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Kulturzeit heute
2. Januar 2014
  • Ab 7. Januar ist wieder Kulturzeit!
© reuters Lupe
Wer genau war alles auf dem Schiff "Mavi Marmara"?
Fragwürdige Friedensmission
Wer war auf dem Schiff nach Gaza?
Wer steckt hinter der Friedensmission für Gaza, die sich mit prominenten Mitreisenden wie dem schwedischen Schriftsteller Henning Mankell schmücken konnte? Waren die Mitreisenden wirklich alle in friedlicher Mission unterwegs?
Die linke Bundestagsabgeordnete Annette Groth war auf dem türkischen Schiff "Mavi Marmara", das die israelische Marine angegriffen hat. Vor Journalisten spricht sie dieser Tage auch gerne über die Zeit vor dem Angriff, über die Passagiere und die Stimmung an Bord. Es sei eine "unglaublich gute Atmosphäre" gewesen, sagt Groth. "Da saßen etliche Gruppen auf Deck und haben gesungen."

© ap Lupe
Annette Groth, Norman Paech und Inge Hörger nach der Rückkehr.
Norman Paech, prominentes Mitglied der Linken aus Hamburg, war auch auf dem türkischen Schiff. "Für mich war das wie auf einem Basar", sagt er. "Das war ein buntes Treiben." Inge Höger, Bundestagsabgeordnete der Linken, war ebenfalls Passagierin der "Mavi Marmara". "Alle, die dieses Projekt unterstützen, konnten mitfahren", so Höger. "Es waren überwiegend humanitäre Organisationen, die schon seit Jahren in humanitären Projekten zusammenarbeiten." Jeder konnte also mitfahren. Mit wem genau waren die Linken auf dem Schiff?

Was steckt hinter der IHH?
Die "Mavi Marmara" läuft Ende Mai aus Istanbul aus. Hunderte feiern den Aufbruch nach Gaza. Ein türkischer Sender überträgt die Abschiedsfeier. Die Intifada, der Aufstand gegen Israel bis zum Sieg, wird hier verkündet. Ist die Hilfe für Gaza unter türkischer Flagge nur eine Friedensmission? Die "Mavi Marmara" organisiert hat die IHH organisiert, offiziell eine türkische Hilfsorganisation mit Projekten weltweit. Doch was steckt genau hinter der IHH? "Auf jeden Fall ist die IHH eine humanitäre Organisation, das heißt, für Menschenrechte und Freiheit", sagt Annette Groth. Inge Höger bezeichnet die Organisation als "islamisch vielleicht, aber nicht islamistisch". "Da haben Sie sich vorher informiert?", fragen wir nach. "Da habe ich mich vorher informiert", so Höger.

© ap Lupe
Friedensmission?
Die IHH - nicht islamistisch? Mete Çubukçu ist Chefredakteur beim türkischen Nachrichtensender NTV. Er sieht die IHH als Teil einer islamistischen Bewegung, deren Ziel eine Gesellschaftsordnung auf Basis des Islam ist. "Die IHH hat eine starke Milli-Görüs-Basis", sagt Mete Çubukçu. "Die Anhänger haben einen engen Bezug zu dieser islamistischen Bewegung. Aber das sagen sie auch selbst." Chef der IHH ist Bülent Yildirim. In den 1990er Jahren soll er geholfen haben, Kämpfer für den Heiligen Krieg anzuwerben. Kurz vor dem Angriff der israelischen Marine gibt er an Bord der "Mavi Marmara" ein Interview. "Wenn die Israelis uns attackieren, dann wird es in Städten wie Ankara, Istanbul oder Islamabad Aktionen gegen Israel geben", sagt Yildirim. "Israel ist in einer schwierigen Situation."

Israel als Unrechtsstaat vorführen?
Das erklärte Ziel ist also, Israel als Unrechtsstaat vorzuführen. Ein Ziel, das offensichtlich noch andere an Bord der "Mavi Marmara" verfolgt haben. Im Internet hat das islamistische Mili-Görüs-Forum eine Liste mit türkischen Mitreisenden veröffentlicht. Wir fragen den Islamwissenschaftler Michael Kiefer nach den türkischen Passagieren. Er beschäftigt sich seit Jahren mit türkischen Parteien und Gruppierungen. "Aus meiner Sicht sind dies keine normalen Friedensaktivisten, wie wir die kennen", sagt er, "also Mitglieder der Friedensbewegung, die für politische Ziele eintreten, die fernab jeglicher Gewalt, fernab nationalistischer Zuspitzung da sind. Das sieht hier doch etwas anders aus."

Auf der Passagier-Liste stehen Autoren radikal-islamistischer Zeitungen und Funktionäre der Partei BBP, zum Beispiel deren Pressesprecher, präsentiert auf der parteieigenen Website. Die BBP ist für Experten eine Partei mit antisemitischen und militanten Tendenzen. Unter anderem wird sie in Verbindung gebracht mit dem Mord an einem christlich-armenischen Journalisten im Jahr 2007. Jetzt sind also Funktionäre der BBP auf der "Mavi Marmara". "Wenn alle die gleichen Maßstäbe haben - humanitäre Güter nach Gaza ohne Gewalt - dann war das für uns die Basis des Verständnisses", sagt Norman Paech. "Wenn sie ihre ganzen anderen, vielleicht gewalttätigen Fantasien in der Türkei ließen, dann war das für uns auch kein Problem."

BBP ähnliche Programmpunkte wie NPD?
"Meines Erachtens kann man, wenn man Schnittmengen bilden möchte, durchaus sagen, dass die BBP ähnliche Dinge, ähnliche Programmpunkte auffasst wie die NPD", sagt Islamwissenschaftler Kiefer. Selbst die Linke sieht das ähnlich: In einer kleinen Anfrage 2007 ordnet die Bundestagsfraktion die BBP ins rechtsextreme Lager ein und zitiert den Verfassungsschutz: Die BBP gehöre zur Bewegung der "Grauen Wölfe". Diese vertrete "eine rassistisch-nationalistische Orientierung" und stehe für "Gewaltbereitschaft und am Führerprinzip ausgerichtete totalitäre Strukturen".

Wir zeigen Annette Groth die Liste mit Passagieren von der BBP. "Sie müssen mich dazu nicht befragen, fragen Sie doch die Dame von Pax Christi", entgegnet Groth. "Sie kennt sich da vielleicht eher aus als ich. Ich bin da die falsche Ansprechpartnerin." "Aber Sie scheinen sich damit im Vorfeld nicht beschäftigt zu haben, wer da mitfährt?", fragen wir nach. Annette Groth beendet daraufhin das Gespräch. Drei Linke und ihre Friedensmission sitzen im gleichen Boot mit Islamisten und Rechtsextremisten. Wenn es um die eigenen Ziele geht, haben sie offenbar wenig Berührungsängste.

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