50plus1 - Regel mit Ablaufdatum
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Ungeliebte Investoren im Fußball
50plus1 - Regel mit Ablaufdatum
Von Christian Mixa
Ligaverband und DFB feiern die 50plus1-Regel als Allheilmittel gegen Scheichs und ungeliebte Investoren im deutschen Fußball. Doch die starken Männer der Liga arbeiten längst an Mitteln und Wegen, Investorenbeschränkungen zu umgehen.
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Wie jeder erfolgreiche Unternehmer sieht sich Martin Kind als Pionier. Dies gilt auch für den Nebenjob des Hörgeräteherstellers: das Amt des Präsidenten bei Hannover 96. Hier hat der umtriebige Klub-Patron neue Wege beschritten, gemeinsam mit Investoren aus der Region, die seinen Klub mit frischem Geld zu neuen Erfolgen führen sollen. Im Weg stand Kind dabei jedoch lange Zeit die 50plus1-Regel.
Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) schreibt vor, dass die Mehrheit der Anteile an den Profiabteilungen der Klubs, die in Kapitalgesellschaften ausgelagert sind, beim Mutterverein bleiben muss - der damit auch die letzte Entscheidungsgewalt hat. Damit will der Ligaverband verhindern, dass die Bundesliga zum Spielball von Spekulanten und ausländischen Investoren wird.
Ausnahmeregel nicht mehr nur für Werksklubs
Für Kind bedeutet die Regel vor allem, dass sie Geldgeber abschreckt. Er kämpft deshalb seit Jahren gegen die Sperrklausel und hat der DFL bereits einen ersten Teilerfolg abgetrotzt: Kind erreichte vor dem DFB-Schiedsgericht, dass die Ausnahmeregelung für Werksklubs wie Wolfsburg und Leverkusen nun auch für Hannover 96 gilt. Kind argumentierte, dass er den Klub über einen längeren Zeitraum ununterbrochen gefördert habe, ähnlich wie die Konzerne Volkswagen und Bayer bei ihren Fußballtöchtern.
Das DFB-Gericht schrieb in seinem Urteil eine verbindliche Regelung für alle Vereine fest: Wenn sich Gesellschaften oder Investoren nachhaltig über 20 Jahre bei einem Verein engagieren, können sie die 50plus1-Regel außer Kraft setzen und die Mehrheit der Anteile an einem Bundesligisten übernehmen.
Vollständige Übernahme bis 2018
In Hannover ist die Profiabteilung in eine GmbH und Co. KG auf Aktien ausgegliedert. An der Kommanditgesellschaft hält Kind gemeinsam mit weiteren Gesellschaftern bereits 85 Prozent. Doch das reicht ihm nicht, Hannovers starker Mann plant die vollständige Übernahme: "2017/18 werden wir auch 100 Prozent der Komplementär-GmbH übernehmen, mit mir an der Spitze", sagte Kind gegenüber sportschau.de. Dann ist die 20-Jahres-Frist für Kind, der 1997 bei 96 einstieg, erfüllt.
Damit hat Kind einen Präzedenzfall geschaffen - und die 50plus1-Regel quasi mit einem Ablaufdatum versehen: Denn auch bei anderen Klubs gibt es langjährige Förderer, die nun auf eine Ausnahmeregelung pochen und die Mehrheit in ihren Klubs übernehmen könnten. Prompt hieß es Anfang Dezember aus Hoffenheim, dass Dietmar Hopp in Kürze plane, seinen 49-Prozent-Anteil an der Profi-GmbH aufzustocken. Der SAP-Milliardär pumpt schon seit 1989 Geld in seinen Heimatverein.
Regel bereits ausgehebelt?
Hoffenheims starker Mann Dietmar Hopp
Hannover-Boss Kind rechnet fest damit, dass ihm noch weitere Klubs folgen werden. "Ich bekomme viele Anrufe aus der Liga. Es gibt eine Reihe von Vereinen, die sich mit dem Thema beschäftigen." Bei der DFL spielt man auf Zeit: "Bis jetzt haben wir keinen Antrag erhalten, weder von Herrn Kind noch von anderen Vereinen. Und so lange befassen wir uns auch nicht mit dem Thema", sagt ein Sprecher gegenüber sportschau.de und verweist auf die "klaren Regelungen" in der Satzung.
Die 50plus1-Regel ist die heilige Kuh des deutschen Profifußballs, gerne zeigen die Liga-Bosse mit dem Finger nach England oder Frankreich, wo Scheichs und Oligarchen die Klubs in der Hand haben. Doch ob das Investorenverbot in der Bundesliga wirklich so strikt gehandhabt wird, wie in der Liga-Zentrale behauptet, daran gibt es schon länger Zweifel. Wie wahrscheinlich ist es etwa, dass Hoffenheims Patron Hopp, der nach eigener Aussage bereits 240 Millionen Euro in den Klub gesteckt hat, sich tatsächlich aus allen sportlichen Entscheidungen heraushält? Auch beim FC Ingolstadt, so berichtete die Süddeutsche Zeitung im vergangenen November, soll die Machtfülle von Sponsor Audi in den Klubgremien bedenkliche Ausmaße angenommen haben.
Ausnahmeregelung öffnet neue Schlupflöcher
Dass Hannover-Boss Kind die Ausnahmeregelung durchgesetzt hat, ohne dafür vor ein ordentliches Gericht ziehen zu müssen, ist zugleich ein Indiz dafür, dass die 50plus1-Klausel rechtlich auf wackeligem Untergrund steht. Doch auch der nun festgeschriebene Kompromiss hat Tücken: So könnte auch ein langjähriger Geldgeber, der einen Klub länger als 20 Jahre unterstützt, irgendwann auf die Idee kommen, seine Anteile zu verkaufen und die Tür für neue, womöglich unliebsame Investoren öffnen.
Henrik Drinkuth, Fachanwalt für Kapitalrecht, empfiehlt deshalb, das Aussetzen der 50plus1-Regel an weitere Auflagen zu koppeln: "Im Gesellschaftervertrag sollte klar geregelt sein, dass Anteile nur mit Zustimmung des Muttervereins veräußert werden können. Verkauft nämlich ein Gesellschafter seinen Anteil entgegen der Statuten doch an einen Scheich, müsste der Verein am Ende die Zeche zahlen, weil er mit dem Lizenzentzug bestraft wird."
Angst vor einem EU-Verfahren
Zu befürchten steht außerdem, dass die DFL einen unliebsamen Investor am Ende doch zulässt - nämlich dann, wenn er auf den freien Binnenmarkt pocht und mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof droht. Denn nichts fürchtet die Milliardenbranche Fußball seit dem Bosman-Urteil mehr als ein EU-Verfahren mit ungewissem Ausgang - am Ende könnten womöglich jegliche Zugangsbeschränkungen für Investoren fallen.
Bei der EU-Kommision stehen Investorenbeschränkungen im Fußball auch aktuell wieder auf dem Prüfstand. "Das Europarecht ist sehr ernst zu nehmen", sagt Jurist Drinkuth. "Wenn der Europäische Gerichtshof einmal feststellt, dass die 50plus1-Regel gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, dann sind alle Dämme gebrochen."
Stand: 13.01.2014, 08:00