Meldungen

Da waren’s nur noch zwei – zwei Standorte für einen neuen Münchner Konzertsaal sind noch im Rennen

Jetzt geht es doch rasch voran. Nach ursprünglich fünf Standortempfehlungen für einen neuen Münchner Konzertsaal, die ein Expertengutachten dem Freistaat Bayern vorgelegt hatte, reduzierte das bayerische Kabinett heute die Zahl auf zwei: die Paketposthalle in Laim und das Pfanni-Gelände am...

Mehr als 20 Stunden Programm: Donaueschinger Musiktage in SWR2

Vom 16. bis 18. Oktober 2015 zieht das weltweit größte Festival für Neue Musik, die Donaueschinger Musiktage, wieder die internationale Szene in den Schwarzwald. Auf dem Programm stehen 18 Uraufführungen, allesamt Auftragswerke des Südwestrundfunks. Die Veranstaltungen sind seit Wochen bereits...

Christian Gerhaher erhält Musikpreis des Heidelberger Frühling

Der deutsche Bariton Christian Gerhaher erhält den mit 10.000 Euro dotierten Musikpreis des „Heidelberger Frühling“ 2016. Das gleichnamige Musikfestival vergibt die Auszeichnung jährlich im Wechsel an Persönlichkeiten, die sich "substanziell und nachhaltig für die Vermittlung von klassischer...

"Kleine gemeinsame Ära": Petrenko verlängert in München trotz Berlin

Kirill Petrenko hat das Angebot des bayerischen Kunstministers Ludwig Spaenle angenommen und seinen Vertrag als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper München bis Ende August 2021 verlängert. Aufgrund der Verpflichtung als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker wird Petrenkos in seiner...

Dänischer Mädchenchor gewinnt Chorwettbewerb Let the Peoples Sing

Die Silver Rose Bowl, den Pokal des Internationalen Chorwettbewerbs „Let the Peoples sing“ der European Broadcasting Union (EBU), hat am Sonntag, 11. Oktober 2015, in München der der Mädchenchor „Aarhus Pigekor“ aus dem dänischen Aarhus gewonnen. Der Wettbewerb, der alle zwei Jahre von einer der...

Ticciati wird Chef des Deutschen Symphonie Orchesters Berlin

Robin Ticciati wird ab 2017 neuer Chefdirigent des Deutschen Symphonie Orchesters Berlin. Der Vertrag des 32jährigen Briten läuft über fünf Jahre. Der in London geborene Ticciati, der sich bereits mit 15 Jahren dem Dirigieren zuwandte, daneben als Geiger, Pianist und Schlagzeuger ausgebildet wurde,...

Sergey Dogadin gewinnt Joseph Joachim Violinwettbewerb

Den Ersten Preis beim 9. Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerb Hannover, dem höchstdotierten Violinwettbewerb der Welt, hat der russische Geiger Sergey Dogadin gewonnen. Er ist mit 50.000 € dotiert. Dogadin wurde 1988 in St. Petersburg geboren. Der zweite Preis in Höhe von 30.000 € ging...

Wer ist Richard Strauss? Das Strauss-Festival ringt ausgerechnet am Ort seiner Austragung Garmisch-Partenkirchen noch immer um Anerkennung

In die Begeisterung der Festvialleiterin Brigitte Fassbaenders für ihr Garmisch-Partenkirchner Strauss-Festival scheint sich mittlerweile auch ein wenig Trotz gemischt zu haben. Erstaunlich ist das nicht, angesichts des fortwährenden Kampfes, den die berühmte Sängerin alljährlich um die...

Maren Hofmeister wird künstlerische Leiterin der Stiftung Mozarteum Salzburg

Maren Hofmeister, Intendantin der Arenaria GmbH, Produzentin der Oper im Steinbruch St. Margarethen und Direktorin für Musik und Kultur der Esterházy Privatstiftung Eisenstadt, wird ab 15. April 2016 neue künstlerische Leiterin der Stiftung Mozarteum. Ab 2018 übernimmt sie die Intendanz der...

Jossi Wieler beendet 2018 Stuttgarter Intendanz

Der Regisseur und Theaterleiter Jossi Wieler will seinen Intendantenvertrag nicht über 2018 hinaus verlängern. Das teilte der Schweizer Theatermacher der baden-württemberigischen Kunstministerin Theresia Bauer und Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit. Beide bedauern Wielers Entscheidung laut...

Mannheim und Frankfurt sind Opernhäuser des Jahres, Petrenko ist wieder Dirigent des Jahres

In der alljährlichen Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt wurden die Opernhäuser in Frankfurt und Mannheim zu Opernhäusern des Jahres gewählt. "Es werden damit zwei Häuser gewürdigt, die sich durch eine von ihren Intendanten Bernd Loebe und Klaus-Peter Kehr über Jahre hin konsequent...

Die Basel Sinfonietta feiert 35jähriges Bestehen - und wird von Kürzungen bedroht

Die Basel Sinfonietta, eines der renommiertesten Orchester mit Schwerpunkt Neue und experimentelle Musik, feiert in diesem Jahr ihr 35jähriges Bestehen. Kaum ein anderes Orchester in der Schweiz hat sich so klar positioniert und ist international so profiliert wie das 1980 gegründete Ensemble für...

Orchester von La Monnaie fusioniert mit Belgischem Nationalorchester

Das Orchester des Opernhauses La Monnaie in Brüssel soll mit dem Belgischen Nationalorchester fusionieren. Das plant das belgische Kulturministerium nach Zeitungsberichten um Kosten zu sparen. Für die Fusion ist zumindest ein langer Zeitrahmen gewählt worden - von 2016 bis 2026. Offensichtlich ist...

Clemens Schuldt wird neuer Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters

Mit großer Mehrheit haben die Musiker Münchener Kammerorchesters den erst 32-jährigen Clemens Schuldt zum neuen Leiter des Ensembles gewählt. Der ehemalige Stipendiat des Dirigentenforums wird mit Beginn der Spielzeit 2016/17 seine neue Position in München als Nachfolger von Alexander Liebreich...

Preisträger des 64. Internationalen Musikwettbewerbs der ARD

Die letzten Preisträger des 64. Internationalen Musikwettbewerbs der ARD stehen fest: Beim Finale im Fach Flöte im Münchner Herkulessaal errang Sébastian Jacot (28) aus der Schweiz den ersten Preis. Der Spanier Francisco López Martín (28) wurde mit dem zweiten Preis und dem Publikumspreis...

Jakub Hrůša wird neuer Chefdirigent der Bamberger Symphoniker

Jakub Hrůša wird ab Sommer 2016 die musikalische Verantwortung für die Bamberger Symphoniker übernehmen. Jakub Hrůša wird der fünfte Chefdirigent in der Geschichte der Bamberger Symphoniker sein. Die  Bamberger Symphoniker sind heute mit prägenden Künstlerpersönlichkeiten wie Joseph Keilberth,...

Der ARD-Musikwettbewerb startet Ende August

Zum 64. Mal treffen sich vom 31. August bis zum 18. September 2015 Nachwuchskünstler aus allen Teilen der Welt zum Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München. In diesem Jahr wird er in den Fächern Posaune, Flöte, Gesang und Klavierduo ausgetragen. Insgesamt gab es 625 Bewerbungen aus 56...

Musiker der Salzburger Festspiele protestieren gegen FPÖ-Chef

Mit einer spontanen musikalischen Protestaktion reagierten die Musiker der Salzburger „Jedermann“-Aufführung am vergangenen Dienstag (18. August), als sie den Chef der rechtspopulistischen österreichischen Partei FPÖ Heinz-Christian Strache samt Entourage im Publikum entdeckten. In der...

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Ein achtsam gebautes statisches Gebilde

Markus Hinterhäuser Foto: Silvia Lelli

Gespräch mit dem Konzertchef der Salzburger Festspiele Markus Hinterhäuser

(Salzburg, im Juli 2008) Markus Hinterhäuser ist seit vergangenem Jahr Konzertchef der Salzburger Festspiele. Das ist eine etwas seltsame Berufsbezeichnung, heißen die Verantwortlichen des luxuriösesten Kulturfestivals der Welt doch "Direktoren". Davon darf es laut Satzung, neben dem Intendanten, nur zwei geben. Deren Positionen sind besetzt vom Schauspieldirektor Thomas Oberender und vom Finanzdirektor Gerbert Schweighofer. Weil Intendant Jürgen Flimm aber auch dem Konzertprogramm ein scharfes Profil geben wollte, schuf er, in Abstimmung mit der Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und dem Kuratorium der Salzburger Festspiele die Position des "Konzertchefs". Und besetzte sie mit jenem Mann, der schon seit Jahren für eine leitende Funktion bei den Salzburger Festspielen im Gespräch war: dem Pianisten und Festivalleiter Markus Hinterhäuser.
Es war eine Wahl, die Eindruck machte. Denn Hinterhäuser, 1958 als Sohn eines Literaturprofessors in La Spezia geboren, ist ein Mensch, der durchaus eigene Vorstellungen hat, sich aber nie in den Vordergrund drängt. Mehr noch als Solist (und wer ihn einmal Schubert oder Beethoven hat spielen hören, der weiß um seinen Rang!) hat er sich als Liedpianist profiliert, war Brigitte Fassbaender ein hochgeschätzter Musizierpartner. Bevor Hinterhäuser ein Konzert gab, auf das er sich nicht hunderprozentig vorbereitet fühlte, sagte er es lieber ab und nahm den Groll der Veranstalter und seines Publikums in Kauf. Am liebsten spielt er Musik der Gegenwart und von dieser auch nur jene, der er ein ganz besonderes Gewicht beimisst, etwa jener von John Cage, Morton Feldman oder Galina Ustwolskaja. Und dieser ebenso nachdenklich-sensible wie in seinem Urteil kompromisslose Künstler stürzt sich nun also in die Aufgabe, das Konzertprogramm jenes Festivals zu gestalten, das wie kein anderes mit der Welt der Prominenz und Hochfinanz, mit Glanz und Glamour verbunden ist.
Hinterhäuser weiß worauf er sich einlässt. Von 1993 bis 2001 leitete er zusammen mit Tomas Zierhofer-Kin das Festival "Zeitfluss" innerhalb der Salzburger Festspiele. Dieses von den beiden gegründete Festival war eine Insel der Moderne und des Zeitgenössischen, ein Ort für vorurteilsfreie Begegnungen der verschiedensten Musikwelten. Hinterhäuser weiß sehr genau, was gewünscht wird bei den Salzburger Festspielen und was dort machbar ist; er weiß, dass das Unbekannte, Neue, Ungewohnte in Salzburg nur reüssieren kann, wenn das Erwartete und Bekannte Erfolg hat, sowohl künstlerisch als auch finanziell. Musikmanager, die, wie Hinterhäuser, kraftvolle, konkrete Visionen haben und ihnen gleichzeitig höchst pragmatisch und phantasievoll die Wege ebnen können, gibt es nur wenige in der Musikwelt.
(Laszlo Molnar)

Wie er Vision und Realität vereint, darüber äußert er sich im Gespräch mit KlassikInfo: 

Klassikinfo: Mit dem "Zeitfluss"-Festival haben Sie ein Festival im Festival mit ausschließlich zeitgenössischer Musik organisiert. Jetzt sind Sie Teil des großen Apparates, Teil des Establishments, wenn man es plakativ formulieren will. Was hat Sie an der Aufgabe gereizt?

Markus Hinterhäuser: Das "Zeitfluss"-Festival, war natürlich ein Festival mit einer ganz bestimmten programmatischen und thematischen Ausrichtung. Es war zwar Bestandteil der Festspiele, gleichzeitig waren wir in einer komfortablen Außensituation, die uns natürlich auch eine andere Form der Kommunikation ermöglich hat. Und jetzt bin ich drin. Aber ich würde das nicht so, wie soll ich sagen, nicht so eng mit Begriffen wir Establishment oder so sehen, das interessiert mich auch gar nicht. Ich bin gefragt worden, diese Aufgabe zu übernehmen und ich gebe zu, dass ich nicht sehr lange überlegt habe, bevor ich ja gesagt habe. Das ist eine Möglichkeit für mich, die natürlich ganz außerordentlich ist und die auch gar nicht so weit von dem entfernt ist, was ich bis jetzt gemacht habe.

Also es geht mir um ein Feld, das ich gedanklich oder programmatisch bearbeiten kann und dieses Feld heißt Musik. Musik ist etwas, was mich vital interessiert und da ist es mir dann in weiterer Konsequenz nicht so wesentlich, ob es jetzt ausschließlich um das geht, was man immer noch, und das ist ein Begriff, der mir alles andere als sympathisch ist, immer noch als "Neue Musik" bezeichnet, oder ob es Romantik ist, ob es die Zeit der Klassik ist oder die der Barockmusik. Es ist eine Möglichkeit für mich, mit Dingen umzugehen und in weiterer Folge mit Menschen, denen ich das anbiete, die mich interessiert, und bei der ich für mich und hoffentlich auch fürs Publikum in der Zusammenstellung und Gegenüberstellung von Dingen Entdeckungen machen kann, bei der ich hoffentlich eine Situation mit verantworten kann, die reflexiv ist, wo man zuhört, wo es um etwas geht, wo es, wie ich am Anfang gesagt habe, um Musik geht. So einfach klingt das und so schwierig ist es manchmal, das zu machen.

Wie schwer ist es, Musiker, Sänger, Dirigenten, Orchesterleiter, Manager, Intendanten von thematischen und programmatischen Ideen zu überzeugen oder dafür zu begeistern, sie vielleicht selbst dazu zu bringen, dass sie in der Weise Ideen entwickeln. Wie sind da Ihre Erfahrungen in der Vorbereitung des laufenden Festivals oder auch für die kommende Zeit?

Ich habe im Februar 2005 das Angebot bekommen, das zu machen. Und ich habe die darauf folgenden Monate sehr intensiv damit verbracht, jene Menschen kennen zu lernen, die mich für die Salzburger Festspiele interessieren und die in den nächsten Jahren auch eine große Bedeutung innerhalb des Programms der Salzburger Festspiele haben werden. Ich bekomme jeden Tag tonnenweise Angebote. Das kann man sich nicht vorstellen. Es gibt kaum eine Agentur, kaum eine Künstlervertretung in der Welt, die sich nicht an die Salzburger Festspiele wenden würde mit Angeboten. Jetzt kommt ein grundlegender Gedanke, was für eine Berechtigung haben Festspiele, was sind Festspiele. Ich habe das schon verschiedentlich in den letzten Wochen gesagt: Für mich ist es natürlich ganz wesentlich, dass Festspiele eine Form von Exklusivität haben. Exklusivität im Zusammenhang mit den Salzburger Festspielen. Da ist der erste Gedanke, das ist so teuer, das kann sich kein Mensch leisten. Das ist eine Form der Exklusivität, die mich natürlich überhaupt nicht interessiert, aber exklusiv sein in dem Sinne, dass man hier Dinge stattfinden lässt, die man für Salzburg, für die Festspiele erdacht hat, programmatisch, oder Künstler betreffend, die möglicherweise hier zum ersten Mal zusammentreffen, hier zum ersten Mal etwas erarbeiten, das ist eine Form von Exklusivität, die ich richtig finde, die ich wesentlich finde und ganz intensiv verfolge.
Es gibt da aber natürlich auch Momente, wo man nicht recht weiterkommt. Das betrifft nicht mal so sehr die Künstler, als die Agenturen und Großagenturen, die die betreffenden Damen und Herren vertreten, die glauben, dass Salzburg dazu da ist - jetzt drück ich's etwas flapsig aus - um die große Nummer stattfinden zu lassen, sprich, Konzert mit den Wiener Philharmonikern oder großer Soloabend, da bedarf es einer ziemlichen Überzeugungs- oder Verführungskraft, um zu sagen, das stimmt so nicht. Salzburg, wenn dort etwas stattfindet, was sehr spezifisch für hier erdacht ist, ist in der Lage, einen ganz anderen Focus, eine ganz andere Beleuchtung auf bestimmte Künstler vorzunehmen. Da bin ich manchmal an Grenzen gestoßen. Ich versuche trotzdem, so etwas herzustellen. Wenn man das Programm 2007 liest, wird man auch sehen, dass es erstaunlich viele
programmatische und personelle Zusammenkünfte gibt, die so noch nicht stattgefunden haben. Das betrifft den überwiegenden Teil der Kammermusik, wo es eine Serie gibt, die ich Schumann-Szenen genannt habe. Das betrifft den ganzen Komplex, den ich Giacinto Scelsi gewidmet und "Kontinent Scelsi" genannt habe, wo man wirklich nichts findet, was es an Agentur-Angeboten gibt. Das sind für Salzburg erdachte Dinge mit einem für mich wunderbaren Abschluss - ebenfalls für Salzburg erdacht - ein Theaterprojekt mit Musik von Scelsi, um die Figur Scelsi herum, von Christoph Marthaler. Das sind alles Dinge, die exklusiv sind und wo ich glücklich bin, dass das möglich ist.

In wie weit haben Sie Ideen von "Zeitfluss" mit integriert, oder ist das jetzt etwas völlig anderes?

Würde ich den Versuch machen, "Zeifluss" zu wiederholen, würde ich einen großen Fehler machen, glaube ich. Ich habe natürlich Erfahrungen gemacht in diesen Jahren und habe versucht, gewisse Erfahrungen in meine jetzige Situation, um das Wort Position zu vermeiden, herüber zu retten oder herüber zu transferieren. "Zeitfluss" war eine wunderbare Erfahrung und eine wunderbare Zeit für mich, aber das hat auch ein Ablaufdatum. Ich kann mich sehr gut erinnern an die erste Programmpressekonferenz mit der damaligen neuen Leitung der Festspiele, Peter Ruzicka, der auf der Pressekonferenz nach dem Fortbestand der Zukunft von "Zeitfluss" befragt wurde. Ich saß dort und es wurde nicht nur der Presse, sondern auch mir mitgeteilt, dass Zeitfluss nicht mehr stattfinden wird. Das war damals sehr schmerzlich. Im Nachhinein bin ich Peter Ruzicka unendlich dankbar dafür. Ich verstehe das auch. Mir hat das eine Möglichkeit gegeben, ein paar Jahre durchzuatmen, es ist ja auch nicht so, dass ich mein Leben strategisch darauf ausgerichtet hätte, in so einem Bereich wie der Salzburger Festspiele mitzuarbeiten. Um noch mal auf Ihre Frage zurückzukommen, die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, spielen eine Rolle, für das, was ich jetzt mache, aber ich bin in einer anderen Situation jetzt und habe auch andere Parameter, die ich berücksichtigen muss und andere Vorgaben, auch andere Zwänge. Diese Tätigkeit an exponierter Stelle ist natürlich mit einem großen zeitlichen Aufwand verbunden.

Sie sind ja selbst agierender Musiker, ist das jetzt ein Feld, das jetzt pausieren muss?

Also im Moment pausiert das. Und jetzt, da die Festspiele begonnen haben, ist auch mein Kopf nicht frei, ich habe nicht so eine Kapazität, dass ich so unendlich viel unterbringen könnte. Es gibt ja einen, der zentralen Gestalten dieses Sommers, Daniel Barenboim, der hat eine Möglichkeit, der Unterbringung von Dingen, die habe ich nicht, und ich kann, oder ich muss und möchte mich jetzt auf das konzentrieren, was mir in den nächsten fünf Wochen so bevorsteht. Ja, es hat sich verändert. Ich habe in den letzten Monaten schon den einen oder anderen Ausflug in mein früheres Leben gemacht, das war auch schön, das war eigentlich schöner als damals, als ich es ausschließlich gemacht habe. Ich kann nicht sagen, dass mir das leicht fällt, darauf zu verzichten, aber im Moment ist so viel zu tun für mich, dass ich Gott sei Dank nicht so viel daran denken muss.

Wie lange soll die Tätigkeit in Salzburg dauern?

Mein Vertrag bei den Salzburger Festspielen geht bis 2011, das heißt, es sind fünf Saisons, die ich mit gestalte.

Diese Inseln mit Porträtkonzerten, wie Scelsi jetzt, werden die fortgesetzt?

Ja, die werden fortgesetzt. Hier sind natürlich die Erfahrungen von "Zeitfluss" sehr wichtig, um eine Serie mit einer deutlichen Gewichtung zu installieren, eine Serie, die ich Kontinente nenne.
Ein Kontinent will ja betreten, erfahren und erforscht werden. Ich möchte keine Retrospektiven, keine Werkschau eines Komponisten hier stattfinden lassen, das ginge auch gar nicht, sondern ich möchte eine zentrale Figur haben und um diese zentrale Figur werden dann hoffentlich richtige und nachvollziehbare andere Planeten kreisen. Und der erste Kontinent ist Giacinto Scelsi gewidmet, das heißt aber nicht, dass es ausschließlich Musik von Scelsi zu hören gibt, es gibt die französischen Spektralisten, Gérard Grisey, es gibt Tristan Murail, es gibt James Tenney, Georg Friedrich Haas - ich habe also eine ganze Reihe von Verwebungen und Vernetzungen versucht.
Im nächsten Jahr wird der Kontinent auch einem italienischen Komponisten gewidmet sein, Salvatore Sciarrino, und den Dingen, die ich dafür richtig finde und im dritten Jahr ist es Iannis Xenakis. Also drei Figuren, die ich irgendwo auch als eine Art Trilogie erkenne, weil es völlig antiakademische Figuren sind. Scelsi sowieso, das ist ja immer noch ein akademisches Problem, wie Scelsi komponiert hat, das Selbstverständnis von Scelsi als Komponist ist tatsächlich ein Problem. Ich habe letzten Sommer Wolfgang Rihm, der ja nun wirklich ein offener Geist ist und alles andere als eingeschränkt in seiner Weltsicht, ich habe ihn letzten Sommer gefragt, ob er bereit wäre, einen Text über Scelsi zu schreiben
für das Programmbuch und er hat mir ziemlich wortwörtlich geantwortet: „Weißt Du, ich würde mir wünschen, einige dieser Stücke geschrieben zu haben, einige dieser Orchesterstücke, aber ich kann über ihn nichts schreiben, weil ich nicht weiß, wer der Urheber dieser Musik ist. Ich weiß nicht, wo der Autor ist. Es ist ein Problem, das ich nicht bewältige." Also Scelsi, der sich ja als eine Art Medium bezeichnet hat, ist eine zutiefst antiakademische, bizarre Erscheinung.
Sciarrino ist jemand, der sich als Autodidakt bezeichnete, der auch keiner Schule oder Richtung zuzuordnen ist und Xenakis als Abschluss dieser Trilogie ist auch jemand, der eigentlich aus der Architektur kommt, als Mitarbeiter von Le Corbusier, der über ganz andere Wege und ganz andere Phantasien in die Musik eingedrungen ist und ungeheure Partituren geschrieben hat.
Also mich interessieren diese drei Figuren sehr für diese ersten drei Kontinente.

Wie sind die bisherigen Reaktionen, wie schwer war es, diese Programmatik hier einzubringen. Gab es Widerstände zu überwinden oder konnten Sie durchmarschieren?

Es gab überhaupt keine Widerstände, ich konnte da durchmarschieren. Was im Sommer hier stattfindet, ist außerordentlich viel, es sind ungefähr 220.000 Karten, die hier angeboten werden. Das heißt, dass sich da natürlich ein sehr achtsam gebautes statisches Gebilde manifestiert. Da müssen viele Parameter beachtet werden, das darf nicht in ein Ungleichgewicht fallen. Wenn diese Parameter beachtet werden, ist es überhaupt kein Problem, so etwas wie die Kontinente zu veranstalten, also ich bin auf überhaupt keinen Widerstand gestoßen, nicht einmal im Ansatz.

So lange der Mozart-Anteil hoch genug ist…

Der Mozart-Anteil ist in diesem Sommer absolut überschaubar. Es gibt im ganzen Konzertprogramm außer den Mozart-Matineen zwei Stücke von Mozart, das ist quasi eine Diät, die wir uns nach dem Jahr 2006 verordnet haben, in dem es nur Mozart gab.
Nein, aber man muss auch wirklich einmal von diesen Klischees wegkommen. Salzburg hat sich ungeheuer verändert. Es ist eine unendlich viel größere musikalische Landschaft, die wir hier anbieten, es gibt seit 1991, seit Mortier und Landesmann hier tätig waren Spielstätten, die es vorher nicht gab, es gibt eine ungeheure Erweiterung der musikalischen Grammatik, wenn ich das so sagen darf, und es gibt, um auf das
zurückzukommen, was ich eben gesagt habe, 220.000 Karten, das heißt, man kann davon ausgehen, dass es sehr verschiedene Publika gibt, die hierher kommen, Menschen, die sich für Kammermusik interessieren, für Neuere Musik. Man muss da auch programmatisch sehr sorgfältig, sehr geschickt sein, um diese Statik herzustellen. Aber insgesamt hat sich in Salzburg, von dem, was es hier an Möglichkeiten gibt, musikalische Erfahrungen zu machen, sehr viel geändert, und sehr viel zum Guten geändert.

Stichwort Uraufführungen: Sie haben ja hier auch die Möglichkeit, Auftragskompositionen in großem Umfang und für durchaus große Besetzungen zu vergeben. Gibt es da schon irgendwelche Pläne, irgendwelche Richtungen, die Sie gerne umsetzen möchten?

Es gibt keine ganz konkreten Pläne. Es gibt Überlegungen, aber es ist grundsätzlich dazu zu sagen, dass es unfassbar viel Material gibt, das nie gespielt wird, auch von Komponisten unserer Zeit, die für uns wichtig sind. Ich mache keinen Fetisch aus Uraufführungen. Ich habe keinen statistischen Ehrgeiz, dass ich am Ende der fünf Jahre so und soviel Uraufführungen gemacht habe. Ich sträube mich auch nicht dagegen, aber das Schicksal von Uraufführungen ist meistens das, dass sie unter in vielerlei Hinsicht größter Anstrengung geboren werden und dann verschwinden. Ich höre sehr viel Musik, ich versuche mich sehr auf dem Laufenden zu halten und ich entdecke immer wieder wunderbare Dinge, die man nie hört. Es wird sicher auch Uraufführungen geben, aber grundsätzlich interessiert es mich mehr, Dinge am Leben zu halten, Dinge hörbar zu machen, Dinge stattfinden zu lassen, als mit dieser ungeheuren Anstrengungen, ein 10-Minuten-Orchesterstück in Auftrag zu geben. Entschuldigung, das läuft doch immer gleich ab, da sind 2200 Leute im großen Festspielhaus, und wenn ich jetzt ganz polemisch bin, kennt man die Leute, die es interessiert, persönlich, und der Rest lässt es halt über sich ergehen und freut sich, wenn was anderes kommt. Ich glaube, da muss man vielleicht auch anfangen, anders darüber nachzudenken und anders damit umzugehen. Ich glaube, es nützt in letzter Konsequenz mehr dem Ehrgeiz des Intendanten oder dem Konzertverantwortlichen als der Musik selbst, die da gemacht wird.
Wie gesagt, statistisch habe ich keinen Ehrgeiz, ich habe einen inhaltlichen Anspruch.

Es geht Ihnen also mehr darum, Bezugspunkte und Verknüpfungen zu schaffen, um damit der Neuen Musik, die wir immer noch so nennen müssen, oder der aktuellen Musik oder der jüngeren Musik vielleicht mehr Bewusstsein in der Hörerschaft zu verschaffen, als Teil unseres kulturellen Erinnerungsvermögens?

Ja, und im Grunde genommen möchte ich mich auch nicht ständig rechtfertigen müssen, warum ich Musik stattfinden lasse, oder Musik nicht stattfinden lasse, die Sie eben völlig richtig als jüngere Musik bezeichnet haben. Also in der Musik sind viele Leute und das betrifft Publikum als auch Kritiker immer wieder überrascht, also positiv wie negativ, wenn ein Stück vorkommt, das man immer noch als neu bezeichnet, das ein Leben hinter sich hat, das in den 50er Jahren geschrieben wurde. Ich will dafür weder gelobt noch getadelt werden. Es es ist für mich genauso selbstverständlich, das zu programmieren, wie Mahler oder Schumann oder Schubert. Ich kann mich damit nicht aufhalten, ich will mich damit auch nicht aufhalten.
Diese Kontinent-Reihe, die ich vorher versucht habe zu beschreiben, ist etwas völlig anderes, da geht es thematisch um etwas, aber wenn man das Programm dieses Sommers als solches ansieht, dann findet man völlig selbstverständlich Holliger und Crumb und Ligeti
und Kurtág und Saariaho. Ich kann mich ja nicht nur nach vermeintlichen Quoten richten, ich kann nicht mein Dasein damit begründen, dass ich Konzerte als Party-Service anbiete, das werde ich sicher nicht tun.

Wobei die Party natürlich trotzdem stattfindet...

Das ist ja schön. Das ist ja auch in Ordnung. Ich meine, ich bin sehr dafür, dass man zusammenkommt und feiert, ob man das jetzt Party nennt, ist etwas anderes, aber ich würde mich weigern, das als eine Aufgabe der Salzburger Festspiele zu bezeichnen, dass man Touristenkonzerte veranstaltet. Es muss irgendwo Reflexions-Zonen geben. Das möchte ich schon. Und auf der anderen Seite sind Festspiele auch dazu da, dass Menschen, die hier sind, Freude haben. Und ich bin nicht als Türsteher hier engagiert. Ich freue mich, wenn Menschen kommen und etwas finden, was ihren Wünschen entspricht. Und das finden sie auch hier.

Interview: Robert Jungwirth