Lancia-Historie

Automobile Meisterstücke

In Italien hat sich Lancia schon früh als sportliche Alternative und Zeichen eines sozialen Aufstiegs gegen die Übermacht von Fiat etabliert

 Als Sohn aus gutem Hause im Piemont besucht Vincenzo Lancia brav ein Internat. Die Eltern möchten zwar, dass der mathematisch begabte Knabe mal Buchhalter wird, aber sie erfüllen ihm den Wunsch, auf eine Schule für Techniker zu gehen. Die folgende Ausbildung bei Giovanni Ceirano, einem Importeur englischer Fahrräder, lockt ihn von der Rechenmaschine in die Werkstatt. Und wie alle guten Jungs auf der schiefen Bahn schraubt er erst an Velos, doch bald schon an Autos. Die Versuchung dazu lockt im Haus, denn dort baut der Kollege Aristide Faccioli sein erstes Auto, das er Welleyes nennt und das bei lokalen Wettbewerben vorteilhaft auffällt.

Lancia in Genf: Weltpremiere für Ypsilon, Flavia und Thema

Als Ceiranos Fahrradladen 1899 in finanzielle Schwierigkeiten gerät, kauft ein kapitalkräftiges Konsortium die Firma und gründet die Italiana Automobili Torino. So landen Lancia und Faccioli in der Keimzelle des Konzerns, und der Welleyes wird zum ersten FIAT. Vincenzo wird mit 19 Jahren Chefinspektor, Testpilot und bald auch Rennfahrer. Die Karriere beginnt mit einem Klassensieg bei der Rundfahrt Padua – Vincenza – Treviso – Padua und reicht bis 1908. Seinerzeit ist Vincenzo bereits Unternehmer und Konkurrent von Fiat, denn 1906 gründet der 25-Jährige mit seinem Partner Paolo Fagolin die Lancia & Co. und verbietet dort den Rennsport streng. Sein erster Wagen fährt im Herbst 1907 und zeigt sich als ein starkes Stück mit 2,5 Liter Hubraum und 28 PS Leistung.

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Das erste automobile Meisterstück ist im Oktober 1922 vollendet. Der Lancia Lambda hat statt des klassischen Leiterrahmens eine tragende Struktur, die an aktuelle Spaceframes erinnert. Die Vorderräder sind einzeln gefedert und – wie heute noch bei Morgan – teleskopisch geführt. Der Vierzylindermotor mit der engen 20-Grad-V-Formation ist extrem kompakt, noch überzeugender wird das beim Achtzylinder des Dilambda vorgeführt. Und hier holt man in den frühen Roaring Twenties schon über 100 PS aus vier Liter Hubraum. Vincenzo Lancia stirbt 1937 und hinterlässt der Welt als Vermächtnis mit dem Aprilia eines der modernsten Autos jener Tage.

Lancias Stern der frühen Nachkriegsjahre heißt ab 1950 Aurelia. Sie ist erstaunlicherweise das erste Serienauto mit einem V6-Motor, der als erster bei Lancia statt im engen Winkel seine Zylinder 60 Grad spreizt. Mit 1754 Kubikzentimetern strebt die Maschine zunächst mehr nach Laufkultur denn nach Leistung: 56 PS reichen fürs Erste. Bei Antrieb und Achsen wagt Lancia die nächste Revolution. Kupplung, Getriebe, Differenzial und Trommelbremsen liegen als Einheit zwischen den Hinterrädern. Zur vorderen Einzelradaufhängung mit traditioneller Teleskopführung kommt hinten die erste Schräglenkerachse der Geschichte, die später durch eine de Dion-Achse ersetzt wird. Mit den sportlichen Ambitionen der Coupés, der Roadster und durch die Abteilung Competitione wächst der Hubraum auf 3750 Kubikzentimeter, und aus einer zentralen Nockenwelle werden vier oben liegende. Die Leistung eskaliert auf 295 PS.