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Deformationen
Eberhard Kloke reduziert Bergs epochales Werk für ein "Kleines Orchester"
(39 Mitwirkende), votiert für die "entOperung", passt das Geniestück dem
charismatischen Spielort an und liefert eine intentinale Verdichtung der
Berg-Komposition. Mit dem intonationssicheren Ensemble der musikakzente
21 gelingt in dem barocken Konzertsaal in der münsterländischen Parklandschaft
ein bezwingendes musikalisches Erlebnis voller Leidenschaft und sozialer
Compassion.
Bruno Klimek bringt es zuwege, Orchester, Sänger und verstreut sitzendes
Publikum durch permanente Standortwechsel in ein kreatives Hin und Her
zu versetzen: Wozzeck scheitert als konkreter "Normalo" an den zementierten
Mächten der ideologisch Verbohrten. Die Aktualität von physischer und
psychischer Folter wird evident. Das Innen und Außen wird mit den öffnenden
Außentüren des phantastischen barocken Konzertsaals realisiert; lediglich
der Gang durch den Park nach der Wirtshausgarten-Szene unterbricht den
imaginativ-dichten Fortgang der Handlung - doch verstärkt der abendliche
Nieselregen mit aufkommenden Nebeln die gespenstische Stimmung der Mordszene.
Das Sänger-Ensemble beweist hohe Kompetenz: Singen im permanenten direkten
Gegenüber mit dem individuellen Publikum; das gehört nicht unbedingt zum
Alltag von Opernsängern! Aber sie bewältigen diese Herausforderung bravourös
- und sie singen mit großem Engagement, verbunden mit subtiler Phrasierung
und außergewöhnlichen Wort-Verständlichkeit! Christian Hees mit heldentenoralem
Aplomb als autoritärer Hauptmann, Renatus Meszar als stimmgewaltige Doktor-Karikatur,
Christian Specht als machohafter Tambourmajor, Friedrich von Mansberg
als adäquat stimmsicherer Andres. Kay Stiefermann ist ein "normaler" Wozzeck,
überzeugend im Agieren, sonor-leidend mit variablem Bariton; Annette Robberts
Marie ist eine suchende Mädchenfigur mit fragilem Sopran - das "schlechte
Gewissen" Wozzecks.
Mittels der Regionale 2004 bricht im ältesten Konzertsaal Europas mit
dieser hochinnovativen Wozzeck-Deutung die Moderne in das selbstbezogene
Kulturleben des Münsterlands ein. Viel lokale Prominenz, einige erfahrene
Beobachter der aktuellen Musiktheaterszene und eher wenige unbefangene
Gäste erleben zwei Stunden hochengagiertes Musiktheater: respektvolle
Begeisterung am Schluss! Klokes Wozzeck-Version wird auch an anderen Orten
Furore machen! (frs) |
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