Die SS-Ärzte

Bild: Seziertisch im Hauptlager
Seziertisch im Hauptlager
Das Sanitätswesen im Konzentrationslager stand unter der Leitung eines SS-Standortarztes. Er war nicht der SS-Lagerleitung unterstellt, sondern direkt dem SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt.

Der SS-Standortarzt in Mauthausen verfügte über 6 bis 12 SS-Ärzte und ungefähr 40 SS-Sanitätsdienstgrade.
 
Die kranken Häftlinge wurden anfangs ausschließlich von SS-Ärzten behandelt, erst später gab es auch Häftlingsärzte.
 
Anstatt die Kranken zu heilen, hielten es die meisten SS-Ärzte für ihre Pflicht, die kranken, also arbeitsunfähig gewordenen Häftlinge durch in der SS-Terminologie so bezeichnete "Sonderbehandlungen" zu Tode zu bringen.
 
Die "Vernichtung" der Kranken geschah immer entweder auf Anweisung, unter Aufsicht oder mit Wissen und Billigung des Standortarztes und seiner Ärzte.
 
Wenn man die Kranken nicht verhungern ließ oder sie einfach ihrer Krankheit und so dem allmählichen Sterben überließ, wenn man sie nicht von SS-Angehörigen erschlagen oder erschießen ließ, verfügten die SS-Ärzte als "Sonderbehandlung": das Duschen von Häftlingen mit kaltem Wasser und das anschließende Stehen im Freien bei Temperaturen unter Null Grad, die Erstickung der Häftlinge
Eine Spritze, die zur Tötung von Häftlingen verwendet wurde
Eine Spritze, die zur Tötung von Häftlingen verwendet wurde
im Gaswagen oder in der Gaskammer, die Tötung durch Herzinjektion oder die Überstellung der Häftlinge nach Hartheim, wo sie vergast werden sollten.

Einige der SS-Ärzte benützten ihre absolute Macht über Leben und Tod auch dazu, ihre "medizinischen Kenntnisse" zu erweitern: Sie experimentierten an kranken wie an gesunden Häftlingen, sie führten ihre "privaten" Versuche durch, sie operierten ohne jegliche Notwendigkeit. Der Tod der "Versuchsobjekte" war dabei einkalkuliert.
 
Der Lagerarzt Dr. Hermann Richter entnahm völlig gesunden Menschen innere Organe wie Magen, Leber, Nieren oder Teile des Gehirns, um festzustellen, wie lange die operierten Personen dann ohne diese Organe leben können.
 
Der Gusener Arzt Dr. Helmut Vetter, der zuvor in Auschwitz "praktiziert" hatte, experimentierte an Tbc-kranken Häftlingen mit Medikamenten der Firma IG Farben. Das Verabreichen der Medikamente Ruthenol und Präparat 3582 an Häftlinge geschah mit dem Wissen (und möglicherweise auch im Auftrag) der IG Farben.
 
Dr. Herbert Ferdinand Heim versprach bestimmten, von ihm ausgesuchten Häftlingen die Entlassung, wenn sie sich zu einer kleinen und harmlosen Operation bereit erklären würden. An seinen Opfern führte er dann die kompliziertesten chirurgischen Eingriffe durch.
 
Neben lagerinternen Versuchen wie den "Läuseversuchen" und Hormonversuchen wurden auch vom SS-Hygiene-Institut angeordnete Versuche durchgeführt.
 
Das Spritzen begann mit dem Dr. Krebsbach. Deshalb wurde er Spritzbach genannt. Es handelte sich hier um eine Spritze mit sehr großen Nadeln. Der Injektionsbehälter wurde gefüllt mit Benzin oder Phenol und die Nadel wurde dem Häftling direkt ins Herz eingeführt. Anfangs machte man das ohne Narkose. Später wurde der Häftling im Operationssaal narkotisiert. Er bekam eine Äthernarkose. Die ersten Proben machte Dr. Krebsbach selber, dann nahm sich dieser Spritzangelegenheit Dr. Richter an. Außer den Standortärzten gab es im KZ Mauthausen auch sogenannte Lagerärzte, wie Dr. Richter, Dr. Böhmichen, u.a.m. Dr. Richter machte verschiedene Versuche mit den Herzinjektionen, er studierte die Wirkung der Spritzen mit verschiedenen Flüssigkeiten und in verschiedenen Quantitäten. Ich selbst war ein paar Mal anwesend, wie Häftlinge mittels Herzinjektionen ermordet wurden, und wie ich das beobachten konnte, wurde der Häftling durch Narkose betäubt, die Nadel wurde ins Herz geführt und der Tod trat relativ schnell ein. Es ging sehr schnell. Diese Tötungsaktionen wurden zuerst im SS-Revier durchgeführt; der Häftling kam auf den Operationstisch, erhielt die Injektion, zwei Häftlinge packten den Körper, warfen ihn aus dem Fenster, dort standen die Leichenträger, stapelten die Leichen auf einen Wagen und wenn der Wagen voll war, wurden die Leichen ins Krematorium befördert.
Frantisek Poprawka, ehemaliger Mauthausener Häftling (AMM V/3/8)
 
Die Kenntnisse, die sich Dr. Richter bei Operationskursen an Leichen angeeignet hatte, wollte er sofort in die Praxis umsetzen. Da er keine geeigneten Fälle für Bauchoperationen [...] vorfand, hat er [im Herbst 1942] aus Reihen der Körperschwachen täglich drei bis vier Häftlinge operiert. Er übte Magenoperationen, Entfernung der Galle, Darmresektionen und führte auch Trepanationen aus. Auf diese Art operierte er binnen weniger Wochen - ohne Indikation – 300 entkräftete, aber ansonsten gesunde Menschen. Er kümmerte sich nicht weiter um seine Opfer. In ihrer Mehrzahl sind sie an den Folgen dieser chirurgischen Eingriffe verstorben. Die wenigen, die die Operationen überlebten, starben durch Herzinjektionen.
Dr. Josef Podlaha, ehemaliger Häftlingsarzt (AMM H/9/4)
 
Ein anderer SS-Arzt, Dr. Gross, Sturmbannführer, der auch den hypokratischen Eid abgelegt hatte. Der machte folgende Versuche: Alle jungen Juden, jüdische Häftlinge, die noch so halbwegs kriechen konnten, infizierte er mit Fleckfieber, also Typhus. Sie durften nicht zur Arbeit gehen und überstanden zum Teil diese Infektionskrankheit. Sie durften den Block nicht verlassen. Nach überstandener Krankheit wurde ihnen das Blutserum massenweise abgenommen und zu Impfserum für Frontsoldaten, - vermutlich für Frontsoldaten - verarbeitet. Ich dachte mir damals, musste unwillkürlich an den Blut-Mythos von Rosenberg denken, "... die Reinheit des deutschen Blutes". Mit mir machte er einen besonderen Versuch. Er infizierte mich mit irgendeiner Eitermenge; ich bekam dann diverse Geschwüre und musste darunter sehr leiden. Ich möchte besonders erwähnen, für jüdische Häftlinge gab es überhaupt keine ärztliche Betreuung. Nachdem sie ja zur Vernichtung hingekommen sind, erübrigt sich jede ärztliche Betreuung.
Josef Herzler, ehemaliger Mauthausener Häftling (AMM V/3/22)
 


Weiterführende Literatur
Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine politische Organisationsgeschichte