1869-1994
125 Jahre Ostfriesische Volksbank

- ein geschichtlicher Abriß

Von Norbert Fiks


INHALT
Die Gründerjahre
Hermann Schulze-Delitzsch
Ruhige Entwicklung
Inflation und Weltwirtschaftskrise
Im Dritten Reich
Wiederaufbau
Fusionen mit den Volksbanken Haren und Papenburg
Volksbank Haren
Volksbank Papenburg
Baumaßnahmen und Geschäftsstellen
Fusion mit der Bank für Schiffahrt
Bank für Schiffahrt, Handel und Gewerbe
Die Ostfriesische Volksbank heute



Die Gründerjahre

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Am Anfang der 125jährigen Geschichte der Ostfriesischen Volksbank standen 13 Unterschriften. Gesetzt wurden sie von Leeraner Bürgern am 19. März 1869 in der traditionsreichen "Waage" unter 38 großformatige, in Sütterlin beschriebene Blätter, das Statut der "Leerer Genossenschafts=Bank". Gegenstand des Unternehmens, einer eingetragenen Genossenschaft, war nach § 1 "der Betrieb eines Bankgeschäfts, behuf gegenseitiger Beschaffung der in Gewerbe und Wirtschaft nötigen Geldmittel auf gemeinschaftlichen Kredit".

Treibende Kraft dieses Unternehmens war der 38jährige, aus Böhmerwold im Rheiderland stammende Kaufmann Johann Hilbrands Vienna. Er hatte, wie das Protokoll der Gründungsversammlung vermerkte, "heute abend die Zusammenkunft verschiedener Herren, die sich für die Gründung einer Genossenschaftsbank am hiesigen Platze interessieren, nach der Waage berufen". Dieser Interessentenkreis bestand vornehmlich aus Kaufleuten, Händlern und Handwerkern, die in Leer im Bereich der Brunnen- und der Mühlenstraße ansässig waren, also genau dort, wo heute der Stammsitz der Ostfriesischen Volksbank liegt. Vienna kam nicht unvorbereitet in die Gründungsversammlung: Auf einer vorhergehenden Zusammenkunft jener interessierten Herren war bereits ein Statutenentwurf diskutiert worden, der den Versammelten am 19. März vorgelegt und von ihnen unterschrieben wurde. 14 Namen zählte Protokollant Georg Doden als Erstunterzeichner auf: Johann Vienna, Johann Waterborg, Focke Neelen, Johann Nuttmann, Johannes Friedrichs, Enno Sebes, Heinrich Cramer, Hermann van Biema, Friedrich Kertoll, Bernard Bavink, Hinricus Mennenga, Georg Doden, Heinrich Waterborg und Weert Badberg. Tatsächlich haben nur 13 ihre Namen unter das Statut gesetzt; Enno Sebes, der nach einer Eintragung im Leeraner Adreßbuch dieser Zeit selbst in Bank- und Speditionsgeschäften tätig war, bat noch während der Versammlung, seine Unterschrift zu streichen.

Vienna wurde auf der Gründungsversammlung zum ersten "Director" (Geschäftsführer) gewählt. Dieses Amt bekleidete er bis 1890. Bis zur endgültigen Konstituierung der Organe - des Vorstands und des Verwaltungsrats (der Begriff Aufsichtsrat wurde erst 1891 eingeführt) - bedurfte es aber noch zwei weiterer Sitzungen am 30. März und 17. September. In der ersten Versammlung waren lediglich vier der zwölf im Statut vorgesehenen Verwaltungsratsmitglieder gewählt worden. Mit der Wahl des zweiten Vorstandsmitglieds (Controleurs) Bernhard Bavink, der stellvertretenden Vorstandsmitglieder Abraham Horch und Johannes Friedrichs sowie der fehlenden Mitglieder des Verwaltungsrats, dessen Vorsitzender der Kaufmann Friedrich Kertoll wurde, war die Konstituierung der Bank erst ein halbes Jahr nach der ersten Versammlung abgeschlossen. Bis dahin hatte sich die Zahl der Mitglieder schon verdreifacht und betrug 35.

Dessen ungeachtet nahm die Bank bereits am 17. April des Jahres ihren Geschäftsbetrieb in gemieteten Räumen im Haus Kirchstraße 33 auf. Das Statut, mit dem die Genossenschaftsbank am 7. April 1869 im Genossenschaftsregister beim Königlich Preussischen Amts-Gericht Leer eingetragen wurde, legte die Geschäftsanteile - "wovon jedes Mitglied wenigstens eins nehmen muß, jedoch nicht mehr wie vier nehmen darf" - auf 25 Thaler fest. Als Mindestspareinlage wurden 10 Thaler vorgeschrieben, der Höchstkredit je Mitglied betrug 1000 Thaler.

Auf der 1. ordentlichen Generalversammlung am 2. Februar 1870 konnte Vienna den anwesenden 25 Mitgliedern erstmals "Mittheilungen aus dem Geschäftsgang des abgelaufenen Jahres" machen. Im Geschäftsleben wie in der gedruckten Bilanz wurde damals noch mit Thalern gerechnet, die Umstellung auf Mark erfolgte 1875. Die Mitglieder hatten ein "Guthaben am Stammkapital" (Geschäftsguthaben) von umgerechnet 3381 Mark, der Jahresumsatz lag bei 86460 Mark. Die Höhe der Spareinlagen wurde mit 56961 Mark angegeben. Vienna, der offenbar vorher seine Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt hatte, obwohl das Statut ausdrücklich eine Besoldung für Vorstandsmitglieder vorsah, machte seine Bereitschaft zu einer Wiederwahl davon abhängig, daß ihm ein festes Gehalt von 100 Thalern gezahlt und er mit 25 Prozent am Reingewinn beteiligt werde. Er wurde einstimmig für weitere drei Jahre als geschäftsführendes Vorstandsmitglied gewählt.

In den folgenden Jahren machte die Bank eine stürmische Aufwärtsentwicklung durch. Zehn Jahre nach der Gründung gab es 101 eingetragene Mitglieder mit einem Geschäftsguthaben von 21329 Mark. Der Jahresumsatz hatte sich mehr als verdreißigfacht und erreichte über 3,27 Millionen Mark. Die Spareinlagen hatten in etwa mit der Mitgliederentwicklung Schritt gehalten und erreichten gut 180000 Mark. Es wurde eine Dividende von acht Prozent ausgeschüttet. Diese Entwicklung war durch die Zeitumstände bedingt. Die industrielle Revolution hatte etwa ab der Jahrhundertmitte ein immer schnelleres Tempo eingeschlagen und Deutschland von einem Agrarland in einen Industriestaat verwandelt. Ausgelöst wurde dieser außerordentliche Wirtschaftsaufschwung vor allem durch die hohen Entschädigungen, die Frankreich nach dem verlorenen Krieg von 1870/71 an das neugegründete deutsche Kaiserreich zahlen mußte. Einen wesentlichen Anteil hatte auch der Ausbau der Eisenbahn, die das Tempo des Rohstoff- und Warenumschlags erhöhte. Bereits 1854 war die Westbahn von Münster über Rheine und Leer nach Emden eröffnet worden. Im Gründungsjahr der Leerer Genossenschaftsbank erhielten die Oldenburgischen Staatseisenbahnen die Betriebserlaubnis für die Strecke Oldenburg-Leer, die 1876 nach Neuschanz weitergeführt wurde. Das Städtchen an der Leda war damit zu einem Eisenbahnknotenpunkt geworden. Allerdings hielt der Aufschwung nicht lange an. Ab 1873 folgte in Deutschland eine jahrelange Depression.

Es fehlte nur wenig, und die Bank wäre kaum mehr als 20 Jahre alt geworden. Ende 1889, nach mehreren Jahren einer stagnierenden Entwicklung, steckte die Genossenschaft in einer Krise, die mit einem Antrag auf Auflösung auf einer außerordentlichen Generalversammlung am 18. April 1890 ihren Höhepunkt erreichte.

Das neue Genossenschaftsgesetz, das am 1. Mai 1889 in Kraft getreten war, hatte offenbar in der Mitgliederschaft zur Verunsicherung geführt. Dieses Gesetz, das eine Regelung aus dem Jahr 1868 ersetzte, bestimmte unter anderem die Frage der Haftpflicht neu, führte die gesetzliche Revision ein und erließ ein Verbot der Gewährung von Krediten an Nichtmitglieder, das erst 1974 aufgehoben wurde. Der erste Anlauf, die Statuten der Leerer Genossenschaftsbank den neuen gesetzlichen Vorgaben anzupassen, scheiterte. Eine für den 7. September 1889 einberufene außerordentliche Versammlung war nicht beschlußfähig, weil nur 13 von 75 Mitgliedern erschienen waren. Zur erneut einberufenen Versammlung zwei Wochen später, die nach den Statuten unabhängig von der Zahl der Anwesenden beschlußfähig war, kamen sogar nur neun Genossen. Die vom Verwaltungsrat vorgeschlagenen Statutenänderungen wurden angenommen. Die Bank firmierte künftig als "eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht". Aber schon drei Monate später wurde eine weitere außerordentliche Versammlung einberufen, um auf Antrag von Bankdirektor Vienna aus der unbeschränkten eine beschränkte Haftpflicht mit fünffacher Haftsumme auf den Geschäftsanteil zu machen. Auch diese Versammlung am 7. Dezember war nicht beschlußfähig. Es bedurfte einer weiteren Versammlung am 18. Dezember, um die Umwandlung, die erst über ein Jahr später in Kraft trat, beschließen zu können.

Dann starb am 28. Januar 1890, wenige Tage vor Vollendung seines 59. Lebensjahres, Johann Vienna. Zu seinem Nachfolger wählte die Generalversammlung am 31. März 1890 Gerhard Fritzen, einen langjährigen Mitarbeiter der Bank. Aber "derselbe lehnte die Wahl ab", vermerkte der Protokollführer. Es lag ein von zwölf Mitgliedern getragener Antrag vor, der die Liquidation der Genossenschaft zum Ziel hatte. Er lautete: "Wir, die unterzeichneten Mitglieder der Leerer Genossenschaftsbank eGmuH, beantragen, da der Director Herr J. Vienna verstorben und wir die ersprießliche Thätigkeit für die Folge bezweifeln, die Auflösung der Bank und Ernennung von Liquidatoren und zu dem Zwecke eine außerordentliche Generalversammlung."

Dieses Begehren erreichte in der Versammlung im April 1890 nicht die erforderliche Dreiviertel-Mehrheit. Von 37 Genossen stimmten aber immerhin 21 für und 16 gegen den Antrag. Bei der anschließenden endgültigen Wahl von Gerhard Fritzen zum neuen Direktor gab es zehn Stimmenthaltungen. Die Krise war abgewendet, hinterließ aber ihre Spuren. Es gab Austritte und einen wesentlich schlechteren Jahresabschluß. Für das Geschäftsjahr 1890 konnte keine Dividende gezahlt werden, der Reingewinn lag bei eben 20 Mark und 80 Pfennig. Aber schon im folgenden Jahr hatte sich die Bank erholt.


Hermann Schulze-Delitzsch

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Hermann Schulze-Delitzsch gilt als Gründer und vor allem Organisator des deutschen gewerblichen Genossenschaftswesens. Er wurde 1808 in der sächsischen Kleinstadt Delitzsch nördlich von Leipzig geboren. Nach unbeschwerter Kindheit und Jugendzeit wurde er Jurist und war bis 1851 im Staatsdienst tätig. 1848 wurde Schulze-Delitzsch Mitglied des preußischen Parlaments in Berlin und der Frankfurter Nationalversammlung. Später war er Abgeordneter des Norddeutschen Bundes und von 1871 bis zu seinem Tod gehörte er dem Reichstag an. Schulze-Delitzsch war einer der führenden Köpfe des konstitutionellen Liberalismus, der für eine parlamentarische Monarchie und demokratisches Wahlrecht stand.

1846 gründete er in seiner Heimatstadt gemeinsam mit dem dortigen Pfarrer Eduard Baltzer ein Hilfskomitee zum Ankauf, zur Speicherung und Verarbeitung von Getreide, um der durch Arbeitslosigkeit und eine Mißernte Not leidenden Bevölkerung zu helfen. Hier lag der Ansatzpunkt für den genossenschaftlichen Gedanken, denn Schulze-Delitzsch suchte nach einer Methode zur Beseitigung der Notstände ohne obrigkeitsstaatliche Regelungen, von denen er sich keine Hilfe versprach. Er setzte vielmehr auf eine aktive Mittelstandspolitik. Es galt möglichst viele selbständige Gewerbetreibende in ihrer Selbständigkeit zu erhalten und Lohnarbeiter in die selbständige Existenz zu führen. Das Mittel dazu fand er in der genossenschaftlichen Zusammenarbeit, deren Prinzipien er bei Reisen in England und Frankreich kennengelernt hatte.

Schulze-Delitzsch war an den ersten Genossenschaftsgründungen in Deutschland beteiligt, unter anderem mit der Gründung eines Vorschußvereins im März 1850 ebenfalls in Delitzsch. Schon bald begann er, an einer Verbesserung der Rahmenbedingungen zu arbeiten. Das führte unter anderem 1859 zum "1. Vereinstag der Deutschen Vorschuß- und Kreditvereine", der das "Zentrale Korrespondenzbureau" einrichtete, den Vorläufer des ersten genossenschaftlichen Dachverbands.

Beim zweiten Vereinstag 1860 in Gotha skizzierte Schulze-Delitzsch zum ersten Mal ein Genossenschaftsgesetz, Grundlage für den 1862 im Abgeordnetenhaus eingebrachten Gesetzentwurf. Das Prinzip der staatsfreien, selbständigen Genossenschaft stieß auf Widerstand der Regierung. Sie bestand zunächst auf einem Konzessionszwang, um die Kontrolle über das Genossenschaftswesen zu erhalten. Nach langen Verhandlungen wurde das Preußische Genossenschaftsgesetz am 18. Dezember 1866 im Parlament verabschiedet und trat im März 1867 in Kraft. Im wesentlichen entsprach es den Vorstellungen von Schulze-Delitzsch. Es wurde 1869 für den Norddeutschen Bund eingeführt. Ab 1871 galt es für das ganze Deutsche Reich. An der Neufassung des Genossenschaftsgesetzes von 1889 war Schulze-Delitzsch nicht mehr beteiligt. Aber es hat aus den Ideen des Genossenschaftspioniers wesentliche Impulse erhalten. So ergriff Schulze-Delitzsch schon 1878 im Parlament die Initiative zur Einführung der gesetzlichen Revision der Genossenschaften.

Hermann Schulze-Delitzsch starb am 29. April 1883 in Potsdam. Bei seiner Beerdigung gaben ihm Tausende das letzte Geleit. Zahlreiche Nachrufe aus dem In- und Ausland spiegelten die weitverbreitete Anerkennung seines Wirkens wider. Zu seinen Ehren nannte sich der 1920 gegründete Dachverband der gewerblichen Kredit- und Warengenossenschaften "Deutscher Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch)".


Ruhige Entwicklung

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Es folgte für die Bank eine lange Periode der ruhigen, steten Entwicklung. Nachdem die Mitgliederzahl im Krisenjahr 1890 mit 61 den abgesehen vom Gründungsjahr geringsten Stand erreicht hatte, stieg sie kontinuierlich an. Die wirtschaftliche Entwicklung verlief dazu bis zum Jahr 1904 etwa parallel. 1905 erhöhte sich dann die Bilanzsumme um 50 Prozent, der Jahresumsatz lag sogar um 80 Prozent höher als im Jahr davor. Der 1914 begonnene erste Weltkrieg schlug sich ebenfalls in den Geschäftsergebnissen nieder. Jahr für Jahr wurden erhebliche Zuwächse erreicht. Nach dem Krieg war die Bilanzsumme doppelt so groß wie im ersten Kriegsjahr, der Jahresumsatz hatte sich sogar um das Zweieinhalbfache erhöht. In den Jahren 1917 und 1918 stiegen die Spareinlagen überdurchschnittlich an, ein deutliches Zeichen dafür, daß sich die Menschen Sorgen um die Zukunft machten.

An außergewöhnlichen Ereignissen war die Bankgeschichte in jenen Jahren zwischen 1890 und 1918 rar. Bezeichnend dafür ist, daß in alten Festschriften, so zum 60jährigen Bestehen der Bank 1929, die Einführung des Scheckverkehrs zum 1. Januar 1908 als einziges bedeutsames Ereignis in 20 Jahren herausgehoben wurde. Die Protokolle jener Zeit zeugen von einem ungestörten Geschäftsbetrieb. In den Generalversammlungen wurden die Regularien abgehandelt, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gewählt, gelegentlich die Statuten den aktuellen Erfordernissen angepaßt. Das 40jährige Bestehen der Bank wurde am 17. April 1909 mit einem Festessen im Anschluß an die Generalversammlung gefeiert. Dazu war man extra von der "Waage", der man als Versammlungsort all die Jahre die Treue gehalten hatte, in den "Rheiderländer Hof" umgezogen, der mehr Platz bot. Bei dieser Gelegenheit wurden die drei noch lebenden Gründungsmitglieder der Bank, Bernhard Bavink, Weert Badberg und August Redeker, geehrt. Redeker, der allerdings nicht zu den Erstunterzeichnern des Statuts gehörte, sondern erst bei der zweiten Versammlung dabei war, erlebte als Ehrenmitglied noch den 60. Gründungstag der Bank.

Anfang 1910 wurden Gespräche "mit einer auswärtigen Aktienbank" über eine Fusion geführt. Ein entsprechendes Angebot war an die Genossenschaftsbank herangetragen worden. Aufsichtsrat und Vorstand hatten in einer gemeinsamen Sitzung die Angelegenheit besprochen und in der kurz darauf zusammengetretenen Generalversammlung lediglich bekanntgegeben, daß man sich gegen eine Fusion ausgesprochen hatte.

Über 40 Jahre hatte die Genossenschaftsbank schon ihre Geschäfte in dem gemieteten Haus in der Kirchstraße betrieben, als bei Aufsichtsrat und Vorstand der Wunsch allmählich Gestalt annahm, ein eigenes Gebäude zu bekommen. Ihn in die Tat umzusetzen, erwies sich als nicht einfach. Auf einer außerordentlichen Generalversammlung am 14. Januar 1913 wurde darüber lebhaft diskutiert. Dabei stand auf Vorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand zur Debatte, das Gebäude der Ostfriesischen Bank für 34000 Mark zu kaufen. Eine deutliche Mehrheit der Mitglieder stimmte gegen einen Kauf, man wollte allerdings die vorhandenen Räume "etwas moderner einrichten" und nach einem anderen geeigneten Gebäude Ausschau halten. Im darauffolgenden Jahr wurde die Generalversammlung darüber informiert, daß das Gebäude der Ostfriesischen Bank von mehreren Mitgliedern besichtigt worden sei. Diese waren sich "darin einig, daß die betr. Bankräume reichlich dunkel
sind". Damit war das Thema, womöglich wegen der nun folgenden Kriegsjahre, zunächst erledigt.

Am 30. Oktober 1914 starb der mittlerweile zum Senator ernannte Bankdirektor Gerhard Fritzen. Die Nachfolgeregelung für das geschäftsführende Vorstandsmitglied war durch den Krieg bestimmt. Jacob Veenhuis, der im Januar 1915 zum neuen Bankdirektor gewählt wurde, konnte sein Amt bis Anfang 1919 nicht antreten, weil er zum Kriegsdienst eingezogen war. Man entschloß sich daher, um auch in Zukunft die Bankleitung vor derartigen Ausfällen zu schützen, den ordentlichen Vorstand aus zwei Geschäftsführern zu bilden. Im Juni 1915 wurde J. Ostermann aus Norden als zweites geschäftsführendes Vorstandsmitglied hinzugewählt. Bis zur Rückkehr von Veenhuis führte er die Bank, unterstützt von dem stellvertretenden Vorstandsmitglied Diedrich Sanders.

Über die Wiederwahl von Ostermann kam es bei der Generalversammlung am 10. April 1920 zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten. Bei der Abstimmung plädierten 19 von 96 Mitgliedern für einen Aufschub der Wahl. Alle langjährigen Mitglieder des Aufsichtsrats mit ihrem Vorsitzenden J. H. Apfeld an der Spitze faßten das als Mißtrauensvotum auf und traten auf einer außerordentlichen Versammlung zwei Wochen später von ihren Ämtern zurück. So wurde 1920 der gesamte Aufsichtsrat ausgewechselt, dessen Vorsitz dann bis 1930 Engelke Eimers innehatte, einer der führenden politischen Köpfe jener Zeit in Leer. Ostermann schied ein Jahr später aus dem Vorstand aus.


Inflation und Weltwirtschaftskrise


Schon während des ersten Weltkriegs hatte in Deutschland der Währungszerfall begonnen. Nach dem Krieg setzte er sich durch die Umstellung der Wirtschaft und die Reparationsverpflichtungen fort. Bei schrumpfenden Gold- und Devisenbeständen wurde der Banknotendruck immer stärker forciert. Der bald unübersehbare Geldüberhang führte zu Warenknappheit, Preistreiberei, Spekulationen und Kapitalflucht. Die Leerer Genossenschaftsbank blieb von dieser Entwicklung natürlich nicht verschont. Die Erhöhung der Geschäftsanteile und der Haftsumme wurde zum Dauerthema auf den Generalversammlungen der 20er Jahre. Erste Reaktion war 1920 die Erhöhung des Geschäftsanteils von 75 auf 300 Mark. Die Haftsumme blieb zunächst bei 400 Mark, wurde aber im April 1922 auf 1500 Mark angepaßt. 1923 begann der Sturz der Mark ins Bodenlose. Die Generalversammlung vom 9. März setzte den Geschäftsanteil auf 1000 Mark fest, die Haftungsssumme auf 5000 Mark. Im Herbst hatte die Inflation ihren Höhepunkt erreicht. Eine am 3. Oktober beschlossene Anhebung des Geschäftsanteils auf 50 Millionen Mark und der Haftsumme auf 150 Millionen Mark hatte wegen des galoppierenden Währungszerfalls praktisch keine Bedeutung mehr. Schon am 15. November kam der Währungsschnitt mit der Einführung der Renten- oder Goldmark, der der Inflation ein abruptes Ende bereitete.

Ein Blick in die Geschäftsberichte dieser Periode zeigt schon anhand der nackten Zahlen die ganze Vehemenz dieser scheinbar unaufhaltsamen Entwicklung. 1918 lag die Bilanzsumme bei knapp 1,4 Millionen Mark, 1922 erreichte sie fast 45 Millionen Mark. Und zum 31. Dezember 1923 verzeichnete der Geschäftsbericht die unglaubliche Bilanzsumme von über 100 Trillionen Mark, ausgeschrieben eine Zahl mit 20 Stellen. Die Währungsumstellung im Verhältnis 1 zu 1 Billion ergab eine Eröffnungs-Bilanzsumme zum 1. Januar 1924 von gerade einmal 106000 Mark. Die Einlagen und Sparguthaben waren praktisch über Nacht wertlos geworden. Die Entwertung kam, wie der Vorstand in seinem Geschäftsbericht feststellte, "fast ausnahmslos den Kreditnehmern zugute".

Der Wertverfall des Geldes hatte aber auch ganz praktische Konsequenzen für die Bank und ihre Mitarbeiter. Er führte zu einer rein rechnerisch starken Geschäftsbelebung und höheren Umsätzen. Der aufgeblähte Kassenverkehr zwang die Geschäftsleitung dazu, mehrfach neue Mitarbeiter einzustellen, um die Arbeitsbelastung erträglich zu halten. Wie groß der Einsatz der Angestellten dennoch war, bezeugt der Geschäftsbericht von 1923: "Wir schulden ihnen Dank für die meistens 12stündige Arbeitsleistung, die sie monatelang in den denkbar schlechtesten Räumeverhältnissen, zeitweise sogar im Nachtdienst leisteten."

In den 20er Jahren weitete die Bank ihren Geschäftsbetrieb auch räumlich aus. Zunächst wurden 1920 und 1921 Filialen in den benachbarten, damals noch selbständigen Gemeinden Loga und Heisfelde eingerichtet. 1924 folgten drei weitere Geschäftsstellen in Westrhauderfehn, Bunde und Weener. Schließlich war die Bank ab 1927 in Warsingsfehn vertreten. Weitere Geschäfts- oder Annahmestellen wurden in Detern, Ditzumerverlaat und Remels eingerichtet, erbrachten aber in einer wirtschaftlich schwierigen Situation nicht den erhofften Erfolg und wurden wieder geschlossen. Mit Geschäftsstellen, wie man sie heute kennt, hatten sie aber nichts gemein. In der Regel wurden sie von am Ort ansässigen Genossenschaftsmitgliedern ehrenamtlich in der guten Stube geleitet. 1923 war es dann soweit, daß die Bank ein eigenes Gebäude bekam. Anfang des Jahres war die ehemalige Deichmann'sche Buchhandlung in der Brunnenstraße, die im Besitz des Aufsichtsratsmitglieds Fokke Eidtmann war, für 1,2 Millionen Mark gekauft worden. Auf diesem Grundstück wurde ein Neubau errichtet, der 1924, so hieß es im Geschäftsbericht, "durch die feierliche Einweihung am 18. September dem Verkehr übergeben" wurde.

Als dieses Gebäude in der Brunnenstraße fertiggestellt war und bezogen wurde, führte die Bank nicht mehr ihren alten Namen. Am 9. März 1923 beschloß die Generalversammlung, die Firma in "Handels- und Gewerbebank, Leerer Genossenschaftsbank e.G.m.b.H" umzubenennen. Wenig später wurde der alte Name aus Zweckmäßigkeitsgründen ganz gestrichen. Mit dieser Umbennennung wollte die Bank ihre Verbundenheit mit den heimischen Handel- und Gewerbetreibenden betonen. Das Selbstverständnis, die Bank des Leeraner Mittelstandes zu sein, hatte bereits 1920 den Aufsichtsrat veranlaßt, ein Fusionsangebot der Esenser Credit-Anstalt abzulehnen.

Die Währungsreform vom Herbst 1923 hatte zwar die Währung wieder stabilisiert, die wirtschaftliche Gesamtsituation verbesserte sich aber nur vorübergehend. Anfang 1924 war noch ein vorsichtiger Optimismus spürbar, aber ein Jahr später hatten sich "die Hoffnungen auf eine baldige Besserung nicht erfüllt". 1925 war aus der Sicht des Bankvorstands "ein Jahr höchster wirtschaftlicher Bedrängnis". Besonders der Landwirtschaft ging es schlecht, aber bald schon war "die Not des Handwerks noch größer". In dieser Zeit waren etwa je ein Viertel der Genossenschaftsmitglieder Landwirte oder Handwerker, rund ein Drittel selbständige Kaufleute. "Die Lage des Mittelstands bleibt ernst und schwer. Die vergangenen Jahre haben zur Genüge bewiesen, daß der Mittelstand im Kampfe um seine Existenz alleine steht und auch auf sich allein angewiesen bleiben wird", klagte der Vorstand auf der Generalversammlung im Frühjahr 1930, als die Krise ihren Höhepunkt noch nicht einmal erreicht hatte.

Bis 1930 verzeichnete die Bank noch einen jährlichen Zuwachs. Die Bilanzsumme kletterte von knapp 1,1 Millionen Mark im Jahr 1924 auf 1,8 Millionen Mark, die Zahl der Mitglieder blieb stabil. Wegen der Geldknappheit und der mangelnden Bereitschaft und Fähigkeit in der Geschäftswelt, Geld auf die hohe Kante zu legen, hatte die Bank aber zeitweise erhebliche Probleme bei der Kreditgewährung. Selten waren in den Geschäftsberichten die Erfolgsmeldungen, daß "alle berechtigten Kreditwünsche" erfüllt werden konnten. Immer wieder forderte der Vorstand die Kunden auf, auch kleinste Summen anzulegen, um die Abhängigkeit der Bank von Fremdkrediten verringern zu können, "anstatt, wie es in unverzeihlicher Rückständigkeit immer noch geschieht, sein Geld im Strumpf oder in der Westentasche nutzlos und wirtschaftsverderbend für einen gelegentlichen Gebrauch bereit zu halten".

Durch den Kurssturz an der New Yorker Börse am 24. Oktober 1929, dem sogenannten Schwarzen Freitag, wurde eine weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst, deren Folgen bald auch in Deutschland drastische Auswirkungen zeigten. In den Geschäftsberichten der Handels- und Gewerbebank der folgenden Jahre wurde die gesamtwirtschaftliche Lage in immer dunkleren Farben geschildert: Zunächst war von einem schnelleren Tempo des Wirtschaftsrückgangs die Rede, dann von einem Tiefstand. Auf das Jahr 1931 blickte der Vorstand schließlich nur noch "mit Schrecken" zurück. In diesem Jahr wurden die Banken, die bisher als eine der wenigen Branchen noch einigermaßen gut dastanden, von der Krise voll getroffen. Am 13. Juli brach eine Großbank, die Darmstädter und Nationalbank, zusammen. Die beiden darauf folgenden Tage wurden von der Reichsregierung unter Kanzler Heinrich Brüning per Notverordnung zu Bankfeiertagen erklärt, damit die Sparer nicht ihr gesamtes Geld abhoben. Offenbar waren die Auswirkungen in Leer nicht so drastisch wie andernorts, denn der Vorstand berichtete, daß "selbst in den Krisentagen größere Abhebungen nicht erfolgt" seien. Das Geschäftsergebnis, das erstmals seit über einem Jahrzehnt rückläufig war, litt vielmehr darunter, daß es verständlicherweise keine neuen Einlagen gab. 1931 lag die Bilanzsumme mit rund 1,4 Millionen Mark etwa 400000 Mark unter dem Vorjahresergebnis. In den beiden folgenden Jahren ging sie weiter zurück, und die Zahl der Mitglieder, die Jahre lang mit rund 900 stabil gewesen war, sank schlagartig auf weit unter 800.


Im Dritten Reich

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Zwei Monate nachdem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden war, fand am 21. März 1933 die Generalversammlung für das Geschäftsjahr 1932 statt. Nach den wirtschaftlich chaotischen Jahren und der krisengeschüttelten Weimarer Republik setzten viele Menschen, vor allem im Mittelstand, große Hoffnungen in die "nationale Erhebung". Bei der Eröffnung der Generalversammlung hielt der Vorsitzende des Aufsichtsrats, der nationalliberale Zeitungsverleger Dettmer Heinrich Zopfs, eine Ansprache, die das Protokoll so wiedergibt: "Er begrüßt die nationale Erhebung mit Freuden und dankt den Männern, die sie geführt und durchgeführt haben. Er gibt unseren Dank und Freude gegen diese Männer und gegen unseren hochverehrten Reichspräsident, Generalfeldmarschall v. Hindenburg dadurch Ausdruck, daß wir unseren innigsten Wunsch, daß es nun unserem lieben guten deutschen Vaterlande wieder gut gehen möge, ausklingen lassen in den Ruf Unsere gro
ße deutsche Volksgemeinschaft, unser liebes Vaterland hoch, hoch !"

Trotz seiner zweifellos nationalen Gesinnung wurde der Aufsichtsratsvorsitzende ein Opfer der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik und ein Jahr später aus seinem Amt verdrängt. "In letzter Minute", vermerkte Protokollant Jacob Veenhuis in einer Randnotiz zur Generalversammlung am 24. April 1934, trat Zopfs von seinem Posten zurück. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die NSDAP hatte wohl zunächst versucht, den gesamten Aufsichtsrat und Vorstand zum Rücktritt zu bewegen. Als dies nicht gelang, weil alle auf dem Selbstbestimmungsprinzip der Genossenschaft beharrten und sich nicht dem Druck von außen beugen wollten, ging der Vertraute der Partei, Syndikus Rolf vom Genossenschaftsverband aus Hannover, kurz vor der Versammlung zu Zopfs und überredete ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Rücktritt.

Ein Dokument dieses unfreiweilligen Schritts des Aufsichtsratsvorsitzenden stellt das Protokoll der Generalversammlung dar. Üblicherweise wurde die Einleitung des handschriftlichen Versammlungsprotokolls mit der Feststellung der rechtzeitigen Einladung, der Tagesordnung und einer Eröffnungsfloskel schon vorher geschrieben. In der ursprünglichen Fassung stand der übliche Satz: "Der Vorsitzende des Aufsichtsrats eröffnet um 8.30 Uhr die Versammlung." Er wurde umgeschrieben und lautete schließlich: "Da der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Herr D. H. Zopfs, seinen Posten als Vorsitzender des Aufsichtsrats niedergelegt hat, eröffnet Herr Eidtmann . . . um 8.30 Uhr die Versammlung."

Wer die Drahtzieher waren, war für die damals Beteiligten natürlich kein Geheimnis. Nachfolger von Zopfs als Aufsichtsratsvorsitzender wurde Ludwig Garrels, der dieses Amt bis 1968 innehatte. Die Verdrängung von Zopfs war aber alles, was die NSDAP gegen die Genossenschaft durchsetzen konnte. Die langjährigen geschäftsführenden Vorstandsmitglieder Jacob Veenhuis (seit 1915) und Franz Sommer (seit 1923) blieben im Amt. Veenhuis ging 1949 in den Ruhestand, Sommer schied 1961 aus.

Wirtschaftlich entwickelte sich die Bank außerordentlich gut. Die Bilanzsumme betrug im Geschäftsjahr 1933 knapp 1,3 Millionen Reichsmark. Acht Jahre später war sie auf über sechs Millionen RM gestiegen, unter anderem mit der Folge, daß die Generalversammlung erst im August abgehalten werden konnte. Ab einer Bilanzsumme von fünf Millionen RM mußte die Jahresrechnung vom Revisionsverband der Bank geprüft werden. Aber laut Vorstandsbericht auf der Generalversammlung "steht dem Verbande infolge des Krieges nur eine beschränkte Anzahl von Prüfern zur Verfügung". Im kommenden Jahr kletterte die Bilanzsumme weiter und wurde mit knapp 7,9 Millionen RM ausgewiesen. Diese Steigerung war zum größten Teil durch die Inflation, oder, wie es im Geschäftsbericht für 1941 hieß, "die steigende Verflüssigung des Geldes" bedingt. Wie schon im ersten Weltkrieg führte die Kriegswirtschaft in Deutschland zu einer immer größeren Geldmenge, während das Warenangebot ständig zurückging. Von 1944 bis 1946 wurden keine Generalversammlungen abgehalten. Die Geschäftsberichte für diesen Zeitraum wurden erst in einer ordentlichen Generalversammlung am 15. Oktober 1947, über zwei Jahre nach Kriegsende, vorgelegt.

Zwei Ereignisse, die noch heute das Gesicht der Bank prägen, fallen in die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg. Es waren der Kauf des Jugendstil-Gebäudes in der Mühlenstraße, die damals Hindenburgstraße hieß, und die Umbenennung in Ostfriesische Volksbank.

Im März 1936 erwarb die Handels- und Gewerbebank das Gebäude der früheren Ostfriesischen Bank, die in die Osnabrücker Bank aufgegangen war. Der Kaufpreis betrug 52500 RM, obwohl das Haus mehr wert gewesen war. Der Aufsichtsratsvorsitzende Garrels selbst sprach in der Generalversammlung von einem "billigen Preis". Auch die NSDAP hatte Interesse an diesem repräsentativen Gebäude gezeigt, das vor dem ersten Weltkrieg erbaut worden war, konnte sich aber offenbar mit der Eigentümerin, der Oldenburgischen Landesbank, nicht über einen Pachtvertrag einigen. Bereits am 1. April wurde der Geschäftsbetrieb in der Mühlenstraße aufgenommen, woraus ersichtlich ist, daß keine größeren Umbauten erforderlich waren. Das Haus war ja vorher stets als Bank genutzt worden. Das Gebäude in der Brunnenstraße, zwölf Jahre Domizil der Bank, wurde Anfang 1937 für 20000 RM verkauft. Heute gehört es der AOK Leer/Borkum.

In der Generalversammlung am 22. März 1939 wurde einstimmig die Umbenennung der Bank in "Ostfriesische Volksbank e.G.m.b.H." beschlossen. Dies geschah auf Druck des Genossenschaftsverbands und offenbar recht kurzfristig, denn in dem gedruckten Geschäftsbericht, der auf dieser Versammlung vorgelegt wurde, ist der entsprechende Tagesordnungspunkt "7. Statutenänderung § 1" nachträglich aufgestempelt worden. Im neuen Namen kam die Öffnung zu neuen Berufs- und Sozialgruppen zum Ausdruck, die bereits 1934 durch Streichung einer Bestimmung in den Statuten, die bestimmte Berufsgruppenanteile für die Aufsichtsratssitze empfahl, eingeleitet worden war. Die Idee von einer Volksbank, die der gesamten Volksgemeinschaft verpflichtet ist, hatte D. H. Zopfs schon 1934 in der gestrichenen Passage des Versammlungsprotokolls propagiert. Sie war allerdings keine Erfindung der Nazi-Zeit. Volksbanken gab es seit Beginn der Genossenschaftsbewegung. Auch als die damalige Genossenschaftsbank sich 1923 einen neuen Namen geben wollte, war die Firmierung als Volksbank unter den Vorschlägen.

Ursprünglich sollte der neue Name, so das Ziel der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik, schlicht Volksbank Leer lauten. Die Leeraner hätten aber viel lieber ihren alten Namen behalten. Aus Trotz wurde dann der Name Ostfriesische Volksbank Leer gewählt, was prompt Ärger und mehrere Gerichtstermine einbrachte. Der Namensstreit führte die Kontrahenten bis an den Reichsgerichtshof in Berlin.

Durch das neue Gebäude wurde die Bank in die Lage versetzt, den steigenden Anforderungen ihres Geschäftsbetriebs in den folgenden Jahren gerecht zu werden. Der Krieg beeinflußte die Arbeit zunächst wenig. Nach und nach wirkten sich aber die Einberufungen immer stärker aus, und die Belastung der verbliebenen Mitarbeiter nahm zu. Im Sommer 1944 quartierte sich ein Bataillonsstab der Waffen-SS ein, wodurch der Bankbetrieb stark eingeschränkt wurde. Als die Front sich Anfang 1945 Leer näherte, konnte die Bank wegen des häufigen Fliegeralarms nur noch im Notbetrieb arbeiten. Jedesmal brachten sich nicht nur die Menschen in den Luftschutzkeller unter der Bank in Sicherheit. Auch die wertvolle Buchungsmaschine wurde bei jedem Alarm in den Tresor eingeschlossen, um sie vor Zerstörung oder Beschädigung zu bewahren. Ein Teil der normalen Arbeit mußte wegen der häufigen Unterbrechungen in die Nacht verlegt werden, um den Zeitverlust aufzuholen. Am 28. April w
urde das Gebäude von kanadischen Einheiten besetzt. Bei Feuergefechten am nächsten Tag wurde die Eingangstür gesprengt, woran heute eine Gedenktafel erinnert. In den folgenden Tagen kam es in der Stadt zu Plünderungen durch die Besatzungstruppen, von denen die Bank nicht verschont blieb. Der Versuch, die Tresortür zu sprengen, um an die Wertsachen in den dahinter liegenden 600 Safes zu kommen, scheiterte allerdings.

Von Kriegsfolgen, wenn auch nicht unmittelbar von Kriegseinwirkungen betroffen waren ebenfalls zwei Geschäftsstellen der Bank. Aufgrund einer Notverordnung zur Bankrationalisierung vom Mai 1943 mußten die Niederlassungen in Ihrhove, die seit 1932 bestand, und in Weener geschlossen werden. In Weener wurde der Betrieb 1955 wieder aufgenommen, in Ihrhove war die Bank erst im August 1963 wieder vertreten.


Wiederaufbau

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Nach der Kapitulation kam der Bankbetrieb in der Hauptstelle in der Mühlenstraße und in den Geschäftsstellen Bunde, Warsingsfehn und Westrhauderfehn nur langsam wieder in Gang. Hier wirkten sich nicht nur die unmittelbaren Folgen des völligen Zusammenbruchs aus. Das Kreditwesen in Deutschland war auch durch die strenge Politik der Besatzungsmacht stark in seinen Möglichkeiten beschränkt. Einlagenzinsen waren verboten, wären aber ohnehin nicht möglich gewesen, weil die Guthaben der Banken eingefroren waren. Die laufenden Geschäftskosten mußte die Bank aus dem Tagesgeschäft bestreiten, sie lebte praktisch von der Hand in den Mund. Immerhin wurde aber sogar 1945 ein kleiner Überschuß von rund 4300 Reichsmark erzielt.

Die Militärverwaltung verbot auch die Bilanzveröffentlichungen, die bei der Ostfriesischen Volksbank schon in den Kriegsjahren 1944 und 1945 nicht mehr möglich waren. Erst am 15. Oktober 1947 trafen sich die Mitglieder wieder zu einer Generalversammlung, in der der Vorstand die Jahresrechungen für 1943 bis 1946 vorlegen konnte. Dann dauerte es erneut noch einmal fast fünf Jahre bis zur nächsten Generalversammlung, in der am 9. Mai 1952 die Bank die schwierige Umstellung nach der Währungsreform zumindest in den Bilanzen beendete.

Das Kapitel Reichsmark schloß die Bank am 20. Juni 1948 mit einer Bilanzsumme von rund 14,8 Millionen Reichmark ab. Am Stichtag der Währungsreform, dem 21. Juni, wies die D-Mark-Eröffnungsbilanz eine Bilanzsumme von knapp 860000 DM aus. Die Gesamteinlagen von fast 14 Millionen RM waren über Nacht auf 730000 DM geschrumpft, wovon der Bank zunächst allerdings nur zehn Prozent als Erstausstattung zur Verfügung standen. Der Rest der Betriebsmittel lag als Ausgleichsforderung gegen das Land Niedersachsen auf Eis, wurde nur gering verzinst und erst ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre langsam zurückgezahlt. Der Geschäftsanteil war wie das Geschäftsguthaben nach den gesetzlichen Bestimmungen im Verhältnis 10:1 auf 30 DM verringert worden. Um eine angemessene Eigenkapitalbasis zu erhalten, beschloß die Generalversammlung, den Anteil auf 300 DM (damals noch allgemein DMark geschrieben) zu erhöhen.

Der durch die Währungsumstellung verursachte Preisanstieg und ein großer Nachholbedarf führten dazu, daß viele Kunden Geld abhoben, das fast ausschließlich durch die Neueinzahlungen gedeckt war. Es war für die Bank nicht leicht, diese Anforderungen zu meistern, und so klagte der Vorstand 1952: "Bei der Beengtheit der eigenen Mittel, dem ungeheuren Kreditbedarf aller Wirtschaftskreise und dem durch die Art der Währungsreform getöteten Sparwillen waren die Beschaffung und Bereitstellung der Mittel keine leichten und angenehmen Aufgaben." Probleme bereitete der Bank auch die "sich nicht nur auf einige Ausnahmefälle beschränkende gesunkene Schuldnermoral".

Die Zahlen belegen, daß es dennoch langsam aufwärts ging. Die Bilanzsumme stieg in den folgenden Jahren kontinuierlich an. Im Jubiläumsjahr 1959, als im Schützengarten das 90jährige Bestehen gefeiert wurde, betrug sie schon 8,7 Millionen Mark. Im selben Jahr überschritt die Zahl der Mitglieder, nachdem sie 1945 mit 613 ihren Tiefstand erreicht hatte und nach der Währungsreform zunächst stark schwankte, die Grenze von 1000. In den 60er Jahren machte die Bank eine steile Aufwärtsentwicklung durch und spiegelte damit die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung im Wirtschaftswunderland Bundesrepublik wieder. Die Bilanzsumme steigerte sich jährlich mit erheblichen Zuwachsraten bis über 30 Prozent.

Äußerlich fanden die neuen Zeiten und der Aufschwung ihren Ausdruck in einer regen Bautätigkeit. Schon 1950 wurden die Kassenräume in der Mühlenstraße renoviert. Ein weiterer Umbau im Bankgebäude erfolgte 1954, und 1962 wurde der Kassenraum erneut den Erfordernissen eines stetig steigenden Geschäftsverkehrs angepaßt, dem 1965 der Einzug der elektronischen Datenverarbeitung zu verdanken war. 1956 wurden die Geschäftsstellen in Bunde und Weener ausgebaut, 1962 der Grundstein für die erste Stadtfiliale an der Bremer Straße gelegt. 1964 wurde eine weitere Filiale in der Pferdemarktstraße eröffnet, und im selben Jahr bezog die Geschäftsstelle in Weener einen Neubau. Ebenfalls 1964 faßte die Bank mit einer Geschäftsstelle in Jemgum Fuß. Weitere Geschäftsstellen folgten 1966 in Loga, Heisfelde und Völlenerfehn. 1967 war die Volksbank einschließlich der 1963 wiedereröffneten Geschäftsstelle Ihrhove außer in Leer an neun Orten im Kreisgebiet vertreten. Zu diesem Zeitpunkt, knapp 20 Jahre nach der Währungsreform und kurz vor ihrem 100jährigen Bestehen, zählte die Genossenschaft fast 2200 Mitglieder, und die Bilanzsumme betrug beinahe 32 Millionen Mark.


Fusionen mit den Volksbanken Haren und Papenburg

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Das 99. Jahr der Bank stellte einen besonderen Markstein in der Geschichte dar, verließ doch damit die Genossenschaft ihren angestammten Geschäftsbereich im Landkreis Leer. Nach mehrmonatigen Verhandlungen billigte die Generalversammlung die Fusion mit der Volksbank in Haren. Sie wurde mit Ablauf des Monats Juni rechtswirksam.

Die Volksbank in dem gerade drei Jahre zuvor mit den Stadtrechten bedachten Haren war zur Sicherung einer möglichst positiven Entwicklung auf der Suche nach einem Partner, der über eine gute Eigenkapitalausstattung und ein beachtliches Geschäftsvolumen verfügte. Außerdem sollte er Erfahrung im Schiffahrtsgeschäft aufweisen. Haren gilt noch heute als die Schifferstadt an der Ems. Dort waren im Jahr der Fusion etwa 300 Reeder und andere Unternehmen des Schiffahrtsbereichs tätig. Die Ostfriesische Volksbank, in einer Hafenstadt ansässig, erfüllte die Ansprüche der Harener Bank. Sie war mit einem Bilanzvolumen von rund 32 Millionen Mark gegenüber etwa zwölf Millionen Mark der Volksbank Haren der wesentlich größere Partner bei diesem Zusammenschluß.

Als die Verschmelzung 1968 beschlossen wurde, waren Fusionen von Genossenschaftsbanken nicht selbstverständlich. Die Tradition der Selbständigkeit war noch sehr stark ausgeprägt, es fehlten häufig wohl, was der OVB-Vorstand in seinem für das Geschäftsjahr 1972 abgegebenen Bericht andeutete, "die notwendigen Impulse". In jenem Jahr hatten sich auf Bundesebene die beiden genossenschaftlichen Spitzenverbände, der Deutsche Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) und der Deutsche Raiffeisenverband zum "Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband" zusammengeschlossen. Damit war die rund 100 Jahre alte, auf die unterschiedlichen Standpunkte der Gründerväter Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen zurückgehende Trennung der deutschen Genossenschaftsbewegung überwunden. Seither führt die Volksbank neben dem altem geflügelten V die gekreuzten Pferdeköpfe der Raiffeisenseite als ihr Emblem.

Die Besonderheit der Fusion zwischen den Volksbanken in Leer und Haren war indes räumlicher Natur. Die Geschäftsgebiete der beiden Partner hatten überhaupt keine Verbindung miteinander, und dazwischen waren mehrere andere Genossenschaftsbanken tätig. Die Entfernung von der Hauptstelle zu den 17 Mitarbeitern im rund 65 Kilometer entfernten Haren waren dank moderner Kommunikationstechnologie leicht zu überwinden.

Die Verschmelzung mit der Volksbank Haren brachte der Ostfriesischen Volksbank nicht nur einen Zuwachs in der Bilanzsumme, die im Jahr nach der Fusion an die Marke von 50 Millionen Mark herankam. Die Mitgliederzahl von gut 2000 aus Leer und etwa 1000 aus Haren führte wegen der gesetzlichen Vorschriften dazu, daß 1968 die Generalversammlung aller Mitglieder als beschlußfassendes Organ der Genossenschaft durch eine Vertreterversammlung abgelöst wurde, in die für je 50 Genossenschaftsmitglieder ein Vertreter gewählt wurde.

Bereits 1971 erfolgte die zweite Fusion. Die Volksbank Papenburg war mit einer Bilanzsumme von 4,5 Millionen Mark und sieben Mitarbeitern eine der kleinsten Volksbanken in Niedersachsen. Das bedeutete, daß es nur eingeschränkte Möglichkeiten gab, auf Dauer eine ausreichende Kreditversorgung der Kunden sicherzustellen. Vorstand und Aufsichtsrat suchten sich dazu die OVB als leistungsfähigen Partner aus.

Von der Volksbank Papenburg übernahm die OVB knapp 400 Mitglieder, die Mitgliederzahl der Gesamtbank bewegte sich jetzt auf 4000 zu. Diese Marke wurde Anfang 1974 erreicht. Der nächste Tausender-Sprung war im Jahr 1985. Zwischenzeitlich war in einem Jahr (1981) die Mitgliederzahl sogar leicht zurückgegangen. Überhaupt war der Mitgliederzuwachs seit Ende der 70er Jahre wesentlich moderater als zuvor, als in manchen Jahren noch Hunderte von neuen Mitgliedern verzeichnet wurden. Wegen der neuen gesetzlichen Regelung, die die Kreditgewährung nicht mehr an eine Mitgliedschaft band, entfiel die Notwendigkeit, der Genossenschaft beizutreten. 1991 gab es durch die Fusion mit der Bank für Schiffahrt, Handel und Gewerbe einen doppelten Tausender-Sprung. Die Mitgliederzahl stieg in diesem Jahr unterm Strich von rund 5800 auf etwas über 7000.


Die Volksbank Haren

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Die Volksbank Haren wurde am 12. Januar 1902 als "Creditverein zu Haren" gegründet und hatte die "Förderung des Erwerbes und der Wirtschaft ihrer Mitglieder, insbesonders durch Annahme und Verzinsung von Einlagen und der Gewährung von Krediten" zum Ziel. Den ersten Aufsichtsrat führte über 30 Jahre Gerhard Meyering. Der Uhrmacher J. Jüngerhans wurde per Akklamation zum vorsitzenden Vorsteher ernannt. Der Geschäftsbetrieb begann am 24. März in gemieteten Räumen in der Kirchstraße 47.

Im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik mußte auch der Creditverein Haren seinen Namen ändern. Die Umfirmierung in Volksbank Haren/Ems wurde am 4. Mai 1939 einstimmig beschlossen. Noch im selben Jahr zog die Bank um. Die neuen Räume in der Kirchstraße 50 waren genau wie die alten gemietet.

Die Volksbank konnte trotz des Krieges noch im Juli 1944 eine Generalversammlung abhalten. Im April 1945 besetzten die Alliierten die Stadt. Die Bank mußte ihre Räume in der Kirchstraße räumen. Ihr vorübergehendes neues Domizil fand sie in Altharen in der Wesuweer Straße, wo nach der Fusion mit der Ostfriesischen Volksbank rund 30 Jahre später eine neue Geschäftsstelle eröffnet wurde.

Die Bank zog bald wieder in die Kirchstraße. Dort wurde 1955 ein Grundstück für einen Neubau gekauft, dessen Grundstein am 22. Dezember 1960 gelegt wurde. Im darauffolgenden Jahr konnte der Neubau bezogen werden. Im April 1965 wurde eine Zweigstelle im Stadtteil Emmeln eröffnet.

Ihre Selbständigkeit gab die Volksbank Haren am 7. Juni 1968 auf. Die Generalversammlung beschloß an diesem Tag den Verschmelzungsvertrag mit der OVB. Vorstandsmitglied Horst Weimann wurde in den Vorstand der Gesamtbank berufen, dem er noch heute angehört.


Die Volksbank Papenburg

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Die Volksbank Papenburg war eine Gründung der Kriegszeit. Zur Gründungsversammlung am 22. Dezember 1940 waren 13 Personen gekommen. Getagt wurde im Haus von Johannes Wilken, der zum ersten Vorstandsvorsitzenden gewählt wurde. Die Bank entwickelte sich trotz des Krieges und der kaum weniger schwierigen ersten Nachkriegsjahre gut, die Bilanzsumme stieg von etwa einer halben Million Mark im ersten Jahr schnell an. Das heißt nicht, daß es der Volksbank Papenburg oder anderen Banken gut ging. Ihnen fehlte häufig die nötige Einrichtung, Geld für Anschaffungen war kaum vorhanden. Selbsthilfe und Solidarität wurden groß geschrieben. Bezeichnenderweise bat der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Friedrich Nyblad, in der fünften ordentlichen Generalversammlung im Sommer 1947 nicht nur, wie eigentlich in jeder Versammlung, "die Anwesenden, ihre Geschäfte durch die Volksbank erledigen zu lassen", sondern auch, "etwaige entbehrliche Stühle oder einen Tisch der Volksbank für ihre durch Bomben zerstörte Einrichtung zur Verfügung stellen zu wollen". Im selben Jahr noch vergrößerte die Bank aber ihre Geschäftsräume. 1954 kauft die Bank von der Stadt Papenburg ein Haus am Hauptkanal. Das Haus wurde 1982 durch einen Neubau an gleicher Stelle ersetzt.

Die Kontakte mit der Ostfriesischen Volksbank waren - aus Sicht der Papenburger Genossenschaft - zunächst nicht erfreulich. 1966 hatte die OVB in Völlenerfehn, unmittelbar an der Grenze zum Papenburger Stadtgebiet, eine Geschäftsstelle eröffnet. Im selben Jahr beschränkte sich die Generalversammlung noch auf einen Appell an das Solidaritätsgefühl der Mitglieder. Im folgenden Jahr wurden Aufsichtsrat und Vorstand einstimmig beauftragt, "beim Verband gegen die Methoden der Ostfries. Volksb. zu protestieren". Vier Jahre später, am 26. Mai 1971, war der komplette Vorstand der Leeraner Bank Gast der Generalversammlung, auf der mit 36 gegen drei Stimmen die Verschmelzung beschlossen wurde. Um die Belange der Bank in der Gesamtbank zu vertreten, wurde ein sechsköpfiger Beirat gewählt.


Baumaßnahmen und Geschäftsstellen

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Im Jahr ihres 100jährigen Bestehens hatte die Volksbank in ihrem Kernbereich, dem Landkreis Leer, noch doppelt so viele Niederlassungen wie heute. Sechs Geschäftsstellen wurden seit Anfang der 70er Jahre geschlossen: Heisfelde, Ihrhove, Loga, Völlenerfehn, Warsingsfehn und Westrhauderfehn. Dafür gab es unterschiedliche Gründe. Für die Schließungen in Loga und Heisfelde war laut Geschäftsbericht von 1974 "die unverändert beunruhigende Entwicklung der gesamten Betriebskosten" ausschlaggebend. Vorstand und Aufsichtsrat hielten es für geraten, kostensparend einzugreifen. Auch hatte sich die Geschäftsphilosophie geändert. Es kam nicht mehr darauf an, möglichst breitgestreut vertreten zu sein, sondern gezielt Schwerpunkte zu setzen. Der Rückgang aus der Fläche war auch bei anderen Kreditinstituten zu beobachten. Im Fall von Ihrhove, Warsingsfehn und Westrhauderfehn betrieb die Volksbank mit ihren jeweiligen Schwesterbanken Gebietsbereinigungen. Die Geschäftsstelle Völlenerfehn wurde bald nach der Fusion mit der Volksbank Papenburg geschlossen. Sie war in so geringer Nähe zur neuen Niederlassung überflüssig geworden. Neu kamen durch die Fusion mit der Volksbank Haren die Geschäftsstelle in Emmeln, durch die Verschmelzung mit Papenburg eine Niederlassung in Sögel hinzu.

Vorstand und Aufsichtsrat konzentrierten sich in den 70er Jahren auf den Ausbau der Filialen in Haren und Papenburg. Am Papenburger Bankgebäude wurden schon wenige Monate nach der Fusion ausreichend Parkplätze für die Kunden geschaffen. 1972 erhielt das Gebäude eine moderne Einrichtung, um dem stark gestiegenen Geschäftsverkehr Rechnung zu tragen und Kapazitätsreserven zu schaffen. Anfang 1973 eröffnete die Ostfriesische Volksbank eine Geschäftsstelle am Papenburger Obenende, die 1980 auf Grund des gestiegenen Geschäftsbetriebs erweitert und neugestaltet wurde. Die Sögeler Geschäftsstelle bezog im selben Jahr einen Neubau. Im Februar 1982 wurde der Neubau der Papenburger Niederlassung begonnen. Das alte Geschäftslokal wurde der stark gestiegenen Kundenzahl nicht mehr gerecht. Da am selben Platz gebaut wurde, mußte die gesamte Belegschaft während der Bauzeit in gemietete Räume in der Friederikenstraße umziehen. Zehn Monate später, Anfang Dezember 1983, wurde der Neubau bezogen, was mit einem Tag der offenen Tür, zu dem Tausende Papenburger kamen, gefeiert wurde.

In Haren wurde 1975 auf Wunsch der Kundschaft eine Stadtfiliale in der Wesuweer Straße eröffnet. Ende der 70er Jahre genügten die räumlichen Verhältnisse der Harener Niederlassung, die 1969 kurz nach der Fusion modernisiert worden war, den Anforderungen des Geschäftsbetriebs nicht mehr. Sie wurde umgebaut, erweitert und Anfang 1981 wesentlich vergrößert und völlig modernisiert in Betrieb genommen. Auch hier war die Bevölkerung zu einem Tag der offenen Tür eingeladen, der stark angenommen wurde.

Die Hauptniederlassung in dem alten Jugendstilgebäude in der Mühlenstraße in Leer platzte Anfang der 70er Jahre aus allen Nähten. Sie "genügt sowohl vom Bauvolumen her als auch gestalterisch nicht mehr zur reibungslosen Abwicklung des im Laufe der letzten Jahre gestiegenen Geschäftsumfangs", berichtete der Vorstand auf der Vetreterversammlung für das Geschäftsjahr 1974. Mit dem dann begonnenen Bauvorhaben bekam die Zentrale in der Mühlenstraße das heutige charakteristische Aussehen durch den flachen Kassenhallen-Anbau an der Ecke Norderstraße. Im Spätsommer 1976 war der Um- und Anbau abgeschlossen. Dieses Ereignis war im Oktober Anlaß genug für die Bank, die Bevölkerung zu einem Wochenende der offenen Tür einzuladen. Rund 8000 Menschen aus Leer und der näheren und weiteren Umgebung kamen, um ihre Bank zu besichtigen und den Neubau einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die Stadtfiliale in der Pferdemarktstraße wurde Mitte 1981 geschlossen. Zwei Jahre später zog die Bank in ihre neue Stadtfiliale am Bahnhofsring ein. Mit dem neuen Standort am oberen Ende der Mühlenstraße wurde dem Wunsch vieler Geschäftsfreunde aus diesem Bereich gefolgt, die dadurch wesentlich kürzere Wege zu ihrer Bank hatten.

1982 wurden die Geschäftsräume in Jemgum umgebaut und erweitert, weil auch hier die Kundenfrequenz zugenommen hatte. Die Geschäftsstelle in Weener wurde 1991 umgebaut und modernisiert. In Bunde bezog die Volksbank 1993 ein neues Gebäude.

Modernisierung in den Bankgebäuden bedeutete in den letzten rund 20 Jahren verstärkt auch den Einsatz modernster Technologien. Das Computer-Zeitalter begann für die OVB schon 1965 mit dem Einsatz einer langfristig gemieteten EDV-Anlage, die die alte mechanische Buchungsmaschine ersetzte. Die IBM Lochkartenanlage 444, für heutige Verhältnisse ein technisches Monstrum, deren Bedienung eine monatelange Schulung erforderte, war die erste derartige Maschine, die im ostfriesisch-emsländischen Raum bei einer Genossenschaftsbank in Betrieb war. Darauf wurden nicht nur die eigenen Buchungen erledigt, auch die der Volksbank Westrhauderfehn wurden in Leer verarbeitet. 1969 gab die Bank die Buchungen an das in der Stadt neueröffnete VODAG-Rechenzentrum ab, weil die Kapazität der eigenen Anlage schon wieder erschöpft war. Die rasante Entwicklung auf dem Computersektor begann allerdings in den 80er Jahren. Anfang 1986 kam der erste PC in die Bank. Etwa zwei Jahre später wurde die erste Filiale mit dem Rechner der Hauptniederlassung on-line verbunden. Für die Kunden direkt nutzbar wurde die neue Technologie mit der Inbetriebnahme eines Geldausgabeautomaten im Mai 1990 in der Niederlassung Haren. Dort ratterte im selben Jahr auch der erste Kontoauszugsdrucker.


Fusion mit der Bank für Schiffahrt

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Zwischen der zweiten Fusion, die der ersten in kurzem Abstand folgte, und der vorerst letzten lagen 20 Jahre. In dieser Zeit hatte sich die OVB mit jährlich zum Teil überdurchschnittlichen Zuwachsraten stetig gut weiterentwickelt. 1969, im ersten Jahr nach dem Vollzug der Fusion mit der Volksbank Haren, betrug die Bilanzsumme etwas mehr als 49 Millionen Mark. Als sich Mitte der 70er Jahre die Bilanzsumme verdoppelt hatte, lag die Bank nach einer Aufstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter 635 deutschen Volks- und Raiffeisenbanken an 171. Stelle und war damit eine der größten in Nordwestdeutschland. Bis 1990, im Jahr vor der Fusion mit der Bank für Schiffahrt, Handel und Gewerbe, war ein Bilanzvolumen von über 261 Millionen Mark erreicht.

Die Verschmelzung mit der in Hannover ansässigen Bank für Schiffahrt, die im Juni 1991 beschlossen, war sicherlich eine der ungewöhnlichsten in der Geschichte des Genossenschaftswesens. Sind es in der Regel die räumlich benachbarten Geschäftsgebiete, die zwei Banken zusammenführen, gab in diesem Fall die besondere geschäftliche Ausrichtung den Ausschlag. Die Bank für Schiffahrt sah sich als einzige genossenschaftliche Spezialbank für die Binnenschiffahrt, zumal nach den verschärften Anforderungen durch die Europäische Gemeinschaft, trotz ihrer Größe (Bilanzsumme zum Zeitpunkt der Fusion rund 135 Millionen Mark, mehr als 1000 Mitglieder) vor größer werdende Probleme bei der Eigenkapitalbeschaffung und der Refinanzierung gestellt. Sie suchte einen Partner, der in diesem Schiffahrtsgeschäft Erfahrung hatte und gewährleistete, daß ihre angestammte Klientel nach einer Fusion in bewährter Weise betreut wurde. Räumliche Nähe und die Frage des juristischen Sitzes der Bank spielten dabei keine ausschlaggebende Rolle. Ihre Kunden waren Binnenschiffer, die auf den Wasserwegen des ganzen Bundesgebiets unterwegs waren und deshalb an keinen bestimmten Bankort gebunden waren. Deren Bedürfnissen entsprechend hatte die Bank ihre Niederlassungen an besonderen Knotenpunkten der Binnenschiffahrt aufgebaut und war 1991 in Hamburg, Berlin und Duisburg vertreten.

Die drei Fusionen haben in vollem Umfang zu den gewünschten Erfolgen geführt: Die Beratungsleistungen konnten den gestiegenen Anforderungen der Kunden angepaßt werden, problemlos wurden Kredite in den gewünschten Höhen bereitgestellt. Durch Zusammenfassungen von innerbetrieblichen Abläufen sind zahlreiche Rationalisierungsmöglichkeiten nutzbar gemacht worden. Vorstand und Aufsichtsrat haben bei allen drei Fusionen Wert darauf gelegt, die Entscheidungskompetenz der fusionierten Banken nicht zu beschneiden, sondern sie möglichst zu erweitern. Für die Kunden wichtige Entscheidungen sollen schnell vor Ort getroffen werden und nicht am Ende eines langen Instanzenwegs. Die Eigenständigkeit unter dem gemeinsamen Dach der Ostfriesischen Volksbank sowie die Verbundenheit mit dem angestammten Kundenkreis drücken sich auch darin aus, daß alle fusionierten Banken vor Ort unter ihren ursprünglichen Namen firmieren.


Bank für Schiffahrt, Handel und Gewerbe

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Die Bank für Schiffahrt, Handel und Gewerbe wurde im Mai 1911 von Binnenschiffern in Landsberg an der Warthe, dem bedeutensten Oder-Nebenfluß, gegründet. Als "Landsberger Spar- und Vorschußverein für Binnenschiffahrt" bot die erste Schifferkreditgenossenschaft Deutschlands ihren Mitgliedern die wirtschaftliche Grundlage dafür, den steigenden Anforderungen des Schiffsverkehrs nachzukommen. Der trotz mancher Rückschläge steten Aufwärtsentwicklung bereiteten die Kriegsfolgen ein jähes Ende. Die Kunden und Mitglieder der Bank hatten durch die Vertreibung aus dem heute polnischen Gebiet ihre Heimat verloren. Der Bank gelang als einziger von neun Schiffer-Kreditgenossenschaften, die im Oder-Stromgebiet bestanden hatten, der Wiederaufbau im Westen. 1948 wurde ein Neuanfang als "Spar- und Vorschußverein für Binnenschiffahrt" mit Sitz in Hannover gemacht. Er blieb das einzige genossenschaftliche Spezial-Kreditinstitut für die mittelständische Binnenschiffahrt in Deutschland. Einige Jahre später firmierte das Institut um und nannte sich fortan "Bank für Binnenschiffahrt".

In den 50er Jahren gründete die Bank Niederlassungen an wichtigen Binnenschiffahrtszentren, in Hamburg und Berlin sowie in Herne (später Datteln). Es kamen Niederlassungen in Ludwigshafen und Duisburg-Ruhrort dazu. 1968 firmierte die Bank in "Bank für Schiffahrt, Handel und Gewerbe" um.

Ein großer Teil der in Westdeutschland ansässigen mittelständischen Partikuliere waren Mitglieder und Kunden der Bank. Ihr Anteil am Geschäftsvolumen lag Anfang der 70er Jahre noch bei rund 90 Prozent. Er ging dann, weil sich die Geschäftsbeziehungen zu anderen, der Binnenschiffahrt nahestehenden Branchen (Befrachter, Werften, Versicherungen etc.) verstärkten, stetig zurück.


Die Ostfriesische Volksbank heute

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Seit der Gründung der Bank vor 125 Jahren haben sich das wirtschaftliche Umfeld, die politischen Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen, unter denen die Kreditinstitute arbeiten, grundlegend gewandelt. Diese Entwicklung hat natürlich auch die OVB geprägt. Aus der Selbsthilfeeinrichtung im Sinne der Ideen von Hermann Schulze-Delitzsch ist in einer kontinuierlichen Entwicklung eine Universalbank geworden, die alle Dienstleistungen eines modernen Kreditinstituts zur Verfügung stellt. Die grundsätzliche Aufgabenstellung ist jedoch unverändert geblieben: Sie ist eine nach demokratischen Prinzipien ausgerichtete Bank, die die Förderung des wirtschaftlichen Mittelstands als oberstes Gebot ihrer Geschäftspolitik betrachtet.

Die Ostfriesische Volksbank eG, die älteste selbständige Genossenschaftsbank im ostfriesisch-emsländischen Raum, ist in ihrem Jubiläumsjahr 1994 an 16 Plätzen in den Städten Leer, Haren, Papenburg, Hannover, Hamburg, Berlin und Duisburg sowie im Rheiderland und auf dem Hümmling vertreten. Mit einer Bilanzsumme von 450 Millionen Mark gehört sie zu den größten Genossenschaftsbanken mit Sitz im Regierungsbezirk Weser-Ems. Über 7000 Mitglieder sind ihre Eigentümer. Sie halten zusammen mehr als 19000 Geschäftsanteile. Die Zahl der Kunden liegt bei etwa 26000, für die die Bank rund 54000 Konten führt. 118 Mitarbeiter, davon 25 Auszubildende, sorgen für die Betreuung der Kunden und für eine reibungslose Abwicklung der Bankgeschäfte.

Die Bank betreut Unternehmen aus dem gesamten Mittelstand sowie Privatpersonen. Besonders intensiv und auch künftig von hohem Stellenwert sind die geschäftlichen Verbindungen zur Schiffahrt und zwar sowohl zur Binnenschiffahrt als auch zur Küsten- und Seeschiffahrt. Die Verbindungen zur Binnenschiffahrt wurden 1991 durch die Fusion mit der Bank für Schiffahrt wesentlich vertieft.

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© Norbert Fiks