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Archäologie

7 Dinge, die es nicht geben dürfte - oder?

Dieser Artikel stammt aus P.M. Magazin
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Da ist die ziemlich plausible Erklärung, dass die Entwicklung der Menschheit nicht so geradlinig verläuft, wie wir das ge-wöhnlich annehmen. Es gibt ein Auf und Ab des Wissens und der Fertigkeiten – und es gibt Kenntnisse, die verloren gehen und später mühsam wiederentdeckt werden müssen. So erfand der Mathematiker Hero von Alexandria schon im ersten Jahrhundert nach Christus die Dampfmaschine und baute sogar zwei funktionierende Modelle. Doch wir kennen die Dampfmaschine heute nur als Erfindung von James Watt, der damit 1765 den Startschuss zur Industriegesellschaft gab. Auch Beton gibt es nicht erst seit der englische Fabrikant James Parker 1796  ein Patent darauf anmeldete, son-dern bereits seit römischen Tagen. Selbst die Sicherheitsnadel, angeblich 1849 erfunden, existierte bereits 3000 Jahre früher. Was also wussten Menschen vor 2000 Jahren wirklich?

»Sie kannten schon Flugzeuge«, behaupten einige Forscher. Als Beweis führen sie kleine Goldamulette aus Südamerika an. Diese nur knapp vier Zentimeter großen Miniaturen stammen aus der Tolima-Kultur und wurden vor rund 1500 Jahren als Grabbeigaben geschaffen. Man weiß nicht viel über die alten Völker im Gebiet des heutigen Kolumbien und noch weniger über die Orte und Umstände, unter denen die Goldamulette gefunden wurden. Die meisten können eindeutig zugeordnet werden: Es sind Haarnadeln, Ohren- und Nasenschmuck, Anhänger. Und dazwischen gibt es jene seltsamen »Nachbildungen von Insekten« – die dem Space-shuttle ähnlicher sehen als jedem Insekt! Ein moderner Beobachter kann sich dem Eindruck kaum entziehen, Flugzeuge vor sich zu haben.

Um die Plausibilität dieser These zu testen, machten sich der Zahnarzt Dr. Algund Eenboom und der Luftwaffenoffizier Peter Belting an die Arbeit: Sie bauten aus Styropor und Balsaholz vergrößerte Kopien der Amulette im Maßstab 16:1, rüsteten sie mit Motor und Propeller aus und begaben sich damit auf einen Modellflugplatz. Die Sensation: Die Nachbauten der alten Amulette flogen perfekt und waren in der Luft sogar außerordentlich wendig. Ist dies ein Hinweis darauf, dass es sich bei den Amuletten tatsächlich um Flugzeugdarstellungen handelt?

Schwer zu sagen – schließlich waren die Balsaflieger keine wirklichen Kopien. Die Forscher hatten in ihren Nachbau einiges an modernem Wissen über das Fliegen hineingesteckt: Sie hatten Motor und Propeller er-gänzt, Knubbel ausgespart, die den Windwiderstand erhöhen, einen spiralförmigen Riss im Flügel weggelassen, den Tragflächen ein aerodynamisches Profil verliehen und natürlich moderne Leichtbau-Materialien verwendet. Mit solchen Verbesserungen fliegt vielleicht auch der eine oder andere Nasenschmuck.

Und woher schließlich sollten die Inkas Flugzeuge kennen? Dass eine längst untergegangene Hochkultur bereits Flugzeuge gebaut haben soll, ohne dass wir davon heute Spuren finden, ist mehr als unwahrscheinlich. (Man bedenke nur: Metallgewinnung, Motorenbau, Treibstoffversorgung, Landebahnen; ein ganzer Industriezweig. Wir müssten Tausende von Spuren entdecken!)

Da ist es wahrscheinlicher, dass Außerirdische vorbeigeflogen sind und dieser Anblick Eingang in den Kunstschatz gefunden hat. Doch auch das ist nicht wirklich glaubhaft. Schließlich bräuchten fremde Besucher auf der Erde ja Raumschiffe, mit denen sie die luftleeren Weiten des Alls durchqueren können. Da machen Flügel einfach keinen Sinn. Selbst die Annahme, die Außerirdischen hätten Aufklärungsflugzeuge mitgeführt, um die Erde erkunden zu können, ist nicht sehr plausibel. Dann hätten sie schon vor dem Aufbruch zur Reise wissen müssen, dass die Erde eine Atmosphäre besitzt, woraus sie besteht, und von welcher Dichte diese Atmosphäre ist. Sonst funktioniert die ganze Flugzeugkonstruktion ja nicht.

Sind die Amulette also doch Darstellungen von Insekten? Auch das ist unwahrscheinlich. Insekten ha-ben keine Deltaflügel, ihre Flügel setzen oben am Rumpf an und nicht unten. Außerdem haben weder Vögel noch Insekten ein senkrecht stehendes Schwanzruder. Die größte Ähnlichkeit hat das Amulett noch mit fliegenden Fischen. Aber Deltaform oder eine Kerbe hinter dem Kopf haben auch diese nicht.

Eine überzeugende Antwort gibt es nicht. »Das ist aber nicht schlimm«, meint dazu Dr. Willibald Katzinger, Direktor des Stadtmuseums in Linz und Organisator der Ausstellung »Die Welt des Unerklärlichen«, »wenn alles erklärt wäre, bräuchten wir nur Verwalter und keine Wissenschaftler mehr. Und wenn die Wissenschaft selbst nicht in Frage stellen würde, was sie als bewiesen sieht, gäbe es keinen Fortschritt. Manchmal ist es geradezu notwendig, auch ein wenig zu spekulieren.«

Also spekulieren wir ein wenig: Was ist zum Beispiel mit dem Dolch des Pharao? Am 6. November 1922 fand ein Grabungstrupp unter Leitung von Howard Carter im Tal der Könige in Ägypten das unversehrte Grab des Tut-ench-Amun. Sarkophage, Totenmasken, Truhen, Mumien, Goldschmuck: einen gewaltigen Schatz mit mehr als 5000 Fundstücken förderten die Ausgräber zu Tage. Das Mysteriöseste unter all diesen Fundstücken: ein wohl erhaltener Eisendolch ohne Rost. Eisen war zur damaligen Zeit wertvoller als Gold, selbst für den Pharao war es eine Kostbarkeit. Sein immenser Wert zeigt sich auch daran, dass er es noch im Tode an seinen rechten Oberschenkel gebunden trug.

Doch wie kam der Dolch in den Besitz des Pharao? Ist es tatsächlich ein »Out of Place Artefact«, wie es verschiedene Quellen im Internet behaupten? Dort kann man geradezu Un-glaubliches über den Dolch lesen: dass er aus rostfreiem Edelstahl gefertigt ist, dass er seltsamerweise nicht katalogisiert wurde, dass wir solch eine hohe Legierungsqualität heute nur unter Vakuumbedingungen herstellen können und dass ja die Ägypter damals weder Kenntnisse der Vakuumherstellung noch der Eisenproduktion hatten. Also ein mystisches Fundstück?

Manfred Sachse, Meisterschmied aus Deutschland und Präsident der Damaszener-Stahl-Forschungsgesellschaft, hat sich intensiv mit dem Fund beschäftigt. Doch aus welchem Material der Dolch besteht, weiß auch er nicht – niemand weiß es: »Dr. Lukas, der die Funde damals untersucht hat, hat die Zusammensetzung des Eisens nicht analysiert, und das ist bis heute nicht geschehen.« Die Verwaltung des Ägyptischen Museums in Kairo verweigert die Herausgabe des Dolches zu Untersuchungszwecken. Alle Behauptungen über die verwendeten Legierungen sind daher frei erfunden. Dass der Dolch in 33 Jahrhunderten nicht gerostet ist, findet Sachse wenig verwunderlich. »Es muss in der Grabkammer beste trockene Bedingungen gegeben haben, denn alle Fundstücke waren ja in hervorragendem Zustand«, sagt er.

Und wie kam der Pharao an das gute Stück? Er könnte es im Ausland gekauft haben: Die Hethiter kannten zur damaligen Zeit schon die Technik der Eisenverhüttung. Zweite Möglichkeit: Es könnte sich um Eisen von einem Meteoriten handeln. Tatsächlich hieß Eisen zur da-maligen Zeit »schwarzes Kupfer vom Himmel«, und wenn man einen Meteoritenbrocken aus Eisen findet, braucht man ihn nur noch in die passende Form zu schleifen, und fertig ist der Dolch. Mit einigem Recht könnte er dann selbst als Außerirdischer bezeichnet werden!

Dieser Dolch besäße dann vielleicht sogar Kristallstrukturen, wie wir sie heute auf der Erde nicht herstellen können, denn manche Strukturen entstehen tatsächlich nur in Vakuum und Schwerelosigkeit. Wie gewöhnlich oder ungewöhnlich der Dolch wirklich ist, werden wir allerdings erst wissen, wenn es eine Untersuchung des Eisens gegeben hat. So lange bleibt alles Spekulation.

Wieder mal werfen die alten Funde mehr Fragen auf, als sie beantworten. Fest steht nur: Wer will, dass eine außergewöhnliche Er-klärung anerkannt wird, muss dafür auch außergewöhnliche Beweise präsentieren. Solange das nicht geschieht, ist die Erklärung nur eine Vermutung – meist eine von vielen.

Ähnliches gilt für die These, dass die Menschen schon vor Hunderten von Millionen Jahren auf der Erde existierten. Manche glauben, dies mit dem »Hammer von London« belegen zu können. Dieses höchst ungewöhnliche Stück wurde 1936 von Spaziergängern in einem Flussbett nahe dem texanischen Dörfchen London in den USA gefunden. Das Gestein des Flussbetts ist über 100 Millionen Jahre alt, und hier fand sich ein fast kopfgroßer Stein, in dessen Inneren ein metallener Hammer mit ehemals hölzernem Stiel eingeschlossen war. Für die hauptsächlich in den USA aktiven Kreationisten ein Beweis, dass die Menschen schon vor 100 Millionen Jahren auf der Erde lebten! Kreationisten glauben an die unbedingte Wahrheit der Bibel und daran, dass es keine Evolution gibt. Nach ihrer Auffassung hat Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen; Veränderungen finden deshalb nicht statt.

Sollten also wirklich zu den Zeiten der Dinosaurier Menschen auf unserem Planeten herumgelaufen sein? Haben sie sich gar mit Eisenwerkzeugen gegen die Bestien gewehrt? Ist der Fund ein Beweis für diese These? Auf jeden Fall ist das Fundstück beeindruckend: Eingeschlossen wie ein frühzeitliches Fossil findet sich ein Metallkopf, der gut von einem Hammer aus dem 19. Jahrhundert stammen könnte. Wie kommt er in jahrmillionenalten Stein?   

Des Rätsels Lösung könnte in diesem Fall ganz einfach sein: Vielleicht ist der Stein sehr jung. Unter bestimmten Bedingungen können nämlich flüssige Sedimente in nur wenigen Jahren zu festem Stein zusammenbacken. Bricht ein Teil davon ab und wird in ein Tal mit anderem Gestein gespült, ist die scheinbare Sensation perfekt. Und tatsächlich wurde der versteinerte Hammer nicht aus festem Gestein herausgebrochen, sondern lag als Findling im Tal herum. Es kann also entweder der Hammer außerordentlich alt oder der Stein außerordentlich jung sein. Nur eine genaue Untersuchung des Steins hilft hier weiter.

Es ist wirklich nicht so einfach, im Chaos widerstreitender Theorien den Überblick zu bewahren. Eigentlich hilft nur eines, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden (und dabei sein Vergnügen zu haben): wundern und staunen! Es ist vielleicht eine Art Zaubermedizin gegen geistige Verengung. Wer das Staunen beherrscht, wirft jeden Morgen eine Lieblingsthese über Bord – wie es  der Verhaltensforscher Konrad Lorenz jedem guten Wissenschaftler empfohlen hat. Mit Faszination sieht der Staunende, wie immer neue Erklärungen an der Wirklichkeit zerschellen. Was am Ende bleibt, ist die (zugegeben unbequeme) Erkenntnis, wie wenig wir wissen – und dass vieles ein Rätsel bleibt. Das kleinste Rätsel ist übrigens der anfangs erwähnte Kris-tallschädel: Er ist eine schlichte Fälschung; auch das kommt vor.

Der Abenteurer Fredrick Mitchell-Hedges hat ihn nicht 1924 im Urwald gefunden, sondern 1943 auf einer Auktion in London für 400 Pfund ersteigert. Unter polarisiertem Licht zeigen sich eindeutige Spuren der maschinellen Bearbeitung, und auch die Untersuchungen im Labor des Computerherstellers Hewlett-Packard lieferten reinen Unsinn: Bergkristall hat keine besondere Kristallachse, und deshalb gibt es auch keine falsche Bearbeitungsrichtung. Heutzutage kommt man übrigens bequem an solche Schädel: Man kann sie übers Internet bestellen. In diesem Fall bleibt nur ein einziges Rätsel ungelöst: Wie konnte sich die Mär vom wunderkräftigen Schädel so lange halten?                                     

Eigene Bewertung: Keine Durchschnitt: 3.5 (58 Bewertungen)
Autor/in: Nicolai Schirawski

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