Ein Reporter flieht nach Morddrohungen aus Kolumbien: Die Wutanfälle des Präsidenten

Von 

BUENOS AIRES. Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe hat noch nie in dem Ruf gestanden, besonders feinfühlig mit Journalisten umzugehen. Schon des öfteren hat der rechte Machthaber Reporter öffentlich kritisiert oder abgekanzelt, wenn sie Dinge schrieben, die ihm nicht gefielen. Aber nun hat der dünnhäutige Präsident in einem der für Journalisten gefährlichsten Länder der Welt einen Reporter öffentlich zum Abschuss frei gegeben, der ihm schon lange ein Dorn im Auge war und ihn so aus dem Land getrieben. Gonzalo Guillén, seit sieben Jahren Korrespondent von El Nuevo Herald in Bogota, dem Schwesterblatt des Miami Herald, erhielt in drei Tagen 24 Morddrohungen per E-Mail oder von Leihhandys, nachdem ihn Uribe in mehreren Radiointerviews heftig angegriffen hatte. "Dieser Herr Guillén versucht hartnäckig, mir zu schaden. Er ist ein professioneller Verleumder", ereiferte sich Uribe. "Und wenn er in Kolumbien keinen Erfolg hat, dann geht er ins Ausland". Auslöser für einen der berüchtigten Wutanfälle des Präsidenten ist ein Buch, das Uribe in die Nähe des berühmt berüchtigten Drogenbosses Pablo Escobar rückt und Anfang des Monats für viel Aufsehen gesorgt hat in Kolumbien. In ihren Memoiren schreibt Virginia Vallejo, eine frühere Geliebte Escobars, der Drogenboss habe ihr Uribe einmal vorgestellt. Der Präsident bestreitet hartnäckig jeden Kontakt zum früheren Medellín-Kartell und den heutigen Drogenmafias und Paramilitärs. Auch die Worte Vallejos verweist er ins Reich der Lüge. Mehr noch. Uribe bezichtigt Guillén, als Ghostwriter das Buch verfasst zu haben, was dieser vehement verneint. Beweise hat Uribe nicht vorgelegt. Guillén, der wegen früherer Morddrohungen bereits seit Monaten unter Polizeischutz stand, erhielt im Anschluss an die Uribe-Schelte anonyme Drohungen und die Aufforderung, Kolumbien zu verlassen. Aus Angst um sein Leben tat Guillén dies am 7. Oktober. Ziel unbekannt. Humberto Castelló, Chefredakteur von El Nuevo Herald bezeichnete die Worte von Uribe als unverantwortlich in einem Land, in dem Journalisten gewöhnlich "mit Kugeln und nicht mit Leserbriefen" korrigiert würden. Nach Erkenntnissen des in New York ansässigen "Komitees zum Schutz von Journalisten" (CPJ) wurden in Kolumbien in den letzten 16 Jahren 39 Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs getötet. Gonzalo Guillén recherchiert bereits seit Jahren die Vergangenheit Uribes in Medellín und seine möglichen Verbindungen zur Drogenmafia und den ultra-rechten Paramilitärs: "Seine Familie hat Wurzeln im Drogenhandel, und er regiert Kolumbien für die Mafia", sagte Guillén Ende Mai in einem Gespräch mit dieser Zeitung. Nach Guilléns Worten hat Uribe ihn vor Jahren selbst einmal direkt bedroht. Der Journalist aber recherchierte weiter und veröffentlichte seine Erkenntnisse in diesem Jahr in Buchform: "Los confidentes de Pablo Escobar" (Die Vertrauten von Pablo Escobar). Darin listet Guillén zahlreiche Indizien auf, nach denen Uribe und seine Familie schon früh Kontakt zum Drogenmilieu und den Paramilitärs hatten. Uribe bestreitet das mit Vehemenz. Doch auch die USA besitzen einen Geheimdienstbericht, der Uribe in seiner früheren Position als Chef der Nationalen Luftaufsichtsbehörde (1980 bis 1982) als Helfer der Drogenkartelle ausweist. Es spricht aber viel dafür, dass Washington kein Interesse hat, den einzig verbliebenen Verbündeten in der Region zu kippen. ------------------------------ "Seine Familie hat Wurzeln im Drogenhandel." G. Guillén ------------------------------ Foto: Álvaro Uribe, Präsident Kolumbiens, bei einem Ausritt durch Medellin

Anzeige