Obamas schöne Staatsanwältin: Vom Schaden, den ein Kompliment anrichten kann

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat sich dafür entschuldigt, dass er Kamala Harris als »mit Abstand bestaussehende Generalstaatsanwältin« im Land bezeichnet hat.

»Dämlicher geht es kaum«, schimpfte Andrea Seibel in der »Welt am Sonntag« und behauptete: »Man darf in Amerika nicht mehr sagen, wenn ein Mensch schön ist, sondern nur, dass er gut arbeitet. Mann und Frau können sich so einzig als aseptische Roboter im öffentlichen Raum begegnen, da jede menschliche Regung als Sexismus ausgelegt und von einer unerbittlichen Gesinnungspolizei geahndet wird.«

Ihre Fassungslosigkeit reichte noch für einen weiteren Text zwei Tage später in der »Welt«, in der ihr Kollege Ansgar Graw dann den Lesern zudem ausführlichst die — angeblichen — Konzepte von »Political Correctness« und »Sexual Correctness« erklärte und beschrieb, wie idiotisch das alles ist. Und die Springer-Leute waren mit diesem Reflex nicht allein.

Nun hat das Projekt »Name It Change It«, das gegen sexistische und frauenfeindliche Darstellungen in den Medien kämpft, eine interessante Studie mit 1500 befragten Wählern vorgelegt. Darin geht es um den — hypothetischen — Wahlkampf zwischen einer Frau und einem Mann um einen Kongresssitz.

Ursprünglich, nach einer kurzen Vorstellung der Kandidaten, liegen beide fast gleichauf in der Wählergunst: Frauen bevorzugen leicht die Frau, Männer den Mann.

Dann bekommen sie jeweils zwei Artikel zu lesen. Einen über den Mann, der immer derselbe ist: Er schildert sachlich dessen Position zu einem Schulgesetz. Und einen über die Frau, der variiert.

Ein Viertel der Befragten bekommt eine Fassung, die sich ebenfalls nur mit der politischen Position der Kandidatin befasst. Als sie hinterher wieder befragt werden, für wen sie stimmen, liegen Mann und Frau immer noch ungefähr gleichauf.

Ein zweites Viertel bekommt eine Version, in der der Bericht um eine neutrale Beschreibung der Kleidung der Kandidatin ergänzt ist (»Smith dressed in a brown blouse, black skirt, and modest pumps with a short heel«). Diese Wähler stimmen danach nicht mehr zu 49 Prozent, sondern nur noch zu 46 Prozent für die Frau.

In einer dritten Version ist die Erscheinung der Kandidatin positiv beschrieben (»In person, Smith is fit and attractive and looks even yonger than her age. At the press conference, smartly turned out in a ruffled jacket, pencil skirt, and fashionable high heels…«). Das schadet ihr noch mehr bei der Abstimmung: Von dieser Gruppe der Wähler bekommt sie nur 43 Prozent.

In der vierten Gruppe schließlich, deren Artikel eine negative äußerliche Beschreibung enthält (»Smith unfortunately sported a heavy layer of foundation and powder that had settled into her forehad lines, creating an unflattering look for an otherwise pretty woman, along with her famous fake, tacky nales«), fällt der Wähleranteil auf 42 Prozent.

Vor allem bei den Männern führt die bloße Erwähnung von Äußerlichkeiten der Kandidatin oder einer positiven Beschreibung zu einem drastischen Rückgang an Zustimmung.

Nachdem die Wähler die Berichte gelesen hatten, in dem das Erscheinungsbild der Kandidatin erwähnt wurde, wurden ihr weniger positive Eigenschaften zugeschrieben. Besonders stark war ihr Rückgang in den Kategorien Verbundenheit, sympathisch, selbstbewusst, wirkungsvoll und qualifiziert. Anscheinend reicht es, das Äußere einer Frau zu erwähnen, um bei einem Teil der Wähler ihre Qualifikation vergessen zu lassen.

In der Zusammenfassung von »Name It Change It«:

Wenn sich die Medien auf die äußere Erscheinung einer weiblichen Kandidatin konzentrieren, zahlt sie dafür in den Umfragen einen Preis. Das gilt, wenn die Berichterstattung über die Erscheinung einer Kandidatin positiv, negativ oder neutral daherkommt.

Mehr als kompensieren ließ sich in der Studie der negative Effekt bei den Wählern übrigens dadurch, dass die Kandidatin oder eine Organisation sich über diese Art der Berichtertattung über Äußerlichkeiten beschwerte.

[via Andrew Sullivan]

Endlich: 8. Staffel »The West Wing« startet

(Original, Hintergrund für Nicht-Kenner)

[via Martina]

How He Did It

Während die größte deutsche Zeitung ihre Leser in einer großen Serie informiert, was der künftige Präsident der Vereinigten Staaten vor zwanzig Jahren gemacht hat, hat das amerikanische Nachrichtenmagazin »Newsweek« aufgeschrieben, was er die vergangenen Monate so erlebt hat. Seit 1984 veröffentlicht »Newsweek« nach jeder Präsidentschaftswahl ein Dossier »How He Did It«. Die beteiligten Reporter arbeiten für ein Jahr lang völlig getrennt von der aktuellen Redaktion, sind näher dran an den handelnden Personen, erfahren sonst unbekannte Hintergründe und bekommen weniger geschönte Antworten — dürfen all das aber erst nach der Wahl veröffentlichen.

In sieben langen Kapiteln hat »Newsweek« die Ergebnisse des faszinierenden Projektes auf seiner Homepage veröffentlicht. Ich habe das nicht alles gelesen, aber die Leute von »Gawker« haben freundlicherweise einige der spannendsten Geschichten ausgewählt. Sie erzählen zum Beispiel von dem Streit in Hillary Clintons Wahlkampfteam, aber auch die Episode, ganz am Anfang des Wahlkampfes, als sie sich fragte, warum sie sich das überhaupt antut:

On a cold midmorning in January 2007, Hillary sat in the sunny living room of her house on Whitehaven Street in Washington, a well-to-do enclave off Embassy Row where she lived with her mother and, on occasion, her husband. She was finishing a last round of policy prep with her aides before getting on a plane to Iowa for her first big campaign swing. In a moment of quiet, she looked around the living room and said, to no one in particular, »I so love this house. Why am I doing this?«

Her policy director, Neera Tanden, and her advertising director, Mandy Grunwald, laughed, a little too lightheartedly. Clinton went on. »I’m so comfortable here. Why am I doing this?«

Tanden spoke up. »The White House isn’t so bad,« she said.

»I’ve been there,« said Clinton.

Herzerwärmend ist auch die Anekdote über McCains Frau Cindy, und wie sie mit Karl Rove umgehen würde, dem Wahlkampfleiter von George W. Bush, der 2000 mit einer widerlichen Schmutzkampagne den damaligen Konkurrenten McCain aus dem Feld schlug:

At a private gathering in Aspen, Colo., in the summer of 2007, a friend asked Cindy whether she would stab Rove in the back if he walked by. »No,« she answered, »I’d stab him in the front.«

Und dann ist da Barack Obama. Der Mann, der offenbar noch cooler ist, als alle ohnehin schon glauben:

On the eve of his speech to the Democratic convention in 2004, the speech that effectively launched him as the party’s hope of the future, he took a walk down a street in Boston with his friend Marty Nesbitt. A growing crowd followed them. »Man, you’re like a rock star,« Nesbitt said to Obama. »He looked at me,« Nesbitt recalled in a story he liked to tell reporters, »and said, ›Marty, you think it’s bad today, wait until tomorrow.‹ And I said, ›What do you mean?‹ And he said, ›My speech is pretty good‹.«

Newsweek: »How He Did it«.
Gawkers »Guide To the Endless Newsweek Story on the Endless Campaign«.

Die schrecklichen Folgen des Obama-Sieges


Obama Win Causes Obsessive Supporters To Realize How Empty Their Lives Are

Andererseits …

… ebenfalls von den grandiosen Leuten von »The Onion«:

Nation Finally Shitty Enough To Make Social Progress

(…) Carrying a majority of the popular vote, Obama did especially well among women and young voters, who polls showed were particularly sensitive to the current climate of everything being fucked. Another contributing factor to Obama’s victory, political experts said, may have been the growing number of Americans who, faced with the complete collapse of their country, were at last able to abandon their preconceptions and cast their vote for a progressive African-American.

Citizens with eyes, ears, and the ability to wake up and realize what truly matters in the end are also believed to have played a crucial role in Tuesday’s election. (…)

As we enter a new era of equality for all people, the election of Barack Obama will decidedly be a milestone in U.S. history, undeniable proof that Americans, when pushed to the very brink, are willing to look past outward appearances and judge a person by the quality of his character and strength of his record. So as long as that person is not a woman.

Barack Obama, »Face of change«

Nicht alle Zeitungen haben heute mit einem Foto von Barack Obama aufgemacht. Die katalanische Zeitung »El Periódico« zeigt Martin Luther King. Ihre Schlagzeile lautet: »Kein Traum mehr«.

Aber sonst…









[via »What’s Next: Innovations in Newspapers«, Newseum]

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