Humboldt-UniversitätNicht die reine Lehre

Aserbaidschans Regierung finanziert an der Berliner Humboldt-Universität eine Professorin, die für das Land werben soll. Macht die Hochschule PR für einen Unrechtsstaat? von Sebastian Erb und Bernd Kramer

In der deutschen Wissenschaft mag es eine Nische sein, sich mit Aserbaidschan zu beschäftigen – für Eva-Maria Auch aber ist es ein Lebensthema. Die Historikerin hat in den siebziger Jahren fünf Jahre lang in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku Orientalistik studiert und sich später, nach Studienabschluss und Promotion, im Fach Osteuropäische Geschichte habilitiert. Ihr Thema: die deutsch-kaukasischen Beziehungen. Auch leitete Forschungsprojekte, erhielt Lehraufträge und insgesamt vier Lehrstuhlvertretungen. Nebenbei führte sie eine Firma, die Geschäftsleute beriet und Reisen in den Kaukasus vermittelte. Im Herbst 2010 wurde die heute 58-Jährige dann an die Berliner Humboldt-Universität (HU) berufen, als Professorin für die "Geschichte Aserbaidschans". Jetzt endlich hat sie es geschafft, ihr Forschungsgebiet zu etablieren.

Das Problem ist nur: Nicht die Universität, und damit der deutsche Staat, zahlt für Auchs Professur, sondern die Botschaft des Landes Aserbaidschan. Dass Unternehmen oder Stiftungen Lehrstühle finanzieren, ist seit Jahren üblich und, trotz mancher Kritik, weitgehend akzeptiert. Aber dass ein ausländischer Staat dies tut, ist ungewöhnlich. Zumal es hier um einen Staat geht, dem Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch eklatante Demokratiedefizite und Menschenrechtsverletzungen vorwerfen.

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Aserbaidschan gilt als Unrechtsstaat. Demonstrationen werden gewaltsam niedergeschlagen, Regierungskritiker eingeschüchtert und verfolgt. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Land erheblich eingeschränkt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Aserbaidschan weltweit auf Platz 156. Das Land im südlichen Kaukasus, am Kaspischen Meer gelegen, hat große Erdöl- und Erdgasvorkommen, die dazugehörenden Unternehmen werden von einer kleinen Machtelite beherrscht. Korruption ist weitverbreitet. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International rangiert das Land neben Mali und Pakistan auf Platz 127.

Die Regierung des autoritär herrschenden Präsidenten Ilcham Alijew betreibt massive Lobbyarbeit, auch in Deutschland. Sie scheut keinen Aufwand, Politiker und andere Entscheider auf ihre Seite zu ziehen. 2012 enthüllte die Europäische Stabilitätsinitiative (ESI), ein von Stiftungen finanzierter Thinktank für Südosteuropa, dass EU-Abgeordnete mehrfach auf Reisen nach Baku eingeladen und mit üppigen Gastgeschenken bedacht wurden, unter anderem mit Kaviar und Seidenteppichen. Ein eigener Begriff wurde dafür geprägt: Kaviar-Diplomatie. Das Regime will sein Image im Westen aufpolieren. Dabei soll offenkundig Eva-Maria Auch helfen.

Die Historikerin hat etwa die Redaktion der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift Irs-Erbe übernommen. Sie ist Teil der aserbaidschanischen Öffentlichkeitsarbeit. Es geht um Musik, Kunst und Natur. Aber auch um Politik – einseitig und schönfärbend. Die Zeitschrift, sagt Auch, sei ein wunder Punkt. Sie habe lieber ein eigenes Magazin machen wollen, dafür habe es aber kein Geld gegeben. Bei manchen Aussagen in der Zeitschrift habe sie selbst Bauchschmerzen.

Eva-Maria Auch empfängt in ihrem kleinen Büro an der Humboldt-Uni. Sie schenkt Jasmintee ein und antwortet freundlich auf Fragen. Sie präsentiert sich als Wissenschaftlerin, die für ihr Thema brennt und die dafür bereit ist, Kompromisse zu machen. Die meisten Zitate, mit denen sie ihr Handeln erklärt und auch rechtfertigt, will sie allerdings hinterher nicht veröffentlicht sehen.

Eingeworben hat die Gastprofessur der Geschichtsprofessor Jörg Baberowski, der über Aserbaidschan habilitiert hat. Der aserbaidschanische Botschafter sei mit dem Angebot auf ihn zugekommen. "Ich habe sehr klargemacht, dass wir keine Professur annehmen werden, die, statt Wissenschaft zu betreiben, vor allem für ein besseres Image Aserbaidschans sorgen soll", sagt Baberowski. Im sechsseitigen Kooperationsvertrag steht allerdings: Die Professur solle neben Forschung und Lehre "zum Bekanntheitsgrad der Geschichte Aserbaidschans" beitragen. "Die Botschaft erhält Gelegenheit, Anregungen für die inhaltliche Arbeit der Stiftungsgastprofessur zu geben." Immerhin: "Die Freiheit in Forschung und Lehre darf dadurch jedoch nicht berührt werden." Der Botschaftsrat Rizvan Nabiyev beteuert auf Nachfrage: "Wir haben keine Erwartungen an die Professur gerichtet."

Leserkommentare
  1. Unterstützung der Abteilung des untersuchten Landes und Hilfe an die Wissenschaftler ist ganz normale Sache in der internationalen Praxis. Viele Staaten unterstützen die Wissenschaftler. Ja Aserbaidschan hat viele Probleme und niemand bestreitet das, aber braucht man nicht das Problem da suchen, wo es nicht gibt…

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    Sie haben recht fast alle Staaten unterstuetzen Wissenschaftler, aber eher selten, wenn sie auf Dauer an einer auslaendischen Universitaet lehren. Der Grund ist einfach, weil bspw. der deutsche Steuerzahler wenig Verstaendnis dafuer haette, wenn bspw. DE eine Professur fuer deutsche Geschichte in Baku finazieren wuerde. Auch ich werde von einem asiatischen Staat bezahlt, muss aber an dessen Uni arbeiten und im Gegenzug in meiner Forschung frei, zumindest schliesst mein Arbeitsvertrag eine Einmischung in meine Forschung und Lehre aus.
    Aber hier liegt der Fall ja wohl voellig anders, die Professur wird als Marketinginstrument der Potentaten Aserbaidschans genutzt. Ich denke nicht, dass dies irgendetwas mit Freiheit der Forschung zu tun hat so etwas zuzulassen, das ist der endgueltige Ausverkauf von Wissenschaft an den Meistbietenden. Man moechte fast fragen, was kommt als naechstes?

  2. Ich empfinde die Journalisten, die in ihrem Kämmerlein solche Geschichten schreiben als arrogant und vor allem ignorant. Bei aller Kritik an der Regierung Aserbeidschans darf man diese Wertung nicht auf das Land übertragen. In Aserbeischan hat sich trotz des totalitären Regimes eine junge Elite entwickelt, die über die Zukunft des Landes nachdenkt. Diesen Entwicklungen gegenüber sollte man sich öffnen und mit den Menschen das Gespräch suchen. Dabei kann es sehr wohl helfen, junge Deutsche auszubilden, die neuierig auf dieses Land und seine Entwicklung sind. Wer in Deutschland lebt und unsere Lebensweise zum Dogma für die Welt erheben will, hat nicht begriffen, wie Kriege entstehen. Abgrenzung und Ausgrenzung kann man nur durch Bildung und Kennenlernen überwinden

  3. Sie haben recht fast alle Staaten unterstuetzen Wissenschaftler, aber eher selten, wenn sie auf Dauer an einer auslaendischen Universitaet lehren. Der Grund ist einfach, weil bspw. der deutsche Steuerzahler wenig Verstaendnis dafuer haette, wenn bspw. DE eine Professur fuer deutsche Geschichte in Baku finazieren wuerde. Auch ich werde von einem asiatischen Staat bezahlt, muss aber an dessen Uni arbeiten und im Gegenzug in meiner Forschung frei, zumindest schliesst mein Arbeitsvertrag eine Einmischung in meine Forschung und Lehre aus.
    Aber hier liegt der Fall ja wohl voellig anders, die Professur wird als Marketinginstrument der Potentaten Aserbaidschans genutzt. Ich denke nicht, dass dies irgendetwas mit Freiheit der Forschung zu tun hat so etwas zuzulassen, das ist der endgueltige Ausverkauf von Wissenschaft an den Meistbietenden. Man moechte fast fragen, was kommt als naechstes?

    Eine Leserempfehlung
    Antwort auf "Meinung"
    • tnie
    • 22. Februar 2014 17:46 Uhr

    Von der Sache insgesamt mag man ja halten, was man will. Ich zum Beispiel interpretiere die geschilderte Situation auch als gekaufte Werbeveranstaltung.

    Aber in dem Artikel schwingt die empörte Frage mit, warum die HU sich denn SO schändlich verkauft. Die Antwort ist ganz einfach: wenn man von der leicht negativen Publicity absieht, die ja aber auch nur dann entsteht, wenn mal jemand zu genau hin schaut, dann bleibt unterm Strich für die Uni: ein zusätzliches Fachgebiet ("wow sind die breit aufgestellt, die haben sogar einen Lehrstuhl für xyz"), eine zusätzliche Stelle ("wir sind eine supertolle Uni, wir haben xyz Professoren und zyx Angestellte..") und obendrein steigt auchnoch die Drittmittelquote, nach der ja heutzutage leider der Erfolg einer Universität gemessen wird.

    Rundum super, als nächstes kommt der Coca-Cola-Lehrstuhl für Ernährungsberatung und der Rheinmetall-Lehrstuhl für Friedensforschung..

    3 Leserempfehlungen
  4. Das ist ein wichtiger Artikel über ein Thema, das noch an Bedeutung gewinnen wird. Auch andere Staaten im postsowjetischen Raum investieren mittlerweile in westliche Hochschulbildung; in Kasachstan zum Beispiel hat die Nazarbayev University reihenweise westliche Akademiker angeworben; am EUI in Florenz bezahlt die russische Regierung einen Lehrstuhl für russisch-europäische Kulturbeziehungen.
    Man kann das alles problematisch finden, aber Ich sehe auch die Notwendigkeit, innerhalb der Wissenschaft mit Ländern wie Aserbaidschan in einem Austausch auf Augenhöhe zu bleiben. Das Ende des Kalten Krieges heißt dabei eben auch, dass jetzt die andere, östliche Seite ihre Version der Geschichte vertreten will. Und auch deutsche Wissenschaftsförderung in Bezug auf Osteuropa hat zumindest indirekt politische Ziele. Es macht jedenfalls keinen Sinn, sich der Auseinandersetzung zu verweigern und osteuropäische Geschichte ohne Osteuropäer zu machen, wie das im Kalten Krieg der Fall war.
    Vermisst habe ich in dem Artikel die geschichtspolitisch heikelste Seite der Professur: für die Studenten wäre es am sinnvollsten, nicht eine spezielle Professur für azerbaijanische Geschichte zu haben, sondern für die Geschichte der Kaukasus-Region insgesamt, inklusive der Armenier. Der Fokus auf Azerbaijan spiegelt vor vorne herein eine hochgradig nationalisierte Sichtweise der Geschichte wider, was angesicht der sehr ausgeprägten ethnischen und politischen Spannungen in der Region ein Problem ist.

    2 Leserempfehlungen
    • sbk
    • 25. Februar 2014 21:50 Uhr

    Jetzt weiß ich endlich, woher ich eine Stelle bekommen kann, wenn mein Vertrag (mal wieder) ausläuft!

    Aber Spaß beiseite: Wenn wir nicht so viele prekär beschäftigte oder (regelmäßig immer wieder) arbeitslose Wissenschaftler hätten, die Grundfinanzierung der Unis besser wäre und Drittmittel bei der Forschungsfinanzierung keine so große Rolle spielen würden, dann würde auch niemand in diesen Grauzonen herumbalancieren.

    Für die gute Frau scheint es ja keine Existenzfrage gewesen zu sein, wenn sie schon eine Firma hatte (da sieht man wieder, was Wissenschaftler so tun müssen, um zu überleben - nämlich was anderes als Wissenschaft). Offenbar hat man ihr aber auch keine staatlich finanzierte Professur gegeben. Und es gibt viele Wissenschaftler, für die so eine Stelle existenzsichernd wäre. Mal ehrlich, liebe Journalisten: Wenn Ihr für alles andere maßlos über- oder falsch qualifiziert wärt und in der Wissenschaft keine "anständige" staatliche Stelle bekommen könntet, weil es davon einfach zu wenige gibt, würdet Ihr dann auch so genau hinschauen, woher das Geld für eine Stelle kommt?

    Das ist eine unglaublich scheinheilige Debatte. Unterfinanzierung fördert Korruptionsbereitschaft, das ist doch bekannt! Wenn man so etwas nicht haben will, dann dürfen solche Angebote eben nicht so verlockend wirken. Das ganze Imagegeschwafele über Drittmittel gäbe es ja nicht, wenn man Drittmittel nicht für alles und jedes bräuchte - v.a. für wissenschaftliches Personal.

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