Es ist ein unfassbar schreckliches Verbrechen, das sich in der Parzelle der Kleingartenanlage "Hesselbach 1+2" in Essen-Dellwig abgespielt hat. Die junge Mutter Madeleine W. (23) aus Gelsenkirchen wurde geknebelt, an Händen und Füßen gefesselt, in ein 1,30 Meter tiefes Erdloch geworfen und mit mehreren Schichten Beton überschüttet. Ob sie lebendig begraben oder erwürgt wurde, das können die Ermittler noch nicht sagen. Fest steht nur: Madeleine ist erstickt.

Die Beschuldigten, der Stiefvater (47) und der Halbbruder (21) des Opfers, die sich eine Wohnung in Essen-Bochold teilen, sitzen seit Mittwoch in Untersuchungshaft. Laut Angaben der Polizei sind sie in verschiedenen Haftanstalten untergebracht. Der Kleingarten an der Levinstraße, in dem Madeleine vergraben wurde, gehört dem 47-Jährigen.

Möglicherweise hatte er seine Stieftochter jahrelang sexuell missbraucht: "Gegen den Stiefvater läuft ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen", erklärte Oberstaatsanwältin Birgit Jürgens am Mittwochabend. Später konkretisierte sie, diese Jugendliche sei Madeleine gewesen. Die Ermittler prüften also, ob der heute 47-Jährige seine Stieftochter missbrauchte, als diese zwischen 14 und 18 Jahre alt war. Vor etwa einem Jahr hatte sie ihren mutmaßlichen Peiniger angezeigt, floh vor ihm sogar in ein Frauenhaus.

Madeleines Stiefvater ist der Vater ihrer zweijährigen Tochter

Während dieser Ermittlungen zum Vorwurf des sexuellen Missbrauchs kam heraus, dass der Stiefvater der leibliche Vater der zweijährigen Tochter von Madeleine ist. Dies belege ein Vaterschaftstest, so Jürgens.

Warum aber ist es in dem Fall bisher nicht zu einer Anklage gegen den Stiefvater gekommen? Hätte Madeleine vor dem 47-Jährigen beschützt werden können? Das sind die Fragen, die sich auch unsere Leser auf Facebook stellen. Die Staatsanwaltschaft wollte sich zum Stand dieser Untersuchungen "aus ermittlungstaktischen Gründen" am Donnerstag nicht äußern. Denn: Gegen den Stiefvater, der seit Mittwoch in Untersuchungshaft sitzt, wird nun nicht nur wegen des Mordes an Madeleine ermittelt - auch das Missbrauchsverfahren läuft weiter. Ob beide Verfahren zusammengeführt werden, konnte Oberstaatsanwältin Jürgens noch nicht sagen.

In sechs Monaten muss die Staatsanwaltschaft die Akten zu dem Fall beim Oberlandesgericht vorlegen. Solange gilt die Frist für die Untersuchungshaft. "Wir hoffen aber, dass es schneller geht", sagt Jürgens und versichert: "Wir ermitteln weiter mit Hochdruck gegen die beiden Verdächtigen." Nicht aber gegen Madeleines Mutter, so die Staatsanwältin. Die Frau des 47-Jährigen werde nicht verdächtigt.

Hautproben sollen Aufschluss über Todesumstände geben

Seit Donnerstag untersuchen die Rechtsmediziner Hautproben des Opfers. Das Ziel: Herausfinden, ob Madeleine lebendig begraben wurde. Diese Untersuchungen können mehrere Wochen dauern, sagt Johannes Schäfers, Sprecher der Polizei Gelsenkirchen.

Die Details, die Staatsanwaltschaft und die Mordkommission "Kita" veröffentlichten, lassen auf eine komplizierte Situation in Madeleines Familie schließen: Nach der Missbrauchs-Anzeige und dem Aufenthalt im Frauenhaus wollte die inzwischen in Gelsenkirchen lebende Madeleine keinen Kontakt mehr zu ihrer in Essen wohnenden Familie. Vielmehr habe der Stiefvater versucht, Kontakt zu der 23-Jährigen aufzubauen, so Schäfers. Ein Treffen zwischen den beiden und dem 21-Jährigen sei zumindest für Madeleine "nicht selbstverständlich" gewesen.

Am 11. Februar hatte sie ihre zweijährige Tochter morgens in den Kindergarten gebracht. Wie die Polizei mittlerweile weiß, hat sich die Gelsenkirchenerin an jenem Dienstag mit Stiefvater und Halbbruder getroffen. Gemeinsam seien sie nach Essen gefahren. Als die junge Mutter ihre Tochter an diesem Tag nicht aus dem Kindergarten abholte, meldete der Lebensgefährte die 23-Jährige sofort als vermisst.