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Donnerstag, 22.08.2013

Detektive im Dienste der Kunst

Seit Jahren durchforsten Fachleute die Archive der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Ihre Erkenntnisse füllen eine in Europa einmalige Museumsdatenbank. „Daphne“ hat gewichtige Hintergründe.

Von Simona Block, dpa

Der Leiter der Provenienzforschung, Gilbert Lupfer, schaut in der Bibliothek der Staatlichen Kunstsammlung im Residenzschloss in Dresden in ein Buch.
Der Leiter der Provenienzforschung, Gilbert Lupfer, schaut in der Bibliothek der Staatlichen Kunstsammlung im Residenzschloss in Dresden in ein Buch.

© dpa

Dresden. Eine Kunsthistorikerin sitzt am Schreibtisch unterm Dach im Dresdner Residenzschloss. Vor ihr im Computer ploppt „Daphne“ auf. In der europaweit einzigartigen Museumsdatenbank trägt sie ein, was sie gerade im Archiv recherchiert hat über ein Stück im Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD). „Ich schaue, was bei uns schon abgelegt ist, was im Inventarbuch und auf den Objekten steht wie historische Zeichen, Stempel oder Markierungen“, erklärt sie.

Jedes in „Daphne“ verzeichnete Kunstwerk ist mit Titel, Standort, Inventarnummer und wissenschaftlicher Bearbeitung versehen. Die Datenbank ist bisher nur für Wissenschaftler zugänglich, die wichtigsten Angaben aber werden als online collection nach und nach auch auf der SKD-Homepage eingestellt. In dem seit 2008 laufenden, nach der Nymphe aus der griechischen Mythologie benannten Projekt klärt der Museumsverbund die Herkunft der Erwerbungen seit 1933 - und erfasst den Bestand seiner 14 Sammlungen elektronisch. Der Freistaat stellte bis 2023 zehn Millionen Euro in Aussicht.

Deutschland hatte sich mit Unterzeichnung der „Washingtoner Erklärung“ zur Herausgabe von Kunstobjekten verpflichtet, die von den Nazis beschlagnahmt wurden. „Bei vielen Zugängen besteht grundsätzlich die Möglichkeit eines verfolgungsbedingten Entzugs“, sagt Projektleiter Gilbert Lupfer. Gemeint sind Zwangsverkäufe, Enteignungen jüdischer Bürger im Nationalsozialismus, aber auch Objekte, die nach 1945 teils unter fragwürdigen Umständen in Museen gelangten - aus Adelsbesitz oder von DDR-Republikflüchtlingen.

Daphne ist einzigartig

Bei der Recherche helfen Inventare, Rechnungen, Auktionskataloge, Aufkleber, Transportbelege oder Signaturen. Zwischen einer halben Million und 600.000 Stücke umfasst „Daphne“ bereits - rund die Hälfte des Bestandes der elf Kunstmuseen und etwa ein Drittel des Gesamtbestandes inklusive der Völkerkundemuseen. Dank „Daphne“ und früherer Recherchen wurden auch schon etwa 250 Stücke sogenannter NS-Raubkunst aus jüdischem Besitz entdeckt und teils zurückgegeben oder angekauft. 29 Objekte haben die SKD als „Fundmeldungen“ bei der deutschen Datenbank zur Dokumentation von Raub- und Beutekunst Lost Art eingestellt - Zeichnungen von Mengs und Corinth, kleine Gemälde von Cranach und Spitzweg oder Porzellane der Sammlung von Victor Klemperer.

„Daphne“ ist aus Sicht der Arbeitsstelle für Provenienzforschung (AfP) in Berlin einzigartig - wegen des komplexen und umfangreichen Untersuchungsbestandes. Bundesweit betreiben aber auch viele andere Museen, oft projektbezogen und vom Bund gefördert, derartige Recherchen, sagt die Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes, Anja Schaluschke. „Die Erforschung der Bestände ist ein essentieller und unverzichtbarer Bestandteil der Museumsarbeit.“ Wie viele Kunstwerke in Deutschland am „falschen“ Ort sind und bereits wieder am „richtigen“ Platz, weiß aber auch die AfP nicht verbindlich.

„Tatsächlich finden auch auf Wunsch von Erben eine Vielzahl stummer Restitutionen außerhalb der Öffentlichkeit statt“, sagt AfP-Mitarbeiterin Nina Kubowitsch. Die bei den Staatlichen Museen zu Berlin angesiedelte Stelle förderte seit 2008 bundesweit 110 Projekte in 90 Einrichtungen von großen Kunstsammlungen bis zum Stadtmuseum - mit rund 6,85 Millionen Euro. „Daphne“ gilt auch als Modellprojekt für alle Museen in Deutschland. Die Erfahrungen der Dresdner Experten sind bereits überregional gefragt, berichtet Lupfer. „Museen nutzen sie, es gibt einen engen Austausch.“

In Dresden sind die Recherchen nach fünf Jahren in manchen Museen abgeschlossen, in anderen laufen die Inventarisierungen erst an. Gemälde, Pretiosen, Porzellane und Instrumente sind schon komplett in „Daphne“ erfasst, in der online collection bereits rund 30 000 Kunstwerke elektronisch zugänglich. Bis der Gesamtbestand erforscht ist, braucht es aber wahrscheinlich länger als ursprünglich geplant - nicht nur wegen Reduzierungen der jährlichen Mittel. Lupfer sieht zu Aspekten wie dem DDR-Unrecht Bedarf zur Grundlagenforschung. „So gibt es zum Agieren der DDR-Kommerziellen Koordinierung zwecks Devisenbeschaffung im Museumsbereich durchaus Forschungsbedarf.“ (dpa)

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