Adolf Bertram

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Adolf Kardinal Bertram (1916)
Wappen
Kardinalswappen (bis 1930)

Adolf Kardinal Bertram (* 14. März 1859 in Hildesheim; † 6. Juli 1945 auf Schloss Johannesberg bei Jauernig) war zunächst Bischof von Hildesheim, später Erzbischof von Breslau.

Leben[Bearbeiten]

Bertram studierte ab 1877 Katholische Theologie an der Universität Würzburg und der Universität München und trat mit Studienbeginn in den katholischen Studentenverein Unitas-Hetania ein. Am 31. Juli 1881 empfing er in Würzburg die Priesterweihe. Anschließend studierte er Kanonisches Recht in Rom, wo er Mitglied des Anima-Kollegs wurde. 1883 promovierte er in Würzburg zum Doktor der Theologie und 1884 in Rom zum Doktor für Kanonisches Recht (Dr. iur. can.). Im gleichen Jahr trat er in das Hildesheimer Generalvikariat ein und stieg 1905 zum Generalvikar auf.

Nachdem er schon seit 1894 Domkapitular war, wurde er am 26. April 1906 zum Bischof von Hildesheim gewählt und vom Fürstbischof von Breslau Georg Kardinal von Kopp geweiht. Nach dessen Tod wurde er am 25. Mai 1914 zum Fürstbischof der großen Diözese (seit 1930 Erzdiözese) Breslau gewählt, die allerdings schon 1922 durch die Angliederung von Ostoberschlesien an das neu wiederentstandene Polen und die Errichtung der Diözese Kattowitz verkleinert wurde. Im Vorfeld der Volksabstimmung in Oberschlesien verbot Bertram 1920 seinem Klerus jede politische Agitation, womit er sich besonders bei den polnischen Nationalisten - darunter der polnische Salesianerprovinzial und spätere polnische Primas August Hlond - unbeliebt machte. Durch die Verteidigung des Anspruchs der polnisch sprechenden Diözesanen auf muttersprachliche Predigten im Gottesdienst, Beichte und Unterricht wurde er andererseits in späterer Zeit auch von den Nationalsozialisten angegriffen.

Aufgrund der schwierigen politischen Verhältnisse im Ersten Weltkrieg führte ihn Papst Benedikt XV. 1916 zunächst als Kardinal in pectore und gab die Ernennung erst nach Kriegsende am 5. Dezember 1919 bekannt, wobei er ihn am selben Tag als Kardinalpriester mit der Titelkirche Sant’Agnese fuori le mura in das Kardinalskollegium aufnahm. Während dieser Zeit war der Priester Johannes Pinsk als Geheimsekretär von Bertram tätig.

Von 1919 bis zu seinem Tode nahm Bertram als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz eine kirchenpolitisch bedeutende Stellung ein.

Bertrams Sterbeort Schloss Johannesberg (Jánský Vrch).
In diesem Doppelgrab in Jauernig wurde Kardinal Bertram Mitte Juli 1945 während der Wirren des Odsun in der Tschechoslowakei neben Fürstbischof Joseph Christian Franz zu Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein († 1817) beigesetzt.

Bei Kriegsende 1945 floh er nach Jauernig in den tschechoslowakischen Teil der damaligen Diözese, wo er kurz danach in seiner Sommerresidenz Johannesberg starb und bestattet wurde. Mitte der 1990er Jahre wurden seine Gebeine im Breslauer Dom feierlich beigesetzt.

Politisches Verhalten[Bearbeiten]

Bis zum heutigen Tage ist Bertrams Verhalten gegenüber seinen polnischen Diözesanen umstritten, insbesondere in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, sowie generell sein beschwichtigendes Taktieren gegenüber dem Nationalsozialismus. Der Kardinal vermied alles, was zum offenen Bruch zwischen Kirche und Staat hätte führen können. Eine erbetene Intervention gegen den geplanten Boykott jüdischer Geschäfte 1933 befürwortete Bertram nicht, wofür er folgende Gründe aufführte:

„Meine Bedenken beziehen sich

1. darauf, daß es sich um einen wirtschaftlichen Kampf in einem uns in kirchlicher Hinsicht nicht nahestehenden Interessentenkreis handelt;
2. daß der Schritt als Einmischung in eine Angelegenheit erscheint, die das Aufgabengebiet des Episkopats weniger berührt, der Episkopat aber triftigen Grund hat, sich auf sein eigenes Arbeitsgebiet zu beschränken […]
4. [dazu kann] die taktische Erwägung kommen, daß dieser Schritt, der nicht vertraulich im engeren Kreis bleiben kann, sicher die übelste Interpretation in den weitesten Kreisen von ganz Deutschland finden würde, was bei der überaus diffizilen und dunklen Gesamtlage keineswegs gleichgültig sein kann.

Daß die überwiegend in jüdischen Händen befindliche Presse gegenüber den Katholikenverfolgungen in verschiedenen Ländern durchweg Schweigen beobachtet hat, sei nur nebenbei berührt.“[1]

Als mit den Nürnberger Gesetzen das Sakrament der Ehe nicht mehr erteilt werden durfte, weil getaufte Juden keine „deutschblütigen“ Partner ehelichen durften, beschränkte sich der Bischof auf eine geheime Intervention gegen diese Gesetze, die selbst innerkirchlich nicht bekannt werden sollte. Ebenso geheim blieb 1943 eine Eingabe zugunsten der jüdischen Partner von Mischehen, deren Deportation in die Konzentrationslager befürchtet wurde.[2] Namens des Gesamtepiskopats erhob Bertram auch Einspruch gegen eine geplante Verordnung zur Scheidung von „rassisch gemischten Ehen“, da dies für ihn eine Verletzung des Sakramentenrechts darstellte. Allerdings versicherte er den verantwortlichen staatlichen Stellen, dass seine „Vorstellungen nicht einem Mangel an Liebe zum Deutschtum, nicht einem Mangel an Gefühl nationaler Würde entspringen, auch nicht einer Geringschätzung der schädlichen Einflüsse eines Überwucherns jüdischer Einflüsse gegenüber deutscher Kultur und vaterländischen Interessen.[3]

Im Jahr 1940 verurteilte Bertram die Pläne und Propagierung der Aktion Lebensborn e. V., den nationalsozialistischen Vitalismus sowie die künstliche Insemination von Menschen als „unmoralisch“, wobei er Lebensborn und ähnliche Vorhaben der NS-Regierung als staatlich verordneten Ehebruch bezeichnete.[4]

Noch Anfang Mai 1945 habe er – nach Angaben in den Werken Klaus Scholders und Daniel Goldhagens – die Priester seiner Diözese aufgefordert, „ein feierliches Requiem” zu halten, mit dem Zusatz „im Gedenken an den Führer.“[5] Der US-amerikanische Rechtswissenschaftler und Historiker Ronald J. Rychlak schränkte ein, dass diese Anordnung ein „allgemeines” Requiem für alle bisher im Kampf gefallenen deutschen Soldaten betraf, wobei man glaubte, Hitler sei selber auch im Kampf gefallen und deshalb namentlich mitzuerwähnen. Die Anordnung könnte, so Rychlak, aber auch von einem anderen Geistlichen des Ordinariatspersonals um den bereits schwachen und schwer erkrankten Bertram verfasst worden sein; sicher sei aber, dass der Befehl für das erwähnte Requiem für die Gefallenen von Kardinal Bertram selbst annulliert wurde.[6] Rychlak bestreitet jede Unterstellung einer ideologischen Nähe zwischen Bertram und dem Nationalsozialismus, allerdings stellt er Bertrams diplomatischen Gehorsam gegenüber der Person Adolf Hitlers nicht in Abrede.

Schriften[Bearbeiten]

  • Geschichte des Bistums Hildesheim. 3 Bände. 1899–1925 (Digitalisat)
  • Jugendseele „kostbar in Gottes Augen“. Freiburg 1933.
  • Hirtenbriefe und Hirtenworte. Köln (Böhlau) 2000, ISBN 3-412-01399-4

Literatur[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]

 Commons: Adolf Bertram – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Josef und Ruth Becker: Hitlers Machtergreifung. Dokumente. dtv 2938, München 1983, ISBN 3-423-02938-2 (Dokument Nr. 148, Seite 195): Rundbrief von Bertram 31. März 1933
  2. Wolf Gruner: Widerstand in der Rosenstraße. fi 16883 Frankfurt/M 2005, ISBN 3-596-16883-X S. 99 f
  3. Joachim Köhler: „Katholische Kirche, Katholiken und die Juden in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft.“ In: Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hg.): Nebeneinander - Miteinander - Gegeneinander? Zur Koexistenz von Juden und Katholiken in Süddeutschland im 19. und 20. Jahrhundert. (Laupheimer Gespräche 2000) Bleicher, Gerlingen 2002, S. 257 f.
  4. Time Magazine, 5. Februar, 1940, Battle of Births
  5. Georg Bönisch / Klaus Wiegrefe: Das größere Übel. In: Stefan Aust, Gerhard Spörl (Hrsg.): Die Gegenwart der Vergangenheit. Reinbek 2005 (Zitat Seite 271)
  6. Ronald J. Rychlak. Goldhagen v. Pius XII. In: First Things 124 (June/July 2002): 37-54. Website: Catholic Education Resource Center
Vorgänger Amt Nachfolger
Felix Kardinal von Hartmann Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz
1920–1945
Joseph Kardinal Frings
Georg Kardinal von Kopp Fürsterzbischof von Breslau
1914–1945
Bolesław Kardinal Kominek
als nächster Diözesanbischof
Ferdinand Piontek
als Kapitularvikar
Daniel Wilhelm Sommerwerck Bischof von Hildesheim
1906–1914
Joseph Ernst