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„Stolperstein“ zum Gedenken an Amalie Bodenheimer verlegt

Dienstag, 17. April 2012

Neckarsulmer Schülerinnen setzen Zeichen gegen das Vergessen

Verlegung des Stolpersteins in der Wilhelmstraße

In der Wilhelmstraße 14 in Neckarsulm „stolpern“ Passanten künftig über das Schicksal der Neckarsulmer Jüdin Amalie Bodenheimer. Die 1875 in Neckarsulm geborene Wirtschafterin wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 29. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Am Ort ihres letzten frei gewählten Wohnsitzes erinnert jetzt ein „Stolperstein“ an Amalie Bodenheimer, die wie Millionen andere Menschen in ganz Europa dem Nationalsozialismus zum Opfer fiel. Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig, der seit 1996 mit seinem Projekt „Stolpersteine“ die Erinnerung an alle Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wach hält, verlegte eigenhändig den ersten Stolperstein in Neckarsulm. Die Initiative, die 96 mal 96 Millimeter große Gedenktafel aus Messing zum Gedenken an Amalie Bodenheimer in den Gehweg einzusetzen, ging von fünf Schülerinnen der Hermann-Greiner-Realschule Neckarsulm aus.

Annalena Krämer, Sofie Wendt und Lea Debusmann nahmen an der kleinen Zeremonie teil und berichteten über ihre Projektarbeit „Jüdisches Leben im Raum Neckarsulm“. Dieses Thema hatten die Schülerinnen zusammen mit ihren Klassenkameradinnen Sophia Roeger und Aileen Schürle, die derzeit ein Auslandsjahr in den USA verbringen, selbst ausgewählt. Mit diesem Prüfungsthema bestanden sie im Schuljahr 2010/2011 bei ihrem Klassenlehrer Uwe Schietinger die Abschlussprüfung im Fach „Fächerübergreifende Kompetenzprüfung“. Bei ihren Recherchearbeiten begaben sich die Schülerinnen auf die Spur des jüdischen Lebens in Neckarsulm.

Wie Annalena Krämer berichtete, lebten vor dem Zweiten Weltkrieg in Neckarsulm 13 Juden, die zum Teil als geachtete Geschäftsleute ein bürgerliches Leben führten. „Das jüdische Leben in Neckarsulm wurde systematisch vernichtet“, stellte Annalena Krämer fest. Als die Schülerinnen herausfanden, dass auch Amalie Bodenheimer zu den Opfern gehörte und zuletzt in der Wilhelmstraße 14 wohnte, initiierten sie den Stolperstein. „Wir wollten nicht nur eine trockene Prüfung abhalten, sondern in unserer Heimatstadt etwas bewegen“, betonte Annalena Krämer. So verstehen die Initiatorinnen die Aktion auch als Mahnung gegen das Vergessen und Anstoß zum Nachdenken. „Rechtsradikales Gedankengut muss bekämpft werden“, unterstrich Sofie Wendt.

„Stolpersteine“ erinnern europaweit an Opfer des Nationalsozialismus
Die in den Gehweg eingelassenen Zeichen der Mahnung gibt es inzwischen in zehn europäischen Ländern. Bislang wurden europaweit insgesamt mehr als 34.000 Stolpersteine verlegt. Nach Angaben von Gunter Demnig ist Neckarsulm die 734. Kommune in Deutschland, in der ein Stolperstein an Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Die ersten 50 Stolpersteine habe er noch „illegal“ verlegt, berichtete Gunter Demnig. Seit dem Jahr 2000 finde die Aktion im offiziellen Rahmen statt. Auch in Neckarsulm wurde der Bildhauer von der Stadt uneingeschränkt unterstützt. So hatte der städtische Bauhof die Öffnung im Gehweg vorbereitet, damit Gunter Demnig den Stein mit der gravierten Messingplatte einsetzen konnte. „Es ist sehr wichtig, dass sich gerade die junge Generation mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte auseinandersetzt“, erklärte Oberbürgermeister Joachim Scholz. „Mit ihrem vorbildlichen Engagement haben die Schülerinnen ein bleibendes Zeichen für Menschlichkeit, Mitgefühl und Toleranz gesetzt.“   

Auch die Eigentümerin des Hauses Wilhelmstraße 14, Magdalena Scherf, begrüßte die Aktion. Amalie Bodenheimer wohnte im ersten Stock des Hauses zur Miete. Von der Vermieterin, Magdalenas Mutter Hilde, wurde die ledige ältere Dame stets „Fräulein Malchen“ genannt. „Die beiden sind gut miteinander ausgekommen“, wusste Magdalena Scherf aus Erzählungen ihrer Mutter zu berichten. Dass es sich bei dem „Fräulein Malchen“ um Amalie Bodenheimer gehandelt hat, erfuhr Magdalena Scherf erst 2008, als das Buch „Die Neckarsulmer Juden. Eine Minderheit im geschichtlichen Wandel 1298-1945“ von Ansbert Baumann erschien und im „Journal der Stadt Neckarsulm“ vorgestellt wurde. Dass sich jetzt Neckarsulmer Schülerinnen mit dem Schicksal der früheren Mieterin in ihrem Elternhaus beschäftigt haben, findet auch bei Magdalena Scherf größte Anerkennung: „Das ist aller Ehren wert.“ (snp)

 

Kategorie: Sonstiges