Nach Schließung des Supermarktes hat sich der Kiez einen Markt erkämpft: Kartoffeln aus dem Vorgarten

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NIKOLASSEE. Der Slogan unter der Bauplane klingt ein bisschen wie Hohn. "Was will man mehr" steht da weiß auf rot auf den Schaufensterscheiben. Doch der Laden in der Prinz-Friedrich-Leopold-Straße ist verwaist, die Schilder abgeschraubt. Mehr als 52 Jahre befand sich im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses ein Supermarkt der Kette Meyer & Beck. Weil das Geschäft schlecht lief, hat das Unternehmen den Laden Anfang Juni geschlossen. Seitdem gibt es im Ortskern von Nikolassee keinen Supermarkt mehr. Der Supermarkt von Meyer & Beck war der letzte im Kiez, der Anwohner mit Lebensmitteln, Drogerieartikeln und Blumen versorgte. Ein paar Monate zuvor zog sich die Kette Spar aus dem Viertel zurück. Wer jetzt rund um den Hohenzollernplatz einkaufen will, muss weite Wege in Kauf nehmen - zum nächstgelegenen Supermarkt an der Potsdamer Chaussee sind es schätzungsweise fünf Kilometer Fußweg. Die Anwohner wollten sich mit dieser Situation nicht abfinden. Sie wandten sich ans Bezirksamt, schrieben Briefe, sammelten Unterschriften und forderten zumindest einen Wochenmarkt als Ersatz. "Hier wohnen vor allem ältere Leute", sagt Rentner Wolfgang Kühn. Wer kein Auto fährt, hat das Nachsehen. "Der muss dann mit dem Bus zum nächsten Supermarkt oder laufen." Und das hieße dann, "die Einkäufe nach Hause schleppen". Seit dem vergangenen Freitag gibt es jetzt zweimal in der Woche einen Markt in der Prinz-Friedrich-Leopold-Straße. Elf Händler verkaufen dort Fleisch und Wurst, Gemüse und Kartoffeln, Ökobrot und Blumen. "Uns war klar, dass etwas getan werden muss", sagt Klaus-Peter Laschinsky (SPD), der Wirtschaftsstadtrat von Steglitz-Zehlendorf. Das Wirtschaftsamt hat umliegende Wochenmärkte abgeklappert. Viele Händler erklärten sich bereit zu helfen. Die Erbengemeinschaft des Hauses, in dem sich einst der Supermarkt befand, stellte den Vorgarten für die Marktstände zur Verfügung. Laschinsky schaffte es zudem, Meyer & Beck um einen weiteren Service zu bitten. Die Filiale in der Breisgauer Straße hat für Kunden einen Bringedienst eingerichtet. Der kommt nach Angaben von Marketingleiterin Reinhild Herzberg sehr gut an. "Die Kunden können telefonisch bestellen oder ihren Einkauf nach einem Besuch in der Filiale liefern lassen." Auch der Markt wird im Kiez gut angenommen. "Er ist uns eine sehr große Hilfe", sagt Hausfrau Dolly Radusch. Möhren, Radieschen und Kochschinken hat sie am Dienstag gekauft. Nur an Milch fehle es hier. Die Händler ziehen fürs Erste ein positives Fazit. "Viele Kunden haben uns versprochen, wieder zu kommen", sagt Ilse Ellerichmann vom Fleisch- und Wurststand. Nun wollen Bezirk und Eigentümer drei Monate lang testen, ob sich der Wochenmarkt rentiert. "Der Bedarf ist zumindest da", sagt Karin Drawert von der Erbengemeinschaft. Sie hofft auch, einen Nachmieter für Meyer & Beck zu finden. "Anfragen gibt es viele", sagt sie. "Nur für Lebensmittel findet sich niemand." Wochenmarkt: dienstags 10-16 Uhr, freitags 14-19 Uhr. Bringedienst: Tel. 80 90 25 98. "Der Wochenmarkt ist eine große Hilfe. " Dolly Radusch, Anwohnerin.

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