EU-Klimaziele: Schwacher Kompromiss
Ein lahmes Reduktionsziel für Kohlendioxid, ein windelweicher Kompromiss zum Ausbau der Erneuerbaren und keine konkreten Vorgaben zum Thema Energieeffizienz: Die EU-Kommission erfüllt mit ihrer Position zu den EU-Klimazielen genau die niedrigen Erwartungen.
Von Susanne Ehlerding
Das befürchtete Minimalziel hat die EU mit ihrem heute vorgestellten Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 jedoch leicht übertroffen: Sie schlägt eine Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes in der Europäischen Union bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 vor. Umweltorganisationen hatten mindestens 50 Prozent gefordert, in der Diskussion waren aber auch magere 35 Prozent gewesen.
Die Kommission hat gesprochen, jetzt sind die Staats- und Regierungschefs an der Reihe. (Foto: EU)
Zusätzlich zum Treibhausgas-Reduktionsziel soll es auch wieder ein Ziel für den Ausbau der Ökoenergien geben. Deren Anteil am Endenergieverbrauch soll 2030 bei 27 Prozent liegen. Diese Marke soll EU-weit erreicht werden, aber nicht in jedem einzelnen Mitgliedsstaat. Dass überhaupt ein Ziel für die Erneuerbaren gesetzt wird, ist dennoch wichtig für Länder mit ambitioniertem Ausbau wie Deutschland: So können die Brüsseler Wettbewerbshüter die Förderung der Erneuerbaren nicht als Subvention maßregeln.
Ein konkretes Energieeffizienz-Ziel, wie es für 2020 gilt, nennt die Kommission für 2030 nicht mehr.
Auch mit der umstrittenen Gasfördermethode Fracking beschäftigte sich die Kommission: Mindeststandards zum Schutz von Umwelt und Gesundheit sollen eingehalten werden, so die Entscheidung. Ein englischsprachiges Erklärvideo zu Fracking und seinen Risiken kann man auf TV Link Europe anschauen.
Die Vorbehalte gegenüber Fracking sind groß. (Foto: IG Neustadt am Rübenberge)
In der kommenden Woche stimmt das Europäische Parlament über die weitergehenden Vorstellungen des Umweltausschusses zu den Klimazielen ab. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wollen auf ihrem Gipfeltreffen im März über den Kommissions-Vorschlag beraten, mit einer Einigung wird gerechnet. Der Gipfel müsse den Vorschlag dringend nachbessern, forderte die WWF-Klimaexpertin Regine Günther, denn den Zielen fehle jegliche Ambition. Auch das Climate Action Network zeigte sich "schwer enttäuscht" von den Plänen der Kommission. Das Zwei-Grad-Ziel sei so nicht zu erreichen.
"Europas Regierungen wollen die Hände in den Schoß legen"
Ähnlich äußerte sich der Deutsche Naturschutzring. "Eine Senkung der Treibhausgase um 40 Prozent und eine Steigerung der erneuerbaren Energien auf 27 Prozent bis 2030 sind ein Witz", urteilt der Dachverband. Allein mit den bestehenden Maßnahmen komme die EU schon auf 32 Prozent Treibhausgaseinsparungen. "Allem Anschein nach wollten die Regierungen in den nächsten 16 Jahren die Hände in den Schoß legen", schlussfolgert der Naturschutzring. Der Verband bedauert, dass für die Energieeffizienz im Gegensatz zu den Zielen für 2020 keine Vorgaben gemacht wurden. Dabei hätten eigene Berechnungen der EU belegt, dass dies für die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Gesundheit der Bevölkerung und die Wirtschaftsentwicklung in Europa besser gewesen wäre.
Das nur allgemein für die EU, aber nicht für die Nationalstaaten erklärte Ausbauziel für die Erneuerbaren bemängelte der umweltpolitische Sprecher der christdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Peter Liese: "Es ist gut, dass erneuerbare Energien überhaupt eine Rolle spielen. Aber die Kommission bleibt die Antwort schuldig, wie das europäische Ziel erreicht werden soll. Die Gefahr einer Subventionierung der Kernenergie, unter anderem durch EU-Gelder, bleibt bestehen", sagte der CDU-Politiker.
"Die Vorschläge sind ein Kniefall vor Lobbyinteressen", kritisierte der deutsche Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe (SPD). "Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung weiterhin für drei ambitionierte, aufeinander aufbauende und in sich konsistente Ziele für das Jahr 2030 kämpft."
Die EU-Kommission will im Jahr 2030 einen Anteil von 27 Prozent erneuerbaren Energien am europäischen Energiemix erreicht haben. (Foto: Bernd Mueller/BMU)
Auch zum Emissionshandel äußerte sich die EU-Kommission und schlug eine Marktstabilitätsreserve vor, mit der künftig auf ein Über- oder Unterangebot an CO2-Zertifikaten reagiert werden könnte. Der deutsche Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW äußerte sich umgehend kritisch zu dem Vorschlag. "Eine solche Reserve darf keinesfalls das Vertrauen in das Handelssystem untergraben und muss auf klaren, transparenten und marktorientierten Kriterien beruhen, die vorab eindeutig und nachvollziehbar festgelegt sein müssen", teilte die Interessenvertretung der Energiekonzerne mit. "Dieses Instrument sollte in effizienter Weise ausschließlich zur Korrektur von großen Überschüssen oder bei Unterversorgung zum Einsatz kommen", forderte BDEW-Chefin Hildegard Müller.
Lesen Sie dazu unser Interview mit dem Vizechef der Grünen-Fraktion im Europaparlament Claude Turmes: "Über den Umweg Europa wird Raum geschaffen für neue Atomkraftwerke"
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