Spektakuläre Funde in der Brandruine

Die frühesten Bestandteile des abgebrannten Zunfthauses zur Zimmerleuten sind weitaus älter als vermutet. Auch ein einstiges Holzhaus am selben Ort fiel einem Brand zum Opfer.

Kantonsarchäologe Peter Wild hat im abgebrannten Zunfthaus Überreste vergangener Zeiten gefunden.

Sophie Stieger

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Die archäologischen Funde mögen ein schwacher Trost sein für die Zunft zur Zimmerleuten. Seit dem Grossbrand im November 2007, der ihr historisches Zunfthaus am Limmatquai weitgehend zerstörte und einen 44-jährigen Feuerwehrmann das Leben kostete, ist nichts mehr, wie es war. Aber immerhin: Bereits während der Vorarbeiten zum Wiederaufbau des Zunfthauses kamen Ende 2008 gut erhaltene Teile eines dreistöckigen Wohnturms aus dem Jahre 1156 zum Vorschein. Damit sind die ältesten Bestandteile des Zunfthauses zur Zimmerleuten nicht wie bisher angenommen 650 Jahre, sondern sogar rund 850 Jahre alt.

Doch es kommt noch besser: Bei den Grabungen entdeckten die Kantonsarchäologen nun weitere, noch ältere Überreste vergangener Zeiten. Unterhalb des Steinbaus aus dem Jahre 1156 legten Projektleiter Werner Wild und sein Team Teile eines Holzhauses aus dem 10. oder 11. Jahrhundert frei. Als Unterbau des Hauses dienten auf dem Boden verlegte Schwellen. Keramikscherben und Überbleibsel von Röhrenkacheln lassen auf das Leben in diesen «Schwellenbauten» schliessen: Die Bewohner kochten mit Keramikgeschirr und heizten mit einem Kachelofen. Wie Brandspuren belegen, wurde dieses Holzhaus später durch ein Feuer zerstört. «Das verkohlte Holz wird zurzeit untersucht», sagt Werner Wild. «Anhand der Jahrringe hoffen wir, das genaue Alter des Hauses zu bestimmen.»

Erste Spuren aus der Römerzeit

Die Zeugnisse vergangener Bauten reichen noch weiter zurück. Vor der Errichtung der Holzhäuser hatte man das nahe am Wasser gelegene Gelände mit Aufschüttungen stabilisiert. «Wir haben beachtliche Mengen an Steinen und Schwemmkies gefunden», sagt Wild. Der Spiegel des Zürichsees lag im Frühmittelalter (6.- 8.Jahrhundert) zwei Meter höher als jetzt. In der Römerzeit (1.- 3. Jahrhundert) dagegen lag der Seespiegel unter dem heutigen Niveau – auch aus dieser Zeit hat das Team Spuren entdeckt.

Mit diesen archäologischen Funden sind die frühesten Bestandteile des Zunfthauses zur Zimmerleuten weit älter als bisher angenommen. In Zürich sind nur eine Handvoll Häuser bekannt, die auf eine ähnlich lange Geschichte blicken können. «Es kommt selten vor, dass man bei Grabungen in Altstadthäusern auf mehrere Räume eines Gebäudes stösst. Hier sieht man über grosse Distanzen Zusammenhänge – das ist spektakulär», sagt Wild.

Die Ausgrabungen verzögern den Wiederaufbau des Zunfthauses um ein paar Wochen. Trotzdem sei man froh über die Funde, sagt Zunftmeister Rudolf Bodmer. «Es ist gut, zu wissen, dass unser Haus so alt ist.» Geplant ist weiterhin, das «neue» Zimmerleuten am Sechseläuten 2010 wieder zu eröffnen.

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(Tages-Anzeiger)

(Erstellt: 12.02.2009, 21:23 Uhr)

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