Hatte er im Vorgängerroman "Fliehkräfte" das Paralleluniversum Ehe aus der Sicht des frustrierten Bonner Philosophieprofessors Hartmut Hainbach geschildert, nimmt er nun in seinem dritten Roman die weibliche Gegenposition ein, und dabei erzählt er die eigentlich sattsam bekannte Geschichte eines kriselnden Ehepaars in Form eines Doppelromans, was das Scheitern seines bürgerlichen Mittelschichtpaars umso reizvoller macht.
Seine Schwestern bringt Thome im Gespräch nach der Lesung ins Spiel, nachdem ihm eine Zuhörerin bescheinigt hatte, dass ihm das Einfinden in die Psyche einer Frau hervorragend gelungen sei, und weil seine Standardantwort auf solche Komplimente das Publikum oft unbefriedigt lasse: "Ich versuche in das emotionale Zentrum einer Figur vorzustoßen, zu ihren prägenden Erlebnissen und Beziehungen, Gedanken, Ängsten und Träumen, Fragen und Zweifeln, und das betrifft Männer und Frauen gleichermaßen."
Die "Figur", um deren Ansprüche ans Leben und deren Selbstfindung es in "Gegenspiel" geht, ist Hainbachs Frau Maria Antonia, die aus Portugal stammt und dort noch Pereira hieß.
Der Thome-Sound kreiert Sätze zum Zergehen-Lassen auf der Zunge
Mit 18 will sie die Heimat verlassen, da die dortige Diktatur einer jungen Frau wenig Perspektiven bietet. Sie geht nach Berlin, beginnt ein Studium und eine Beziehung mit einem Theatermacher, die bald scheitert. Allen ihren großen Plänen zum Trotz findet sich Maria schließlich in der Provinz wieder und schaut ihrem Hartmut beim Karrieremachen zu. Lang, zu lang hat sie es ertragen, eine Frau unter Einfluss zu sein, hat sie ihre Emanzipationsbestrebungen zugunsten der Ansprüche ihrer Umwelt an sie immer hintangestellt, so dass es nun endlich Zeit wird, zurückzuschlagen.
Die drei Passagen, die der Autor las, waren nicht repräsentativ für die Stoßrichtung seines Romans, eigneten sich aber für Thomes Ipalat-gestützten lebendigen Vortrag. Außerdem zeigten sie Maria bei ihrer Begegnung mit drei Männern in ihrer portugiesischen Heimat, auf Kreuzberger Pflaster und in der Einöde Bergkamens, das es sonst nur in Verkehrsdurchsagen schafft.
Und sie boten Gelegenheit, in Formulierungen zu schwelgen, die man sich immer wieder auf der Zunge zergehen lassen möchte und die in der Literatur unserer Tage so etwas wie den Thome-Sound ausmachen. "Sie sahen einander an, als seien sie kurz davor, ein Paar zu werden", heißt es da, und "Warum glauben alle, zu wissen, wie das Leben ist, schon bevor sie es ausprobiert haben?"
In besagtem Gespräch mit den Dillenburgern ging es auch um die Hörbuchfassungen von Thomes Romanen, wobei Claudia Michelsen "Gegenspiel" (Der Audio Verlag, DAV, ISBN-103862315142), leicht gekürzt elf Stunden lang auf acht CDs einliest.
Claudia Michelsen ist für den Autor bei der Hörbuchfassung die Idealbesetzung
"Als sie der Verlag als Sprecherin vorschlug, habe ich sofort begeistert Ja gesagt, da ich sie ja schon vom 'Grenzgang’ kannte", erinnert sich Thome und verweist dabei auf den Fernsehfilm nach seinem ersten, in Biedenkopf spielenden Roman. "Und das Ergebnis gefällt mit sehr gut, weil sie einfühlsam liest und die Handlung nicht vorspielt und Sätze nicht übertrieben betont".
Auch seinen nächsten Roman, versprach Thome Buchhändler Volkmar Nix, will er gern wieder in Dillenburg vorstellen. Dort soll China, konkret Taipeh, der Schauplatz sein, in das es den "Feinhandwerker des Gefühls", wie der "Spiegel" einmal schrieb, zu Recherchezwecken nach Ostern wieder zieht.
Wenn er es dort auch anderthalb Jahre aushält, wie in Lissabon, wo er, der Authentizität seiner Werke wegen, in einer Dachgeschosswohnung unweit von Marias virtuellem Elternhaus gelebt hat, wird das aber noch eine ganze Weile dauern.