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  01.-1.2006  01:01   +Feedback

Ungarn vergisst nicht

Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld für Die Achse des Guten

Gänzlich unbeachtet von den Mainstream-Medien und den vielen anwesenden Politikern aus der ganzen Welt, wurde in Csömör vor den Toren Budapests am Rande der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Ungarn- Aufstandes ein Denkmal für die 100 Millionen Opfer des Kommunismus auf der ganzen Welt eingeweiht. Auf dem Denkmal aus türkischem Kalkstein sind die Todeslager des Kommunismus auf vier Kontinenten kenntlich gemacht. Ein unregelmäßiger Stacheldrahtzaun soll die Aggressivität und Inhumanität des Lagersystems symbolisieren. Ein an die Mauer anschließender 4m hoher Glockenturm integriert ein Kreuz aus rostfreiem Edelstahl, der den Glauben verkündet, der Leid und Verzweiflung besiegen kann. Stifter des Denkmals ist der Verein Gloria Victis, eine private Initiative, die das Geld für das Denkmal gesammelt hat und auch die Feierlichkeiten ausrichtete.

Ungarn hat vor 50 Jahren dem Westen klar gemacht, dass es die sowjetische Besatzung keineswegs akzeptiert und dass es frei sein will. Heute macht es nachdrücklich darauf aufmerksam, dass der Kommunismus mehr als nur ein Betriebsunfall der Weltgeschichte war und das seine Folgen nur überwunden werden können, wenn die Geschichte der kommunistischen Verbrechen wahrheitsgemäß beschrieben und erinnert wird. Allerdings erschien das abgelegene, staubige Gelände auf dem das Denkmal sich befindet als symbolisch für die Unwilligkeit der großen Welt, dieselben
zur Kenntnis zu nehmen. Hier hatten sich etwa 2000 Menschen aus ganz Europa versammelt. Aus Deutschland war neben der Stiftung Aufarbeitung des SED-Unrechts immerhin auch eine Gesamtschule aus einem
westdeutschen Bundesland vertreten. Leider niemand von der deutschen Botschaft oder von den Politischen Stiftungen, die in Budapest vertreten sind. Als einziger maßgeblicher ungarischer Politiker hatte sich Oppositionsführer Victor Orban von Fidesz angesagt. Er konnte aber nicht selbst erscheinen, weil er gerade mit seinem Kampf um die Macht gegen den Ministerpräsidenten Gyurcsany beschäftigt war.

In Budapest demonstrieren seit Wochen Fidesz- Anhänger gegen den Ministerpräsidenten, weil der in einer internen Rede vor seiner Fraktion zugegeben hatte, dass die Menschen von der Politik belogen wurden. Allerdings hatte er das getan, um klar zu machen, dass es nicht so weiter gehen kann. Ungarn ist wirtschaftlich in einer schwierigen Phase. Ähnlich wie in Deutschland macht eine verfehlte Sozialpolitik dem Staatshaushalt und damit dem Land zu schaffen. Ungarn braucht dringend Reformen und der Ministerpräsident will sie durchsetzen. Er will das Land für mehr Marktwirtschaft öffnen und mehr Eigeninitiative fördern. Seinen Parteigenossen von den Sozialisten missfällt der Reformeifer ihres Regierungschefs. Seine Unterstützerbasis in den eigenen Reihen ist denkbar schmal. Hinzu kommt der erbitterte Widerstand der Fidesz, die als bürgerliche Partei eigentlich das Bestreben nach mehr Marktwirtschaft unterstützen sollte, tatsächlich aber aus Opportunismus für die alte Umverteilungspolitik streitet. In dieser Auseinandersetzung hat der ehemalige kommunistische Jugendfunktionär Gyurcsany vor allem Verbündete unter den ehemaligen Bürgerrechtlern, wie den Budapester Bürgermeister Gabor Demsky, der sich im kommunistischen Ungarn
als Samisdat- Herausgeber einen Namen gemacht hat. Unter anderem hat er György Konrads „Antipolitik“ verlegt, in der Konraddeutlich vor 1989 die Entwicklung Europas, die zum Fall des Eisernen Vorha ngs geführt haben, vorausgesehen hat.

Auch György Konrad hat sich an die Seite des Ministerpräsidenten gestellt und damit klar gemacht, dass die neuen politischen Linien nicht mehr entlang der traditionellen Parteien gehen, sondern Individuen verbinden, die unabhängig die Probleme lösen wollen. Vielleicht geht Ungarn darin dem Westen wieder ein kleines Stück voraus.

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