Gedenkbuch

Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945

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Die Abschiebung polnischer Juden aus dem Deutschen Reich 1938/1939 und ihre Überlieferung

Die Quellenlage bei der namentlichen Ermittlung der Betroffenen

Einen ersten Schritt zur namentlichen Ermittlung der Betroffenen hat das Bundesarchiv bereits während der Arbeit am Gedenkbuch und der Liste der ehemaligen jüdischen Einwohner des Deutschen Reiches 1933-1945 durch die Auswertung unterschiedlichster Quellen getan. Hierzu zählten vor allem die vielen verschiedenen Gedenkbücher für die Opfer der Massenvernichtung aus einzelnen Städten und Regionen oder Mitteilungen von Organisationen, anderen Archiven sowie von Privatpersonen, in denen sich Angaben zu Opfern der „Polenaktion“ finden ließen.

Eine der umfangreichsten Quellen, die besondere Aufmerksamkeit verlangte, ist die beim Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen aufbewahrte Namenliste mit Opfern der „Polenaktion“, die über Bentschen abgeschoben wurden.[2] In der Datenbank wurde ihr Schicksal im Feld Abschiebung mit dem Datum „28.10.1938“ und dem Zielort „Bentschen (Zbaszyn)“ angegeben, sofern durch ergänzende Quellen kein abweichendes Abschiebedatum ermittelt werden konnte.[3]

Für die anderen Grenzübergänge lagen keine vergleichbaren Quellen vor, da die polnischen Grenzbehörden vor Ort unterschiedlich agierten. Wurde in Bentschen der Versuch unternommen, die abgeschobenen Personen zu internieren und zu registrieren, konnten sie andernorts zumeist ungehindert weiterreisen, ohne namentlich erfasst zu werden. In der Datenbank findet sich das Schicksal derer, für die kein genauer Abschiebeort nachweisbar ist, mit dem allgemeinen Hinweis auf das Zielland „Polen“ im Feld Abschiebung wieder.

Anhand der verschiedenen genannten Quellen - neben der Bentschenliste vor allem Quellen mit regionalgeschichtlichem Hintergrund - konnte das Bundesarchiv inzwischen ca. 7.000 Personen ermitteln, die Ende Oktober 1938 von der Zwangsausweisung nach Polen betroffen waren.[4] Für ca. 4.800 von ihnen ließ sich der Ort Bentschen (Zbaszyn), der durch die weiteren Ereignisse in der Presse schon seinerzeit große Aufmerksamkeit erregte, als Grenzübergang nachweisen. Hier begann der Zustrom am Abend des 28. Oktobers 1938. Die deutsche Polizei trieb die Menschen über die Landstraßen oder entlang der Eisenbahngleise; später erreichten auch erste Züge den Grenzübergang. Zeitzeugen sprachen von chaotischen Zuständen. Mehrere tausend Menschen irrten im Niemandsland umher, drängten sich auf dem Bahngelände, hausten im Stationsgebäude oder auf nahe gelegenen Plätzen in der polnischen Grenzstadt Bentschen sowie auf den die Stadt umgebenden Wiesen. Dieses kam für die polnischen Behörden überraschend, so dass sie unter den gegebenen Umständen völlig überfordert waren.

Nachdem sich die polnischen Grenzposten darum bemüht hatten, die Ausgewiesenen zu registrieren bzw. ihre Pässe zu kontrollieren, konnten viele von ihnen innerhalb der ersten zwei Tage in das Landesinnere weiterreisen. Diejenigen allerdings, die nicht wussten wohin und denen man die Einreise verweigerte, wurden in Bentschen interniert.