Männliche Models bei der New York Fashion Week | Bildquelle: AFP

Studiengang "Männlichkeit" in New York Wann ist ein Mann ein Mann?

Stand: 29.08.2015 12:05 Uhr

Männer sind für viele Frauen ein Buch mit sieben Siegeln - und offenbar auch für zahlreiche Männer. An der Universität Stony Brook in New York gibt es jetzt einen eigenen Studiengang - zu Männern und Männlichkeit.

Von Kai Clement, ARD-Hörfunkstudio New York

Der Soziologe Michael Kimmel sitzt an einem schwül-heißen Sommertag barfuß und in Shorts in seinem historischen Brownstone Gebäude in Brooklyn. "Wir", so sagt er, "sprechen nicht von Männlichkeit im Singular. Wir sprechen von Männlichkeiten im Plural. Um zu verstehen, dass Männlichkeit immer anders ausfällt – abhängig von Rasse, Alter, Region, Religion, Sexualität", so Kimmel.

Ein Master in Männlichkeit

Kimmel hat an der Universität Stony Brook, die zu New Yorks staatlichem Unisystem gehört, vor zwei Jahren ein eigenes Zentrum gegründet – für das Studium von Männern und Männlichkeiten. Spätestens in zwei bis drei Jahren möchte er auch einen Master-Abschluss auf dem Feld anbieten. Als ersten akademischen Abschluss dieser Art weltweit.

"Michael Kimmel ist einer der führenden Köpfe im Bereich der "Masculinity Studies", und es ist mein Eindruck, dass gerade hier und in den USA allgemein, dass der Fachbereich "Masculinity Studies" oder kritische Männerforschung allgemein einige Schritte weiter ist als in Deutschland", meint Max Gehrke.

Gehrke ist extra nach New York gekommen, um bei Kimmel seine Promotion machen zu können. "Das Zentrum", so sagt er, "biete vor allem einen interdisziplinären Querschnitt."

"Wir hatten Forscher, die zu schwarzen Männlichkeiten und Working Class Männlichkeiten hier im Raum New Jersey gearbeitet hatten", ergänzt Gehrke.

Jogger im Central Park von New York | Bildquelle: AFP
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Jogger im Central Park von New York

Was steckt in diesem Studiengang?

Männlichkeit und Kriminalität in Russland, männliche Privilegien an Eliteschulen, der Männlichkeitsstatus bei Doppelverdiener-Paaren – die Liste ist lang. Gerade erst war das Zentrum an der ersten Internationalen Fachkonferenz mit 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – darunter auch die Frauenorganisation der Vereinten Nationen -  im Roosevelt Hotel in New York beteiligt.

"Es wäre auch absolut möglich, unseren Abschluss innerhalb der Gender-Studien anzubieten – und sich dabei auf Männlichkeitsstudien zu spezialisieren", sagt Kimmel. "Aber ich glaube, ein spezielles Master Programm wird dem Gebiet mehr Gewicht verleihen – als einem sich entwickelnden Feld innerhalb der Gender-Studien."

Der künftige Master-Studiengang soll ein Jahr dauern. Er richte sich, so Kimmel, an Frauen wie Männer, an interessierte Soziologen oder andere Vorabschlüsse. Er könne als Fortbildung für Sozialarbeiter oder Lehrer dienen, als Online-Studium absolviert werden oder als Sommerschule für schon länger Berufstätige – etwa Mitarbeiter der Vereinten Nationen.

Mann im Central Park in New York | Bildquelle: REUTERS
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Mann im Central Park in New York

Wer braucht das?

"Skeptizismus einem noch relativ jungen Fach gegenüber? Natürlich gebe es den. "Ihr macht doch mehr Selbstbespiegelung als Forschung", heiße es dann etwa. Wer braucht das?" erlebt Kimmel immer wieder.

Cliff Leek studiert ebenfalls bei Kimmel. Er sagt: natürlich brauchen wir dieses Feld. Er habe schon lange auf dem Gebiet sexueller Gewaltprävention gearbeitet. Auch das sei ein zentrales Thema für die Männlichkeitsforscher. Zuletzt hat Vergewaltigung an Universitäten die Diskussion in den USA bestimmt. Extremwerte mancher US-Studien gehen davon aus, dass bis zu jede dritte Frau Opfer sexueller Gewalt an Universitäten wird.

Jogger im Central Park in New York | Bildquelle: REUTERS
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Mann am Strand von Coney Island, Brooklyn

"Wir haben geforscht, was einvernehmliche Sexualität eigentlich bedeutet", erläutert Leek. "Und wie man das neu ausrichten könnte: dass Männer nicht alles für ein Ja geben, sondern dass das Ziel ein enthusiastisches Ja wäre."

Die Bücher von Michael Kimmel heißen – frei übersetzt – das "Kerle-Land", "Die Geschichte der Männlichkeit" oder "Angry White Men", also wütende weiße Männer.

Es geht darum, dass Geschlecht ein Organisationsprinzip für Ungerechtigkeit ist – in jeder Gesellschaft.

New York plant weltweit ersten Masterstudiengang über "Männlichkeiten"
K. Clement, ARD New York
29.08.2015 10:53 Uhr

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