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Anti-Euro-Partei: Freie Wähler im freien Fall

Innere Konflikte, bittere Vorwürfe gegen Parteichef Hubert Aiwanger und Erfolge bei der Konkurrenz-Partei Alternative für Deutschland: Der Bundestagswahlkampf stellt die Freien Wähler vor die Zerreißprobe.

Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Freien Wähler. Quelle: Reuters
Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Freien Wähler. Quelle: Reuters

Hubert Aiwanger steht vor einem Haufen Schutt. Mühsam hat der Parteivorsitzende an seinem Projekt gezimmert, die Freien Wähler als Anti-Euro-Partei in den Bundestag zu führen. Jetzt bricht und bröckelt es an allen Enden. Immer mehr spitzen sich die Konflikte innerhalb der Partei zu, immer lauter wird die Kritik gegen den Bundesvorsitzenden Aiwanger.

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Vor drei Wochen kehrte der designierte Spitzenkandidat, der Adenauer-Enkel Stephan Werhahn den Freien Wähler den Rücken zu, um zurück zur CDU zu flüchten. „Ich konnte die aktuellen Entwicklungen in der Partei nicht mehr mit gutem Gewissen mittragen", sagte Werhahn zu seinem Rücktritt. Die Bundespartei, so Werhahn, sei „ein Minenfeld unerledigter persönlicher Rache gegen die Parteispitze".

Seitdem überrollt eine Welle von Rücktritten und Parteiwechseln die Freien Wähler: Gleich vier Landesvorsitzende schmissen hin, drei von ihnen wechselten gleich mit ihren Leuten zur neugegründeten und ebenfalls euro-kritischen Partei Alternative für Deutschland: Der Hamburger Landesvorsitzende und Professor Jörn Kruse, der Berliner Landesvorsitzende Christian Schmidt und auch Bernd Grimmer, Vorsitzender in Baden-Württemberg. Der Saarländische Landesvorstand trat gleich geschlossen zurück, dort wechselte Schatzmeister Stephan Kunz zur Alternative.

Noch bei der Landtagswahl in Niedersachsen sind die Freien Wähler Seite an Seite mit der Alternative angetreten, jetzt kämpfen die beiden euro-kritischen Parteien erbittert um Wähler - und Mitglieder. Man stehe der Alternative bei der Euro-Politik inhaltlich näher, heißt es offiziell von der Seite der Parteiwechsler. Doch letztlich war es auch der Unmut über Aiwanger, der die Landesvorsitzenden zum Hinschmeißen bewegte.

Anti-Euro-Parteien

„Wer Kritik an Hubert Aiwanger übt, der wird zum Feind erklärt", sagt Bernd Richter, der bis Dienstag als Landesvorsitzender der Freien Wähler im Saarland amtierte. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen Aiwanger: Der Bundesvorstand habe gezielt versucht, ihn abwählen zu lassen und aus der Partei zu vertreiben - und das auch mit juristisch fragwürdigen Mitteln.

Der Führungsstil der Parteivorsitzenden sei „diktatorisch" und „nicht hinnehmbar", heißt es im Saarland.

Der Parteivorsitzende will diese Vorwürfe nicht an sich ranlassen: „Darüber kann ich nur lachen", sagt Aiwanger. „Ich bin etwa das Gegenteil von autoritär. Eher muss ich mich dem Vorwurf stellen, dass ich diese Quertreiber zu lange geduldet habe.“ Die Partei habe durch die Rücktritte keinen Schaden genommen, sagt Aiwanger. „Das waren Störenfriede. Ich bin froh, dass die gegangen sind", bügelt er die Kritik ab.

Doch so einfach ist das nicht: Der Berliner Landesvorsitzende Christian Schmidt und auch Bernd Richter, der umstrittene Landeschef aus dem Saarland, sind wichtige Figuren in der Partei und waren bis vor zwei Jahren noch Mitglieder des Bundesvorstands.

Landesvorstand tritt zurück Kritik an Aiwangers „diktatorischem Führungsstil“

Nach wochenlangen Konflikten schmissen die saarländische Landesvorstände hin.

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Und auch in der Parteibasis herrscht Unzufriedenheit mit Hubert Aiwanger. Die Flucht des Spitzenkandidaten Werhahn, die gescheiterte Zusammenarbeit mit der Alternative für Deutschland, viele geben die Schuld dafür dem Parteivorsitzenden. „Der strategische Weitblick hat ihm da bisweilen gefehlt", sagt Christian Schmidt.

Dabei fällt es schwer, Aiwanger mangelndes politisches Geschick vorzuweisen. Er war es, der die Freien Wähler bei der Landtagswahl in Bayern 2008 von vier auf über zehn Prozent katapultierte und damit als drittstärkste Kraft in den Landtag einzog. Damit hat Aiwanger die Freien Wähler als konservative Kraft neben der CSU positioniert – ein Kunststück, was lange Zeit als unmöglich galt.

Handelsblatt-Prognosebörse Wissen, was kommt

Auf der Prognosebörse werden die Aussichten der Parteien bei der Bundestagswahl gehandelt. Der Kurs spiegelt die Erwartungen der Teilnehmer - und ist ein guter Indikator, wie die Wahl ausgeht. Hier können Sie einsteigen.

Handelsblatt-Prognosebörse: Wissen, was kommt

Und im Vergleich zu manch anderen Emporkömmlingen haben die Freien Wähler auch als Neulinge in der Landespolitik eine gute Figur gemacht: Sie waren es, die mit einem erfolgsreichen Volksbegehren die etablierten Parteien zur Abschaffung der Studiengebühren drängten – auch das ist Aiwangers Verdienst. Noch halten sich die Freien Wähler in Umfragen zu den anstehenden Landtagswahlen bei acht Prozent. Doch ob Aiwanger dieses Ergebnis auch bei dem lautstarken Tumult aus der Bundeszentrale halten kann, ist fraglich.

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Das Projekt Bundestagswahl, es stand von Anfang an auf wackeligen Füßen. „Viele Landesverbände mochten die Parteigründung überhaupt nicht", sagt Christian Schmidt. Das hängt auch mit der Historie der Freien Wähler zusammen: Die Bewegung ist nach dem Krieg in der Kommunalpolitik entstanden, als bürgerliche Gegenbewegung zu den etablierten Parteien. Viele Verbände treten immer noch als Freie Wähler auf, stehen aber nicht hinter der Bundesvereinigung. Auch ein gemeinsames Parteiprogramm gibt es nicht. Um so schwerer ist es, eine gemeinsame Linie zu finden.

Mit Werhahn zauberte Aiwanger einen Spitzenkandidaten aus dem Hut, der zwar einen gewissen Promi-Faktor, dafür aber wenig Kenntnis von den Freien Wählern selbst mitbrachte. Aiwanger habe Werhahn eigenmächtig und ohne Absprache zum Spitzenkandidaten gemacht, sagen viele Kritiker. Der Parteichef streitet das ab. „Das wurde mit den Landesvorsitzenden und dem Bundesvorstand besprochen. Dabei gab es nicht eine Gegenstimme", sagt Aiwanger.

Er wirft dem ehemaligen Spitzenkandidaten Werhahn ein Spiel mit doppeltem Boden vor. Schon vor seinem Rücktritt soll der Spitzenkandidat mit der CDU über seine Wiederkehr verhandelt haben. Die Forderungen Werhahns gegenüber den Freien Wählern seien nicht umsetzbar gewesen. „Der wusste nicht, wie unsere Leute ticken", sagt Aiwanger heute.

Werhahn hingegen wirft dem Bundesvorsitzenden mangelnde Unterstützung vor. Er habe sich für eine Zusammenarbeit mit der Alternative für Deutschland bei der Bundestagswahl eingesetzt, schreibt Werhahn in einem Abschiedsbrief an die Freien Wähler, der dem Handelsblatt vorliegt. „Darüber wurde nicht einmal eine innerparteiliche Diskussion und Gremienentscheidung zugelassen. Kuba lässt grüßen", so Werhahn.

Bundestagswahl Kein Adenauer-Enkel für die Freien Wähler

Adenauer-Enkel Werhahn war Spitzenkandidat der Freien Wähler. Nun tritt er zurück.

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Schon in Niedersachsen habe sich gezeigt, dass die Alternative und die Freien Wähler nicht zusammen passen würden, sagt Aiwanger. Bei der Landtagswahl wollten die beiden Gruppierungen gemeinsam für eine neue Euro-Politik eintreten und die Wähler von einem Kurswechsel überzeugen. Bernd Lucke, Kopf der Alternative, trat sogar an Platz drei der Landesliste der Freien Wähler an. Die Alternative bringt ihre Unterstützer und ihre Spenden ein, bekommt dafür ein Mitsprachrecht und die Plätze auf der Landesliste – so der Deal.

Doch es krachte schnell zwischen den beiden Fronten: Den Freien Wähler waren die Ökonomen der Alternative zu liberal, zu atomstromfreundlich, zu radikal in ihrer Euro-Politik. Die Freien Wähler hingegen seien zu schlecht organisiert und eher an der Planung der Umgehungsstraße interessier als an der Euro-Krise, hieß es bei der Alternative. „Die Freien Wähler stellten Vorbedingungen", sagte Konrad Adam, einer der Gründer der Alternative, später.

Porträt zum Download Ein Anti-Euro Professor kämpft gegen das System

Er wollte nie in die große Politik. Nun gehört Bernd Lucke zu den Gründern der Anti-Euro-Partei "Alternative für Deutschland". Handelsblatt-Reporterin Miriam Schröder hat ihn auf einer Paris-Reise begleitet.

Porträt zum Download: Ein Anti-Euro Professor kämpft gegen das System

Am Ende fanden die beiden Seiten weder inhaltlich noch organisatorisch zusammen: Während die Alternative rund 100.000 Euro an Spendengeldern auftrieb, brachten die Freien Wähler nur 30.000 Euro ein, heißt es bei der Alternative. Am Ende stimmten nur 1,1 Prozent der Wähler stimmten für die Euro-Kritiker. Der Alternative war das zu wenig. Als eigene Partei, da ist sich Gründer Bernd Lucke mittlerweile sicher, können sie den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. In den Umfragen allerdings liegt die Partei noch deutlich unter der Fünf-Prozent-Marke.

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Hubert Aiwanger hingegen äußert sich mittlerweile deutlich vorsichtiger über die Erfolgschancen der Freien Wähler. Die Bundestagswahl, so sagt er, sei ein „Langzeitprojekt“. Dafür brauche man einen langen Atem.

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  • 19.04.2013, 12:12 Uhrfelsen2000

    @Grandlmayr
    Solche Polemik fällt auf die Sie zurück - offensichtlich stehen Sie den freien Wählern nahe. Es grenztan Verleumdung, der AfD "Feunschaft" zu unterstellen, weil 10 NPDler (und nebenbei 20 linksextreme Demonstranten) sich vor dem Hotel postiert haben. Wa hätten wir tun sollen - rauskomme und die NPD-Demonstrante verprügeln? ist DAS ihre Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit? Tut mir leid, das sieht die AfD anders. Wir sind keine Ersatzpolizei. Die AfD ist Milionen Lichtjahr entfernt vn den dumpfen Ressentiments rechter Gruppierungen. Die AfD ist Kind der bürgerlichen Mitte: und bereits das scheint manche Journalisten aufzuregen, dass di ürgerliche Mitte es überhaupt wagt, noch mal aufzumucken. Aber wir wolen mehr als nur aufmucken. Wir wollen die Politik mitgestalten. Mit intellienten und demokratischen, rechtsstaatlichen Ideen.

    Anstatt hier mit der Nazi-Keule zu schwingen, werter Grandlmayr, sollten Sieihre Hausaufgaben machen und eigene Konzepte entwickeln. Und dann kommt es zu einem Wettstreit der Ideen - und da ist gut fü Deutschland.

  • 14.04.2013, 11:18 UhrGrandlmayr

    Die Alternative für Deutschland ist nur eine Alternative für diejenigen, die der NPD-Forderung nach einer Abschaffung des Euro und einer Wiedereinführung der D-Mark Vorschub leisten wollen. Die NPD haben sie ja bereits mit einer Paralleldemo zum Gründungsparteitag auf den Plan gerufen. Tolle Freunde, die ganz und gar eurer Meinung sind, habt ihr da, liebe AfD! Mit einer Durchsetzung dieser Forderung würdet ihr Deutschland in eine noch größere Krise stürzen - da sollte man sich mal näher mit beschäftigen, bevor man in dieses rechtspublizistische Horn bläst!

    Nach Allen Seiten offen, bedeutet in diesem Fall nichts anderes, als "ohne Fraktionszwang" und "Sachpolitik nach Menschenverstand und nicht nach Parteibuch"! Das sind die FREIEN WÄHLER, die schon seit Jahrzehnten solide Politik betreiben.

    Es gibt Menschen, denen nichts besseres einfällt, als die gesamte Arbeit der Freien Wähler an dem Bundesvorsitzenden Hubert Aiwanger festzumachen und ihm jedes Wort mehrfach im Munde herumzudrehen. Leute: Wo hart gearbeitet wird, werden auch Fehler gemacht und wer Hubert Aiwanger nach seinen Fehlern beurteilt, soll bitte auch die vielen positiven Seiten seiner Arbeit betrachten - ich weiß, mit positiven Ergebnissen der Anderen kann man nicht die eigenen Schwächen kleiner reden. Vor allen Dingen, wenn man selbst noch nichts Positives auf die Beine stellen konnte.

    Wer sich auf der Webseite freiewaehler.eu über die Eckpunkte der Freien Wähler zur Bundestagswahl informiert, stellt sehr schnell fest, dass hier mehr Substanz und solide Überlegung dahinter steckt, als manche abhängigen Presseorgane und Schlechtredner den Wähler glauben machen wollen.

  • 14.04.2013, 00:21 UhrDemokratiedefizit

    Die Freien Wähler waren und sind kommunalpolitisch ein Konglomerat von Vereinen, die auf lokaler Ebene aus Bürgerinitiativen und auch Parteiabspaltungen hervorgegangen sind. Sie firmieren unter konservativ bis sozialistisch und haben es sich auf kommunaler Ebene in den verschiedensten Koalitionen bequem gemacht. Wirkliche Opposition betreiben nur ganz wenige FW-Vereine. Meistens ist man angepaßt und machtbewußt, wie der Bundesvorsitzende Aiwanger, der in Bayern eine Koalition mit Rot-Grün anstrebt und dafür schon mal Wohlverhalten übt, aber auch nach rechts ein bißchen blinkt und Satzbausteine verbreitet. Aber auch das kommt nicht überall gut an. Beim diesjährigen Nockherberg-
    Bockbieranstich in München wurde dem "Hubsie" denn auch im per Fernsehen übertragenen Festspiel bescheinigt: "Der Hubsie ist nach allen Seiten offen, und wer nach allen Seiten offen ist, der ist nicht ganz dicht". In Anbetracht der Eurokrise ist ein solcher Kandidat keine Lösung. Lavierer haben wir schon mit der "Zünglein-an-der-Waage-Partei FDP" genug. Eine weitere Klientel-Partei, die ihr Fähnchen nach dem Wind hängt, braucht in dieser schweren weltweiten Systemkrise des Fiat-Geldes kein Mensch. Wir brauchen Menschen, die denken und handeln können, die für unser Land einstehen und weiteren Schaden durch die verfehlte Rettungsschirmpolitik von uns abwenden. Das ist von keiner der sogenannten Volksparteien zu erwarten. Deshalb brauchen wir die ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND, damit die Wähler eine wirkliche Alternative haben.

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