Bildwissenschaften und Bildanthropologie(n) – Eine Bilanz im Rückblick nach vorn.

28.11.2009 to 29.11.2009

Das Karlsruher Graduiertenkolleg Bild – Körper – Medium. Eine anthropologische Perspektive geht in diesen Wochen dem Ende seiner dritten und abschließenden Förderphase entgegen. Im Oktober 2000 gegründet mit Professor Hans Belting als Sprecher, seit seinem Beginn wissenschaftlich koordiniert und geleitet von PD Dr. Martin Schulz und seit mittlerweile sechs Jahren mit Professor Beat Wyss als Sprecher wurde das Kolleg von über 40 Graduierten getragen.
Zum Abschluss dieser äußerst vielfältigen und produktiven neun Jahre freuen wir uns, zu einer abschließenden Veranstaltung mit dem Titel „Bildwissenschaften und Bildanthropologie(n) – Eine Bilanz im Rückblick nach vorn“ einladen zu dürfen. Wie es schon der Titel der Veranstaltung andeutet, soll das Thema des Kolloquiums nicht nur die persönliche Bilanz einzelner Kollegiatinnen und Kollegiaten in Bezug auf ihre eigenen bildanthropologisch orientierten Forschungsprojekte sein, sondern auch nach vorn auf die zukünftigen Aufgaben und Problemfelder der Bildwissenschaften gerichtet werden.
 
Es war einmal...
Der ‚Beginn’ einer an bildwissenschaftlichen Fragen orientierten Kunstgeschichte wurde nicht zuletzt dank der Neurezeption der Schriften Aby Warburgs und den Herausforderungen der zunehmend digitalisierten alltäglichen Bildwelten transnational durch zwei fast zeitgleich veröffentlichte Publikationen und die in ihnen definierten ‚turns’ terminiert: Der pictorial turn des amerikanischen Kultur- und Literaturwissenschaftlers William T. J. Mitchell datiert ebenso ins Jahr 1994 wie der iconic turn des deutschen Kunsthistorikers Gottfried Boehm. Beide Drehbewegungen – die sich nicht nur rhetorisch an Richard Rortys linguistic turn aus dem Jahr 1967 orientierten – wandten sich trotz zahlreicher Divergenzen primär gegen ein text- und sprachwissenschaftlich fundiertes Bildverständnis. Dementsprechend waren und sind die Bildwissenschaften nicht nur daran interessiert, der vielzitierten ‚Bilderflut’ eine eigene Objektbasis jenseits des Kunstkontextes zu geben, sie woll(t)en auch die Kunst durch ein Bildwissen anreichern, welches nicht geistesgeschichtlich, noch formal, sondern in den „Untergründen der Repräsentation“ zu finden ist.
Bei der Gründung des Graduiertenkollegs stand als ein möglicher Ansatz die anthropologische Perspektive Pate, welche die Frage nach dem Bild zugleich als Frage nach dem „Menschen, der Bilder erfindet und benutzt“ formulierte. Die Annäherung an die unterschiedlichen Facetten und Phänomene der Bilder fragte dabei insbesondere nach den Konvergenzen und Differenzen von künstlerischen, mentalen und medialen Bildern in unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten, welche exemplarisch in transdisziplinär angelegten Projekten zwischen Kunstgeschichte, Archäologie, Psychologie und Hirnforschung sowie Medienwissenschaften und Wissenschaftsgeschichte untersucht werden sollten.
Der Einbezug der Parameter „Körper“ und „Medium“ führte dabei zum einen zu der Frage, in welchem Verhältnis unterschiedliche Konzepte des Körpers zu denen des Bildes stehen. Andererseits wurde diese Frage im Hinblick auf die Bildträger als Medien und Körper der Bilder erweitert, wobei gerade auch die historischen und kulturellen Formen der „symbolische[n] Techniken“ der Bildproduktion und -rezeption in den Blick gerieten. Diese angestrebte Mediologie mit Körperbezug verstand sich als Antwort auf „eine empfindliche Lücke im heutigen Spektrum der Medienwissenschaften“ und forderte programmatisch eine neue Synthese von Bild- und Medienfragen gegen die Dominanz sprach- und textorientierter Ansätze, wie z. B. der Semiotik und Ikonographie, um dem Ruf nach einer neuen Ikonologie gerecht zu werden.
 
...heute...
In nun schon neun Jahren Förderlaufzeit bot diese Perspektive nicht nur den Rahmen, sondern auch den Raum für verschiedenste Ausprägungen dessen, wie eine Bildwissenschaft mit historischer und anthropologischer Perspektive ausformuliert werden kann. Drei Generationen von Stipendiatinnen und Stipendiaten, Postdoktorandinnen und Postdoktoranden, sowie zahlreiche assoziierte Promovierende, Habilitierende und Professorinnen und Professoren beschäftigt die Aufgabe, Bilder aus ihrer impliziten Prozessualität heraus zu verstehen und deren oft beschworene ‚ikonische Differenz’ immer wieder neu zu hinterfragen und zu differenzieren. Gerade in den letzten Förderphasen rückten dabei insbesondere die technischen, repräsentationalen und transkulturellen Dimensionen der Bilder in den Mittelpunkt zahlreicher Arbeitsprojekte und Konferenzen.
Die vielfältigen Früchte dieser Arbeit verdeutlichen die zahlreichen Sammelbände des Kollegs, welche von mehreren Graduiertengenerationen geprägt wurden und die zugleich fundierte Einblicke in bildanthropologische Perspektiven bieten. Darüberhinaus lassen sich bereits an den Titeln der Publikationen die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und -phasen des Kollegs ablesen: „Quel Corps? Eine Frage der Repräsentation“ (2002); „Kulturen des Bildes“ (2006); „The Picture`s Image. Wissenschaftliche Visualisierung als Komposit“ (2006); „Bild und Körper im Mittelalter“ (2006 1. Aufl., 2008 2. Aufl.); „Topologien der Bilder“ (2008); „Techniken des Bildes“ (im Druck); „Bilder in der Archäologie – Eine Archäologie der Bilder?“ (in Vorbereitung).
 
...und morgen?
Da die Bildwissenschaften und ihr – bei allen Unterschieden – angelsächsisches Äquivalent, die visual studies, längst nicht mehr nur publizistische, sondern auch institutionelle Folgen zeitigen, lädt die Abschlußveranstaltung die assoziierten Professoren, die ehemaligen und gegenwärtigen Graduierten und Assoziierten ganz herzlich ein, einige kurze Vorträge für den Sonntagvormittag der Veranstaltung beizutragen.
Gefragt ist eine (ca. 20minütige) persönliche Bilanz der Entwicklung der eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit in Hinblick auf die anthropologische Fragestellung des Graduiertenkollegs. Insbesondere soll dabei auch eine persönliche Einschätzung dessen vorgenommen werden, wie gegenwärtig die Forschung um das Verhältnis Bild, Körper und Medium aussieht und wie diese zukünftig perspektiviert werden kann.

 

Rednerliste

Hans Belting
Gottfried Boehm
Christiane Brosius
Markus Buschhaus
Frank Furtwängler
Götz Großklaus
Anette Hüsch
Monica Juneja
Klaus Krüger
Christiane Kruse
Asko Lehmuskallio
Beat Wyss
Martin Schulz