Universitas Helsingiensis

The quarterly of the University of Helsinki

Das Selbst im Spiegel
Ein narzisstisch gestörter Mensch kann seinem Arbeitsumfeld schaden. Besonders wenn man seiner Großmannssucht keine Grenzen setzt.

Mila Engelberg

Back to winter issue 2006

Bei einem Narzissten ist die aus der frühen Kindheit stammende Vorstellung von seiner Allmacht nicht verschwunden. Er glaubt, über den Dingen zu stehen und alles tun zu dürfen“, beschreibt Liisa Keltikangas-Järvinen, Professorin für Psychologie.

Für die narzisstische Persönlichkeitsstörung gibt es in der Psychiatrie eine klinische Beschreibung. Dennoch ist es nicht ganz einfach, etwa am Arbeitsplatz Narzissten zu erkennen. Man sollte zudem nicht vergessen, dass man die Kennzeichen des Narzissmus nicht absolut setzen darf. Mit anderen Worten: Ein Narzisst tritt nach außen hin selbstsicher auf, aber nicht alle selbstsicheren Menschen sind Narzissten. Außerdem kann die Störung auch in sehr unterschiedlichem Maße auftreten.

„Eine leichte Selbstsüchtigkeit ist nicht selten“, konstatiert Keltikangas-Järvinen.

Auffallende Züge bei einem Narzissten sind seine Egozentrik und seine übertriebene Vorstellung von der eigenen Wichtigkeit. Er ist der Pol, um den sich die ganze Welt dreht. In Wirklichkeit ist die Selbstherrlichkeit eines Narzissten eine hohle Angelegenheit.

„Der Kern seines Ichs ist brüchig. Der Narzisst hat Angst davor, verstoßen zu werden und in den Augen anderer nichts zu gelten. Er verliert seine Grundlage, wenn die Strukturen, die ihn stützen, zusammenbrechen, oder wenn die Menschen, die ihn gelobt haben, von ihm Abstand nehmen“.

Moralisch imbezill

Ein Mensch mit narzisstischer Persön-lichkeitsstörung ist von positivem Feedback abhängig. Es ist der Spiegel, auf den er angewiesen ist. Um im Leben zurechtzukommen, benötigt er spezielle Eigenschaften, vor allem die Fähigkeit der Manipulation. Er schmeichelt Menschen oder verhält sich ihnen gegenüber überheblich und versucht, sie um den kleinen Finger zu wickeln.

„Das ganze Handeln eines Narzissten ist ein Spiel mit zwischenmenschlichen Beziehungen. Er ist ein Chamäleon, das rasch spürt, wo es langgeht, und er passt sich blitzschnell an.“

Ein Narzisst ist seiner eigenen Meinung nach in allen Dingen kompetent und sachkundig. Mit der Illusion von der eigenen Großartigkeit ist die Unfähigkeit verbunden, Kritik entgegenzunehmen. Selbst eine gelinde Kritik fasst er als Beleidigung auf.

„Nach seiner eigenen Ansicht ist er ohne Fehl und Tadel und hat nie etwas falsch gemacht. In zwischenmenschlichen Beziehungen projiziert ein Narzisst Probleme nach außen. Er meint, dass andere nur neidisch oder missgünstig seien.“

Ein Narzisst kennt weder Empathie noch Schuldgefühle.

„Früher sprach man von moralischer Imbezillität. Ein narzisstischer Chef kann zum Beispiel eine große Zahl von Arbeitnehmern entlassen, ohne dass ihn die menschlichen Leiden berühren.“

Ein derart charaktergeschädigter Mensch fürchtet sich nur davor, sein Gesicht zu verlieren. Folglich taktiert er die ganze Zeit so, dass seine Fehler nicht aufgedeckt werden und er keiner öffentlichen Schelte ausgesetzt wird.

Unaufgeklärter Absolutismus

Ein von seinem Strebertum angetriebener Narzisst kann es in der Organisation von Unternehmen und Behörden weit bringen – zum Schaden seiner Mitmenschen.

„Ein Narzisst, der Macht ausübt, kann viel Schlimmes verursachen. Das Verhaltensmuster eines narzisstischen Chefs lautet ‚Teile und beherrsche‘. Infolge dessen geht die Solidarität unter den Mitarbeitern zurück, und es bilden sich Cliquen. Sodann fällt es der großen Menge schwer, sich gegen den Narzissten zusammenzutun und ihn zu verdrängen“, erläutert Keltikangas-Järvinen.

„Für ein krankes Arbeitsmilieu ist es typisch, dass das Klima gespalten ist. Einige Mitarbeiter sind mit ihrer Arbeitsstelle zufrieden, anderen ist die Arbeit ein Graus.“

Wenn ein Narzisst, gestützt durch seine Stellung, die Regeln nach seinem eigenen Gutdünken auslegen darf, wächst seine Vorstellung von der eigenen Grandiosität nur noch, und in der Folge kann er immer kühner seine Grenzen erproben.

„Er kann zum Beispiel in aller Öffentlichkeit andere Menschen in einer höchst arroganten Weise behandeln. Ein neuer Mitarbeiter mag sich wundern, wie man sich nur so benehmen kann. Aber es dauert nicht lange, bis auch er selbst nur noch seine eigene Ruhe haben will.“

Wenn ein Narzisst einer Arbeitsgemeinschaft schadet, so hat die Gemeinschaft die Verantwortung, sich zu wehren. Dem Narzissten müssen klare Grenzen gesetzt werden.

„Selten haben die Menschen jedoch untereinander eine solch langfristige Solidarität, die dazu nötig wäre, den Knoten zu lösen. Ein Problem liegt zudem auch darin, dass das Handeln des Narzissten zwar in moralischer und ethischer Hinsicht verwerflich, nicht aber im juristischen Sinne anfechtbar ist. Viele schweigen auch aus dem Grund, da ihnen Privilegien geboten werden, zum Beispiel wenn der Narzisst der eigene Vorgesetzte ist.“

Derartige Probleme können dazu führen, dass Mitarbeiter, die des narzisstischen Gebarens überdrüssig geworden sind, ihre Stelle kündigen.

„Der Weggang eines jeden ‚gesunden‘ Menschen ist für die Arbeitsgemeinschaft ein Verlust. Es ist nämlich möglich, dass wegen einer einzigen problematischen Person am Arbeitsplatz das ganze Klima narzisstisch wird. Mit anderen Worten: das narzisstische Verhaltensmuster wird allgemein akzeptiert, und die übrigen Mitarbeiter beginnen, sich demnach zu verhalten. Innerhalb der Arbeitsgemeinschaft merkt dann keiner, dass es niemandem mehr gut geht.“

Tickende Zeitbombe

Obgleich die akademische Gemeinschaft für einen Narzissten keine ebenso gute Estrade darstellt wie die Welt der Politik oder der Medien, wird auch in diesem Bereich Narzissmus zugelassen oder bisweilen sogar gefördert. Das akademische Milieu, das eher auf ethischen Normen als auf Gesetzesvorschriften basiert, passt einem solchen Menschen gut, der ständig ausprobiert, wie weit er gehen kann.

Den Psychiatern zufolge sind narzisstische Persönlichkeitsstörungen häufiger geworden, auch unter den Studenten.

„Im Alltag der Universität sieht man derartige Störungen bei Studenten daran, dass sie in extremer Weise versuchen, auf ihre Rechte zu pochen sowie eine bevorzugte Behandlung und Privilegien erwarten. Der Student verlangt für sein Studium einen eigenen Zeitplan und eigene Klausurtermine. Nach einem kritischen Feedback steht ihm nicht der Sinn, da seine Arbeiten sowieso perfekt sind. Falls ein solcher Student kritisiert wird, beschwert er sich häufig bei einer höheren Instanz über seinen Lehrer“, erläutert Keltikangas-Järvinen.

Studenten, die an ihrer Magisterarbeit schreiben, können bisweilen sogar ihren Betreuer davon überzeugen, dass sie einen internationalen Durchbruch geschafft haben. Der frisch gebackene Magister kann sich dann um einen Platz in einer Forscherausbildung bewerben, deren Bereich er gar nicht studiert hat.

„Wenn die Probleme von jungen Narzissten in dem behaupteten Tempo zunehmen, so werden wir in der Wissenschaft und Forschung bald damit konfrontiert werden. Ein Narzisst führt nur Solonummern auf. Er arbeitet nicht im Team und teilt seine Ergebnisse und seine Ehre nicht mit anderen.“


Stress auf der Arbeit kann Männer anfällig für Atherosklerose machen

Der Arbeitsstress, den junge Männer erfahren, korreliert damit, wie anfällig sie für die Atherosklerose (Arterienverkalkung) sind. Dieser Befund geht aus der in Arbeit befindlichen Dissertation von Mag. Psych. Mirka Hintsanen hervor. An der von ihr durchgeführten Untersuchung haben 1020 Finnen im Alter zwischen 24 und 39 Jahren teilgenommen.

Bei den Frauen, die an der Umfrage teilgenommen haben, konnte dagegen keine ähnliche Korrelation zwischen dem Arbeitsstress und der Atherosklerose gefunden werden. Dieser Unterschied bei den Geschlechtern kann damit zusammenhängen, dass sich bei Frauen Herzkrankheiten meist erst in einem höheren Alter entwickeln als bei Männern.

„Frauen können zudem auch noch andere Stressfaktoren erfahren, die den Zusammenhang zwischen dem Arbeitsstress und der Atherosklerose verschleiern. Ihr Stress kann zum Beispiel mit dem Haushalt und der Kinderaufziehung zusammenhängen, für die sie immer noch die Hauptverantwortung tragen.“

Bei der Kartierung des Arbeitsstresses wurde das Augenmerk auf die Hektik der Arbeit und die mentale Belastung sowie unter anderem auch darauf gelegt, ob der Berufstätige bei seiner Arbeit die Möglichkeit hat, neue Dinge zu lernen und eigenständig Beschlüsse zu fassen. Außerdem wurden die Möglichkeiten der Arbeitnehmer geklärt, auf die Weise, in der sie ihre Arbeit ausführen, Einfluss zu nehmen.

Die Atherosklerose wurde mittels Ultraschalluntersuchungen der Wand der Halsschlagader gemessen. Bei der Krankheit lagern sich an den Gefäßwänden Fett und Kalk ab, und die Ader wird immer enger. Infolge dessen erschwert sich der Blutkreislauf zunehmend.

Der Zusammenhang zwischen dem Arbeitstress und der Atherosklerose ist bereits in früheren Untersuchungen bemerkt worden, aber an diesen haben keine jungen Leute teilgenommen. Die Untersuchung von Mirka Hintsanen hat von daher bei Wissenschaftlern in den USA großes Interesse gefunden.

Im Prinzip können Veränderungen am Arbeitsplatz dafür sorgen, dass die Mitarbeiter weniger dem Stress ausgesetzt sind.

„Für den Arbeitgeber bringt es nicht unbedingt einen größeren Kostenaufwand mit sich, wenn seine Untergebenen ihre Arbeit mehr selbst bestimmen könnten. Auch könnte man das Arbeitspensum reduzieren und einander überlappende Arbeitsprozesse reduzieren.“


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