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b_350_250_16777215_00_images_alt_phocagallery_Rudi_Pfiffl5_(komprimiert).jpgIm Alter von knapp 89 Jahren starb vor wenigen Tagen Rudolf ("Rudi") Piffl. Der 14-fache württ. Einzelmeister - damit ist er neben Peter Stellwag Rekordhalter -, sechsfache Nationalspieler sowie Viertelfinal-Teilnehmer im Doppel bei der WM in Bombay 1954 spielte für die Stuttgarter Kickers, den PSV Stuttgart, Adolff Backnang und den DJK Sportbund Stuttgart. Piffl, der im Krieg seinen rechten Arm verlor, war ein großes sportliches Vorbild. Trotz Behinderung gab es für ihn kaum sportliche Grenzen. Er stand auch noch mit knapp 80 fit am Tischtennis-Tisch, war athletisch wie kaum ein anderer Spieler.

Die Beerdigung findet am kommenden Freitag, 13:00 Uhr, Friedhof Stuttgart-Birkach statt. Der TTVWH trauert um Rudi Piffl und ist in Gedanken bei seiner Familie.

Im Rahmen der Tischtennis-EM 2009 wurde Rudi Piffl im Buch zu dieser Großveranstaltung in einem Porträt vorgestellt.

aus: Tischtennis-EM-Buch 2009

Rudi Piffl – Stuttgarts Tischtennis-Legende

„Einer der besten deutschen Tischtennisspieler in den 50er- und 60-er Jahren.“ Conny Freundorfer, vielfacher Deutscher Meister, spricht nicht über irgendeinen Spieler jener Zeit des Wirtschaftswunders. Vielmehr geht es um einen Mann, dessen Schicksal es nicht gut mit ihm gemeint hatte, der schon zum Verlierer abgestempelt schien: Rudi Piffl, in Prag geboren.

Im zweiten Weltkrieg riss ihm ein Geschoss den rechten Arm ab. Für einen Zwanzigjährigen, am Anfang seines Lebens stehend, mehr als ein Unfall, ein Schock mit Langzeitwirkung. Als Sudeten-Deutscher musste Piffl eine lange Odyssee mit Flucht hinter sich bringen, um im Raum Stuttgart eine neue Heimat zu finden. Er hatte und besaß 1946 nichts, saß auf seinen Koffern – mit nur einem Arm und vielen Ängsten. Um Wurzeln zu schlagen und sich Anerkennung zu verschaffen, arbeitete Rudi Piffl wie ein Besessener. Es war nicht die Story "vom Tellerwäscher zum Millionär", sondern vielmehr die Geschichte eines Mannes, der sich selbst beweisen wollte, dass ein Mensch unglaubliche körperliche Leistungen erzielen kann. Als Radfahrer im Leistungssport war die Karriere mit dem Verlust des Armes schon früh beendet, da setzte er auf eine andere Karte: das Tischtennis. Seine Überlegung: “Da habe ich auch mit einem Arm eine Chance“. Die Trainingshalle war sein Reha-Zentrum: Mit Gleichgewichtsübungen, Ausdauer- und Krafttraining stärkte er seinen Körper. So wurde er athletischer als alle nicht behinderten Konkurrenten. Mit täglich stundenlangen Übungen am Tisch entwickelte er ein Spielsystem, das in dieser Form sicherlich einmalig war. Mit seinem Barna-Hartbrett jagte er die Vorhand-Schüsse vom gesamten Tisch aus auf die andere Seite - und laufen musste vor allem einer: sein Gegner. Voraussetzung für dieses System: Beine, die so schnell waren, dass man ihn kaum ausspielen konnte, ein gutes Auge für die Platzierung, sodass die Konkurrenten re-agieren mussten, und vor allem Konzentration und ein Wille, mit dem Piffl Berge versetzen konnte.

Und die Bergspitzen waren sehr hoch, die Piffl erklomm: Mit 14 Württembergischen Meistertiteln im Einzel (von 1947 - 1961) ist er hinter Peter Stellwag (15 Titel) DER Tischtennis-Spieler in Württemberg. Sechsmal wurde er in die Deutsche Nationalmannschaft berufen, Gold gab es 1950 bei den Deutschen Meisterschaften im Doppel mit Heinz Schneider – ein nationaler Titel als einziger behinderter Athlet der Geschichte des Tischtennis. Mit Schneider erreichte er zwei Jahre später in Bombay/Indien auch das Viertelfinale bei den Weltmeisterschaften!

Sein Wille und seine Disziplin hielten Piffl sehr lange fit. Täglich legte er mindestens eine Strecke zu seinem Arbeitsplatz (10 km) zu Fuß zurück – der Rudi, ein zäher Bursche. Bei den Senioren (Ü60) wurde er Deutscher Einzelmeister. Besonders beachtlich: Noch als knapp 80-Jähriger war Piffl in der Kreisliga erfolgreich. Auch die Politik wurde auf ihn aufmerksam und belohnte seine Vorbild-Funktion für alle Behinderten mit dem Bundesverdienstkreuz. Doch Piffl gewann mehr als Titel: „Ich hab den Schmerz vergessen. Das Leben hat wieder Spaß gemacht.“

Seine großen Erfolge erzielte Piffl damals für die Stuttgarter Kickers. Auch für den PSV Stuttgart und Adolff Backnang war er aktiv. Im Jahr 1974, also im Alter von 50 Jahren, dann der Wechsel zum Sportbund Stuttgart. Als Nr. 1 des Verbandsliga-Teams zeigte er immer noch brillante Leistungen. In dieser Zeit engagierte sich Piffl auch für Jugend. 1976 durfte dann auch der Autor dieser Zeilen als kleiner 9-Jähriger, nur mäßig talentiert, dafür aber den Ehrgeiz Piffls bewundernd, an den Übungstisch. Da musste stundenlang am Tisch gelaufen werden, von der anderen Seite des Tisches schallte es "rauf" – die Armbewegung wurde korrigiert. Und: Pausen oder Diskussionen gab es keine, die Zeit wurde genutzt, um in jedem Training etwas besser zu werden - kein Zuckerschlecken, die alte Schule eben. Die Lust an der sportlichen Leistung wurde geweckt, nicht unbedingt alle Feinheiten der Tischtennis-Technik vermittelt. Aber Piffl lebte die Grundlage, die weit über den Sport hinausgeht: Mit Engagement und Einsatz ist vieles erreichbar. Sein Motto wirkt für manchen Kaugummi kauenden selbst ernannten Star wie ein Relikt aus einer anderen Zeit: „Wenn ich spiele, dann gebe ich immer alles. Wenn ich dann verliere, ist das okay, aber nicht alles zu geben, das ist unsportlich.“

Rudi Piffl kann heute im Alter von 85 Jahren sein in den 60er-Jahren in Stuttgart-Schönberg selbst erbautes Haus mit Garten im Kreise seiner Familie (zwei Töchter, mehrere Enkel) genießen. Noch immer sieht er gerne beim Tischtennis oder Tennis zu und freut sich an den sportlichen Leistungen anderer. „Die EM in Stuttgart werde ich im Fernsehen verfolgen.“ Piffl machte sein persönliches Wunder wahr: Als Verlierer abgestempelt, aber das Leben gemeistert - für und mit Tischtennis …

Thomas Walter

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