Bayern 2 - Katholische Welt


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Franziskus' Theologie Barmherzigkeit oder Gutmenschentum

Um Barmherzigkeit geht es Papst Franziskus immer wieder. Sie ist für ihn die wichtigste Eigenschaft Gottes und höchste menschliche Tugend, nicht zu verwechseln mit herablassender Mildtätigkeit. Was aber ist Barmherzigkeit dann?

Von: Norbert Reck Stand: 17.02.2014
Papst Franziskus | Bild: picture-alliance/dpa

Franziskus weiß, dass die Barmherzigkeit heute leicht missverstanden wird. Deshalb warnt er davor, die christliche Barmherzigkeit mit einer Art "Gutmenschentum" oder mit herablassender Mildtätigkeit zu verwechseln. Sich selber gut fühlen, indem man anderen milde Gaben spendet - nein, darum geht es Franziskus nicht beim Konzept der Barmherzigkeit.


Was aber ist Barmherzigkeit dann - im Denken von Franziskus, in der Lehre der Kirche? Norbert Reck ist den päpstlichen Aussagen nachgegangen, hat mit Theologen und Ordensbrüdern von Franziskus gesprochen, und er stellt fest: Das Konzept der Barmherzigkeit führt mitten hinein ins Herz der Theologie von Papst Franziskus. Wer Franziskus verstehen will, muss wissen, was er unter Barmherzigkeit versteht.

"Die Barmherzigkeit ist die wahre Kraft, die den Menschen und die Welt vor dem 'Krebsgeschwür' retten kann: dem moralischen Bösen, dem spirituellen Übel. (La misericordia è la vera forza che può salvare l’uomo e il mondo dal 'cancro' che è il peccato, il male morale, il male spirituale.)"

Papst Franziskus

In der Bibel lautet einer der wesentlichen Begriffe für Barmherzigkeit "rachamim" - also Mutterschoß. Dem Bibelwissenschaftler Stephan Dorner vom Benediktinerkloster Sankt Bonifaz in München geht das mit der Bedeutung von "Zuwendung" einher. Barmherzigkeit heißt also, in Kontakt treten mit dem Gegenüber, in Beziehung kommen. Das ist kein frommes Gesäusel. Denn das Christentum geht von einem barmherzigen Gott aus, einem, der barmherzig ist mit denen, die sich ändern wollen. Es ist eine gute, menschenfreundliche Botschaft. Gott ruft den Menschen sein grundsätzliches Ja entgegen. Sie müssen nicht erst etwas leisten, um angenommen zu werden, sondern sie werden zunächst einmal angenommen wie sie sind.

Hat der Papst vom Kardinal geklaut?

Ein Buchtipp vom Papst

Bei seinem ersten Angelus-Gebet sagte der Papst: "Ein bisschen Barmherzigkeit verändert die Welt, macht sie weniger kühl und gerechter." Ob er sich damit auf das Buch des ehemaligen vatikanischen Ökumeneministers Kardinal Walter Kasper bezog, ist nicht überliefert. Bekannt ist jedenfalls: Franziskus hatte das Buch gelesen und Kasper als tüchtigen Theologen gelobt. Dass der 80-Jährige damit quasi als Namensgeber für das Programm des Papstes fungierte, sei so nicht geplant gewesen, meinte Kasper kürzlich augenzwinkernd in München. Es freue ihn aber dennoch, einen so prominenten Leser gewonnen zu haben.


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