Familie Salzmann: Erich Hackl. Rez.: Klaus Ebner

Klaus Ebner
BEDRÜCKENDES ZEITDOKUMENT

 
FAMILIE SALZMANN
Erich Hackl
Erzählung
Zürich: Diogenes Verlag, 2010
. 186 S.
ISBN 978-3-257-06758-3

Hugo Salzmann war in den Zwanziger- bis Sechzigerjahren ein sozial engagierter Kommunist aus dem rheinländisch-pfälzischen Bad Kreuznach. Seine Frau, Juliana Salzmann, hatte Wurzeln in der Steiermark. So der historische Hintergrund zu Erich Hackls Erzählung »Familie Salzmann«. Es ist ein literarischer Bericht, den der Autor vorlegt. Eine Familiengeschichte über drei Generationen, die ihren Ausgangspunkt geschickt bei einem Enkel der Salzmanns nimmt, wohin sie am Ende wieder zurückkehrt. Drei Generationen, das sind Hugo Salzmann senior und junior sowie Hanno Salzmann. Aber natürlich geht es auch um Juliana. Und ihre Schwester Ernestine. Weitere Familienmitglieder treten auf. Wegbegleiter. Und jene, die sich bald im verfeindeten politischen Lager fanden.

 

Das Buch ist nämlich über weite Strecken ein Bericht über die Herrschaft des Nationalsozialismus. Über die Schwierigkeiten, in die Menschen mit politisch linker Gesinnung, wie eben Hugo Salzmann, ab den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts schlitterten und die spätestens ab der Machtübernahme der Nazis in Deutschland in Verfolgung, Deportation und oft in Ermordung mündeten.

 

Juliana Salzmann wird trotz der Flucht der Familie nach Frankreich von der Gestapo verhaftet. Eigentlich aufgrund einer Kette unglücklicher Umstände und durch Verrat eines eingeschleusten Spitzels landet sie im KZ Ravensbrück. Wo sie kurz vor der Befreiung an Entkräftung stirbt. Ihre Vergehen? Sie war die Ehefrau eines von den Nazis gesuchten Kommunisten. Und sie hatte sich während der Haft zu Aussagen verleiten lassen, welche die Gestapo als staatsfeindlich klassifizierte. Das genügte damals.

 

Hugo Salzmann hingegen, der bereits von den Franzosen verhaftet und in ein erstes Lager gebracht worden war, überlebt die Haft. Mit Glück wohlgemerkt. Nach dem Krieg wird er sofort wieder politisch aktiv, kümmert sich um die kleinen Leute und deren Sorgen, setzt sein soziales Engagement fort, wieder in der – ein paar Jahre später verbotenen – KPD und mit Kontakten zu deutschen und österreichischen Sozialdemokraten. Seinen Sohn, der ebenfalls den Vornamen Hugo trägt, sieht er trotzdem erst drei Jahre nach Kriegsende wieder. Nicht auf sein eigenes Bestreben hin, sondern auf das der Verwandten. Denn Hugo junior war durch Vermittlung des Roten Kreuzes bei der Tante mütterlicherseits in Österreich gelandet. Diese war zu einem guten Mutterersatz geworden. Diese Rolle behielt sie bis zu ihrem Tod. Hugo junior engagiert sich ebenfalls in der Kommunistischen Partei. Und zieht in die DDR. Dort verliebt er sich und heiratet. Nach Jahren fliehen die beiden nach Österreich.

 

Die Wiedergabe der Ereignisse während der Nazidiktatur ist bedrückend. Was man vielleicht in gewisser Weise gewohnt ist und zudem aus Erich Hackls anderen Büchern durchaus kennt. Aber die Erzählung geht weiter. In die Nachkriegszeit. Spricht von Westdeutschland und der DDR, aber vor allem von Österreich. Von der österreichischen Nachkriegsgesellschaft. In der sogar dem Enkel Dinge passieren, die man nicht glauben möchte. Die einfach nicht wahr sein dürfen, nicht wahr sein können. Aber Hackl verarbeitet in seinen Texten Authentisches. Die meisten Namen sind echte Namen – man stößt auf sie in Bibliotheken, in Archiven, im Internet. Und am Ende des Buches erwähnt der Autor, welche Namen in seiner Geschichte geändert wurden; nicht ohne den Hinweis zu geben, dass die geschilderten Ereignisse Fakten entsprechen. Ereignisse, die man nicht glauben möchte. Authentisches, welches zutiefst erschüttert.

 

Auch »Familie Salzmann« ist in Hackls gewohntem chronikalischem Stil verfasst. Das Beklemmende daran ist, dass dieses Stück Literatur auch einem Tatsachenbericht oder Geschichtsbuch entspricht. Vor allem aber ist dieses Buch ein wichtiges Zeitdokument. Und vielleicht sollte es sogar eine Art Pflichtlektüre sein.

LitGes, März 2011 - Lange Fassung.
Gekürzte Version: etcetera Nr. 43/ Feindbilder. Zwischen Barrikaden und Blockaden./ März 2011