Montag, 29. September 2014
Ärzte Zeitung, 22.09.2014

Gastbeitrag

Ebola-Fieber - Hohe Sterberaten eine Frage der Hautfarbe?

Bei Infektionen mit Ebola- oder Marburg-Viren haben schwarze Menschen ein deutlich höheres Sterberisiko als weiße. Die möglichen Gründe könnten Folgen für die Therapie haben.

Von Werner Slenczka

Mar_AH.jpg

Das Marburg-Virus.

© Schreiter / Springer Verlag

Das Marburg-Virus hat im Jahr 1967 bei seinem ersten Auftreten in Europa 23 Prozent der Patienten getötet (7 von 31). Damals eine erschreckende Zahl.

Das gleiche Virus hat 1999/2000 unter Minenarbeitern in Darfur im Osten des Kongo 83 Prozent (123/149) der Erkrankten getötet und auch 2004/2005 in Uige (Angola) waren es 83 Prozent (324/388).

Offenbar unterscheidet das Marburg- Virus ebenso wie Ebola zwischen Farbigen und Weißen. Es lohnt sich, möglichen Gründen nachzugehen.

Diese Viren sind "pantrop", das heißt sie können prinzipiell alle Zellen infizieren. Entscheidend ist die Infektion der Gefäß-Endothelien sowie der Monozyten und Makrophagen.

Die Endothelzellen werden entweder direkt durch das Virus oder indirekt durch von den Makrophagen frei gesetzten Tumornekrosefaktor TNF und H2O2 zerstört.

Die Zerstörung oder Retraktion von Endothelzellen macht die Gefäßwände vor allem die der Kapillaren permeabel, es kommt zu Blutungen und darauf reagiert der Organismus wie bei jeder Verletzung mit dem Gerinnungssystem.

Es kommt zur Bildung intravasculärer und wahrscheinlich auch extravasculärer Thromben bzw. Gerinnseln. Die Folge ist eine Verbrauchskoagulopathie, bei der die Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren I, V und VIII sowie Fibrinogen verbraucht werden.

Hoher Kalziumverbrauch

Die Thromben verursachen wegen der bald einsetzenden Fibrinolyse kein dauerhaftes Problem.

Aber Kalzium in seiner ionisierten Form wird in großen Mengen für die Blutgerinnung verbraucht; darüber hinaus wird es verstärkt gebunden, man kann mit histochemischen Färbungen Kalzium-Ablagerungen im Gewebe nachweisen.

Der Organismus kann Kalzium-Verluste durch vermehrte Resorption aus dem Dünndarm oder notfalls durch Mobilisierung aus der Knochensubstanz ausgleichen.

Bei den hämorrhagischen Fiebern wird aber offenbar soviel Kalzium innerhalb einer kurzen Zeitspanne verbraucht, dass der Verlust nicht schnell genug ausgeglichen werden kann.

Etwa 750 mg ionisiertes Kalzium stehen im Plasma und in der extrazellulären Flüssigkeit zur Verfügung. Wird ein großer Teil davon verbraucht und nicht ergänzt, dann leiden wichtige Organfunktionen.

Schließlich wird ein "point of no return" erreicht, es kommt zum irreversiblen Multiplen Organversagen.

Vitamin D fördert die Reifung von Immunzellen

Um Kalzium aus dem Dünndarm aufnehmen zu können, wird Vitamin D3, eigentlich ein Hormon, benötigt. Eine Vorstufe dieses Vitamins, 7-Dehydrocholesterol wird mit der Nahrung aufgenommen und muss in der Haut durch UV-Licht der Wellenlänge 290 bis 320 nm aktiviert werden.

Vitamin D wird nicht nur für die Kalzium-Aufnahme benötigt, es fördert auch die Reifung von Immunzellen und verhindert Rachitis und Osteomalazie.

Die Aktivierung der Vorstufen des Vitamin D durch Sonnenlicht ist Dosis-abhängig, das heißt die Intensität und Dauer der Besonnung aber auch Bekleidung und Sonnenschutz-Cremes haben einen Einfluss auf das Ergebnis.

Den wirksamsten Sonnenschutz bietet das Melanin in der Haut und deswegen können Farbige viel mehr Sonne vertragen als Weiße, weil sie mehr Melanin haben.

Melanin vermindert aber auch die Bildung von Vitamin D3 in der Haut und deswegen benötigen Schwarze bei gleicher Besonnungs- Intensität eine 5- bis 10-fach höhere Sonnenexposition um den gleichen Effekt zu erzielen wie Weiße.

So paradox das klingen mag: afrikanische Menschen haben in der Regenzeit und vor allem dann, wenn sie westliche Kleidung und Hüte tragen, ein Defizit an Besonnung und damit einen latenten Mangel an Vitamin D.

Gesunde Erwachsene können mit diesem Mangel und der daraus resultierenden Hypocalzämie unbeeinträchtigt leben. Für Kinder, schwangere Frauen und im Krankheitsfall kann dieser Mangel zum Problem werden.

In der latenten Unterversorgung mit Vitamin D und Kalzium könnte der Grund gegeben sein, warum Menschen mit dunkler Hautfarbe gegenüber Weißen weniger Überlebenschancen haben, wenn sie am Marburg- oder Ebola-Fieber erkranken.

Supplementation von Kalzium und Vitamin D3?

Die Probe auf diese Hypothese wäre leicht zu machen. Man könnte den Kranken möglichst frühzeitig, solange sie Flüssigkeit noch oral aufnehmen können, Brausetabletten mit Kalzium und Vitamin D3 geben.

Tabletten mit 300 mg Magnesium, 600 mg Kalzium, 10 μg Vitamin D3 und 75 μg Vitamin K2 sind auf dem Markt preiswert erhältlich. Man könnte den Patienten direkt nach der Diagnose wegen des erhöhten Bedarfs die doppelte Tagesdosis (2 Tabletten) geben.

Es gibt auch andere Viruskrankheiten, bei denen es ausreicht, den Patienten über eine kritische Krankheitsphase hinweg zu helfen, um das Leben zu retten.

Die Tatsache, dass auch heute noch im Falle einer Filovirus-Infektion die Letalität farbiger Menschen zwei- bis dreimal so hoch ist wie die der Weißen, und dass man noch nicht einmal den Grund dafür kennt, ist schwer zu tolerieren.

|
[24.09.2014, 11:24:55]
Thorsten Schaff 
Fehler korrigiert
Vielen Dank Herr Suchomel für Ihren Hinweis. Wir haben den Fehler im Text korrigiert. zum Beitrag »
[22.09.2014, 15:25:12]
Thomas Suchomel 
Grammweise Vitamine???
"Tabletten mit 300 mg Magnesium, 600 mg Kalzium, 10 g Vitamin D3 und 75 g Vitamin K2 sind auf dem Markt preiswert erhältlich..."

10 g Vitamin D3 und 75 g Vitamin K2?? Das sind doch wohl Tippfehler, oder? zum Beitrag »

Schreiben Sie einen Kommentar

Überschrift

Text
Weitere Top-Meldungen

Ebola-Epidemie: Der perfekte Sturm

Vielleicht war der Kampf gegen Ebola in Westafrika schon verloren, bevor er begonnen hat. Denn das Virus breitete sich lange Zeit fast unbemerkt aus. In Guinea fand es dafür optimale Bedingungen. Wir zeichnen nach, wie alles begann. mehr »

Hausärztin will Ebola-Einsatz: "Bin bereit, das Risiko zu tragen"

Dr. Anne von Bülow war Hausärztin in Berlin. Nun will sie im Kampf gegen Ebola in Westafrika helfen. Die 72-Jährige hat sich beim DRK als Freiwillige beworben. mehr »

Grippe: Weniger Tote in Heimen mit gut geimpften Pflegern

Heimpatienten profitieren davon, wenn ihre Pflegekräfte gegen Grippe geimpft sind. Die Maßnahme verringert das Sterberisiko und auch die Rate an Atemwegsinfektionen, zeigt eine US-Metaanalyse. mehr »