Die jüngste Schlagzeile der Tennis-Schwestern kommt ausnahmsweise einmal von ihrem eigentlichen Arbeitsplatz. Nach der Buchvorstellung eines Lebensratgebers für Neun- bis Zwölfjährige, nach der Ankündigung einer eigenen Reality Show im amerikanischen Fernsehen haben sich die Venus und Serena endlich einmal wieder auf einem Centre Court gegenübergestanden - mit überraschendem Ausgang.
Bei den Nasdaq-100 Open, dem einzigen gemeinsamen Zwölf-Tages-Turnier der ATP und der WTA Tour für die 96 Besten der Welt in Miami, gelang Venus nach dreieinhalb Jahren der erste Sieg über Serena, das Nesthäkchen der Familie. Im Viertelfinale glückte der 24jährigen Venus im siebten Anlauf mit 6:1 und 7:6 (10:8) endlich der langersehnte Erfolg gegen die eineinviertel Jahre jüngere Serena.
13. Auflage des „Sister Acts“
Im internen Familienduell hatte sich die Ältere zuletzt im Finale der US Open 2001 behauptet. Damals gewann Venus zur besten Fernsehsendezeit vor 23023 erwartungsfrohen Fans im vollbesetzten Arthur Ashe Stadium von Flushing Meadow im New Yorker Stadtteil Queens den letzten ihrer insgesamt vier Grand-Slam-Titel. Danach war Serena zur unumstrittenen Familienherrscherin aufgestiegen und hatte bei den Australian Open Ende Januar nach achtzehnmonatiger Durststrecke gegen die Weltranglistenerste Lindsay Davenport ihren sechsten Erfolg bei einem der vier Traditionsturniere gefeiert.
Komm in meine Arme, Schwesterchen! Serena (l.) gratuliert Venus Williams zum Sieg © REUTERS Bilderstrecke
Die 13. Auflage des „Sister Acts“ war wie fast alle zwölf vorhergehenden Episoden spielerisch eine Enttäuschung. Beide agierten fehlerhaft und wirkten sichtlich gehemmt. Im ersten Satz schien Serena mit ihren Gedanken bei ihren vielen nebenberuflichen Tätigkeiten zu sein. Nach einer schnellen 5:0-Führung war der erste Satz für Venus nur Formsache. Im zweiten Satz hatte Serena im Tiebreak zwei Satzbälle. Sie vergab sie kläglich.
„Ghetto-Schwestern“
Die Fans hatten es wohl geahnt, daß das Duell Williams gegen Williams keine besonders ansehliche Angelegenheit würde. Das 16.000 Zuschauer fassende Stadion in Key Biscayne war nur zu drei Vierteln besetzt.
Der sechste Sieg von Venus im 13. Familienduell liefert zumindest eine neue Wende in der Saga der beiden Kalifornierinnen, die sich gerne als „Ghetto-Schwestern“ aus einem der Slums von Los Angeles vermarkten - obwohl sie in eher behüteten Verhältnissen aufwuchsen. Für Venus bedeutet der Sieg über ihre Erzrvialin einen kleinen Durchbruch.
Wie sehr er die 1,85 Meter große Fau beflügelte, machen ihre kecken Aussagen nach dem Match deutlich, in dem sie unverhohlen ihren Anspruch auf den ersten Weltranglistenplatz verkündete: „Für mich ist es eine ausgemachte Sache. Ich habe das Talent und die Erfahrung. Es ist nur eine Frage der Zeit.“ Derzeit wird Venus in der Branchenhackordnung noch auf Platz neun, Serena auf Platz vier, geführt.
Modeschöpferin und Schauspielerin
Im Halbfinale kann Venus Williams einen weiteren Schritt auf dem Weg zum anvisierten Gipfel gehen. Sie trifft auf die 17jährige Wimbledonsiegerin Maria Scharapowa, die sich nach 2:14 Stunden mit 6:1, 6:7 (6:8) und 6:2 gegen die ehemalige Weltranglistenerste Justine Henin-Hardenne behauptete, die in Miami erstmals seit den US Open 2004 nach überstandener Knieverletzung wieder mit von der Partie war.
Daß Venus und Serena überhaupt noch Zeit finden, sich ihrem Beruf als Tennisprofi zu widmen, daß sie trotz ihrer vielen Nebentätigkeiten noch immer in der Weltklasse mitspielen, ist die eigentliche Überraschung. Serena versuchte sich mit bescheidenem Erfolg schon als Modeschöpferin und Schauspielerin in drei amerikanischen Seifenopern.
Jetzt ist sie mit ihrer Schwester auch noch als „Ratgeber-Tante“ für Kinder aktiv. Das Werk „Venus and Serena: Shooting from the hip: 10 Rules for Living, Loving and Winning“ soll junge Menschen auf den richtigen Pfad der Tugend führen. „Ihr könnt wie wir sein. Seht her! Wir sind erfolgreich und folgen trotzdem hohen moralischen Maßstäben. Wir haben ein großes Selbstwertgefühl und sind trotzdem nette Menschen“, sagte Serena.
Gläubige Zeugen Jehovas
Da dieser Einschätzung niemand widersprechen wollte, ließen die beiden keuschen Schwestern, die sich als gläubige Zeugen Jehovas der sexuellen Enthaltsamkeit vor der Ehe verschrieben haben, bei der Vorstellung eine ihrer Lebensweisheiten verlauten. Man solle auf keinen Fall jeder Verliebtheit nachgeben.
Wie die beiden Glamourgirls den Verlockungen der Showbranche Tennis entgehen, können demnächst die Zuschauer des Kabelsenders „ABC Family“ begutachten. Im Juli startet eine sechsteilige sogenannte Reality Show, die aus nächster Nähe das Leben der beiden Tennisdiven dokumentiert.
„Die Serie wird Fans einen hautnahen Einblick in unsere Leben abseits des Tennis Courts geben.“ Hoffentlich ist der interessanter als die Begegnungen der beiden auf dem Tennisplatz.
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