ist. Aber festnageln lassen will er sich darauf nicht. Er verweist darauf, dass zurzeit zwölf Planfeststellungsverfahren laufen, zu denen es noch Erörterungstermine geben wird. Hier werden sich mit Sicherheit die Bürgerinitiativen einbringen, die seit Beginn der Planungen das Projekt kritisch begleiten. Aber im Unterschied zu einem anderen milliardenschweren Großprojekt der Bahn, dem Bau des Tiefbahnhofs Stuttgart 21, lehnen die Anwohner am Niederrhein die Betuwe-Linie nicht ab. Der Name der BIs, "Betuwe – so nicht!", zeigt aber, dass sie im Detail durchaus noch Änderungswünsche haben.

Die Einwände der Bürgerinitiativen


Haltepunkt Haldern an der Bahnstrecke zwischen Emmerich und Oberhausen
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Auch dieser Haltepunkt wird umgebaut

In einer gemeinsamen Erklärung fordern sie unter anderem ein Nachtfahrverbot für Güterzüge, den Erhalt von wichtigen Bahnübergängen und Entschädigungen für Anwohner, wenn der Wert ihrer Immobilien fällt. Auf diese Forderungen ging Grube am Freitag in Rees nicht ein. Er lobte stattdessen die "konstruktive Atmosphäre" und die "gute Kooperation" mit den Bürgerinitiativen: "Ich habe Sie hier alle immer als ausgesprochen bahnaffin erlebt." Mit einem symbolischen Geschenk verabschiedete sich der Vorstandsvorsitzende der Bahn vom Niederrhein: "Wir werden einen ICE auf den Namen Emmerich taufen." Der Bürgermeister der Grenzstadt, Johannes Diks (CDU), nahm es erfreut zur Kenntnis, tauschte aber vorsichtshalber mit Grube noch Visitenkarten aus.

Stichworte

Die Betuwe-Linie

Die Betuwe-Linie ist eine Schienenstrecke für den Güterverkehr. Ihren Namen hat sie von der niederländischen Landschaft Betuwe (sprich „Betüwe“) in der Region Gelderland. Durch sie führt seit 2007 eine Güterzug-Strecke zwischen dem Hafen Rotterdam und der deutschen Grenze. Auch in Deutschland soll der Abschnitt von Emmerich bis Oberhausen für den Güterverkehr ausgebaut werden. Ein drittes Gleis soll Personen- und Güterverkehr stärker trennen. Die Strecke wird in den Niederlanden "Betuwe-Route" genannt, in Deutschland hat sich der Begriff "Betuwe-Linie" durchgesetzt.

Die wichtigsten Daten des Großprojekts auf deutscher Seite:

  • 73 Kilometer ist die Strecke Emmerich-Oberhausen lang.
  • Insgesamt wird auf 46 Kilometern ein drittes Gleis neu gebaut.
  • Auf 22 Kilometern erfolgt ein kompletter Streckenumbau.
  • 55 Bahnübergänge werden beseitigt und durch voraussichtlich 34 weitere Brücken ersetzt.
  • Rund 74 Kilometer Schallschutzwände sind vorgesehen.
  • 11 Bahnhöfe und Haltepunkte werden umgebaut.
  • Die Baukosten liegen bei rund 1,5 Milliarden Euro. Daran wollen sich das Land Nordrhein-Westfalen mit 450 Millionen Euro und der Bund mit rund 746 Millionen Euro beteiligen. Den Rest trägt unter anderem die Bahn.

Die Betuwe-Linie ist Teil des Verkehrskorridors von den Häfen Rotterdam und Amsterdam nach Genua in Italien. Nach Angaben der Bauherrin DB Netz AG ist diese 1.300 Kilometer lange Strecke die bedeutendste europäische Achse für den Schienengüterverkehr.


Stand: 26.07.2013, 21.55 Uhr


Kommentare zum Thema (7)

letzter Kommentar: 28.07.2013, 00:20 Uhr

Mittelhesse schrieb am 28.07.2013, 00:20 Uhr:
Der Lärm einer Straße hat mich aus meiner ehemaligen Heimat vertrieben, weil direkt neben meinem Haus eine Straße gebaut wurde. Ich musste mein Haus unter Wert verkaufen. Jetzt lebe ich in einer hessischen Kleinstadt mitten im verkehrsberuhigten Ortskern. Nur der Lärm des Dämmerschoppens des Männergesangsvereines und der Silvesterknallerei stört mich gelegentlich.
Thomweb schrieb am 27.07.2013, 18:58 Uhr:
Na, da gibt dann mal ein richtig ruhiges Leben am Niederrhein! Ich habe in diesem Jahr einige Nächte südlich von Köln am Rhein verbracht (Boppard, Bad Hönningen). Nachts rauschen die Güterzüge zwischen Bingen und Köln gefühlt im Minutentakt durch. Das wird richtig Spaß geben... Und bedeutet das, dass die Strecke parallel zur A40 nun nicht mehr gebaut wird? Muss ich mal recherchieren. Da wir planen, vielleicht doch am Niederrhein ein Haus zu kaufen, ist das ein Faktor, der für die Entscheidung wichtig ist, und den Widerstand der Anwohner kann ich daher sehr gut verstehen. Wir hatten letztens ein wunderschönes Haus in Köln im Angebot - hinter dem Garten verläuft genau diese Bahnstrecke, und jetzt sitze ich 200 m davon entfernt. Das wird noch richtig laut!
Pierre Wenger schrieb am 27.07.2013, 16:03 Uhr:
Die Bahn unternimmt weder etwas gegen den Lärm noch werden Flüsterbremsen und moderne Drehgestelle (leise) eingesetzt. Statt dessen rumpeln uralte Güterwaggons durch Deutschland. Natürlich war die Bahn zuerst vor Ort, jedoch konnten die Anwohner mit den ein paar Zügen in der Stunde sehr gut leben. Der Ausbau ist nichts anderes als ein Autobahn für Züge, auf denen Güterzüge im Minutentakt fahren (auch nachts). Genaus so gut läßt sich sagen, die Landstraße war zuerst da, bevor sie zur Autobahn ausgebaut wird. Die Niederländer haben ihre Strecke neu gebaut, um die Bürger nicht zu belasten, bei uns wird nur ausgebaut. Es gibt für dieses Vorhaben bereits fertig gestellte ausgebaute Streckenabschnitte, ohne Lärmschutz!!! Übrigens werden die Strecken rechts und links vom Rhein nicht ausgebaut, ab Köln gehts im Minutentakt über die Rheinschiene. Dieses Projekt MUSS gestoppt werden! Freiheit und Ruhe für Bürger!
maiale-grasso (Plettenberg im Sauerland) schrieb am 27.07.2013, 13:35 Uhr:
Hurra, endlich gibt es wieder etwas, über das sich ihres Erachtens zu kurz Gekommene, die üblichen Verdächtigen und Weltverbesserer auslassen dürfen, auf Kosten der Allgemeinheit ihre Klage- und Verschleppungstiraden abschießen und mit publicity ihr eigenes mikriges Leben aufhübschen dürfen. Und hunderte Lemminge rennen natürlich hinter her und sprechen nach, wozu sie ein selbst erkorener Ober-Wutbürger auffordert. Nein, das ist wird nie ein konstruktiver Protest sein, sondern die Folge einer mittlerweile diktatorischen Demokratie, in der jeder Pfurzknoten das große Ganze zum Scheitern verurteilen kann. Wollen wir darum wetten, dass das Projekt scheitert oder letzten Endes völlig überteuert realisiert wird?
bahnbrechend schrieb am 27.07.2013, 10:54 Uhr:
Verkehr entsteht wenn etwas verkehrt steht! Der globale Markt hat die konsumnahe Produktionstätten dezimiert. Die Kosten dafür werden vom Kostenverursacher, dem Profiteur, auf Infrastruktur und Gesellschaften exportiert, deren Arbeitskraft und Mehrwertproduktion- als Gewinn abgerechnet- im Gegenzug privat vereinnahmt werden. Die Politik geht den Weg zurück zur Kleinstaaterei, Syrien soll jetzt aufgeteilt werden, nachdem wir die Zersplitterung von Jugoslawien gesehen haben und in Eurozone nichts zusammenbekommen. Wirtschaftlich jedoch sollen wir eine große Freihandelzone bilden, die den Globus umspannt? Merkwürdig, dass wir es noch nicht geschafft haben Mondstationen gemeinsam von Erdstaatengemeinschaft betrieben aufzubauen, oder. Das sollte uns zu denken geben, weshalb immer mehr unsinniger Verkehr auf Erde entsteht? Aber Schienen-und Wasserwege können wenigstens etwas den Verkehr sinnvoll bündeln, oder etwa nicht?

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