Hauptverband des Österreichischen Buchhandels

Dorfer, Alfred

Wirkungen

Anfang März erscheint das erste Buch von Alfred Dorfer. "Wörtlich" nennt sich die Sammlung satirischer Texte im Blessing Verlag, die Dorfers beeindruckende Vielfalt als Autor widerspiegelt.

Interview: Ernst Grabovszki / Foto: Peter Rigaud
Anzeiger 02/2007

Bücher von österreichischen Kabarettisten sind eher Mangelware. Warum wird nun eines von Ihnen erscheinen?
Rolf Cyriax, Lektor im Blessing Verlag, war in einer meiner Vorstellungen in München. Er hat mir vorgeschlagen, ein Buch zu publizieren, und ich habe unvorsichtigerweise zugesagt. Bald stand ein Erscheinungstermin fest, und ich begann, bereits publizierte Texte zu ordnen, zu sortieren, auszuwählen. Ich habe versucht, eine Mischung zu finden, die das, was ich gemacht habe, repräsentiert: Stücke, Texte für Zeitungen und Film.

Nach welchen Kriterien haben Sie ausgewählt?
Bei den Stücken war es eine ganz persönliche Entscheidung. Es war klar, dass Indien und das jüngste Stück Fremd vorkommen sollten. Alles Gute schien mir von der Lesbarkeit für den, der es nicht gesehen hat, geeignet, Planlos, das älteste Stück, genauso. Bei den journalistischen Texten, die in der Süddeutschen Zeitung, in Die Zeit und im profil erschienen waren, war mir wichtig, dass sie nicht zu lange zurück liegen.

Können die Texte im Buch dieselbe Wirkung wie auf der Bühne entfalten?
Bei den journalistischen Texten spielt es keine Rolle, weil die ohnehin nicht für eine Bühne gedacht sind. Spannend ist es, wie sich ein Drehbuch wie Das Elferhaus behaupten wird, weil hier die Wirkung des Bildes fehlt. Von den Stücken habe ich jene ausgewählt, die auch in geschriebener Form halten. Sie werden natürlich unterschiedlich wirken, weil sie von meiner Performance losgelöst sind. Bei Indien werden viele nur an den Film denken, der sich aber vom Theaterskript im Buch unterscheidet.

Wie hat dieser Medienwechsel bei "Indien" funktioniert? Kann man im Film nicht viel subtiler sein?
Ich betrachte das Theater dem Film überlegen, Josef Hader sieht das ähnlich. Indien als Film hatte aber eine große Breitenwirkung und war auch in Deutschland sehr erfolgreich. Das Stück haben wir rund ein Jahr gespielt. Das war natürlich das viel intimere Ereignis.

"Indien" haben Sie gemeinsam mit Josef Hader geschrieben. Wie schwierig ist es, einen Text zu zweit zu schreiben?
Meine Zusammenarbeit mit Josef Hader habe ich in dem Text "Eiles" beschrieben, der in meinem Buch auch abgedruckt ist. Wir haben uns monatelang im Kaffeehaus getroffen, bis jeder von uns eine eigene Fassung geschrieben hat. Das war wie ein Partnerschaftstest. Als wir unsere Fassungen miteinander verglichen, merkten wir, dass sie sich kaum unterschieden und dass nur weniges zusammenzufügen war. Das war, was die Harmonie betrifft, eine Sternstunde.

Gab oder gibt es eine solche Harmonie auch mit jemand anderem?
Am ehesten noch mit Roland Düringer, mit dem ich elf Jahre lang zusammen gespielt habe. Es war eine Harmonie, die eher auf dem Gegensatz zwischen uns beiden beruhte. Wir sind, was Herangehensweisen an Themen usw. betrifft, geradezu Antipoden. Mit Josef Hader hingegen verbindet mich ein sehr ähnlicher Zugang zu den Dingen.

Wenn ich nun das Stück "Fremd" aufschlage, tauchen darin Figuren wie Alfred Dorfer, Peter Herrmann, Lothar Scherpe usw. auf, also Menschen, die auch in der Wirklichkeit vorkommen. Wie viel Dorfer aus der Wirklichkeit steckt eigentlich in der Figur Dorfer auf der Bühne?
Was den Ich-Bezug anlangt, stellt dieses Stück einen rationalen Zugang dar. Ich dachte bis nach der Premiere, dass ich als Dorfer in Erscheinung trete, aber einen relativ distanzierten Zugang zu dieser Diaspora der verschiedenen Ebenen einer Figur hätte. Beim Spielen habe ich gemerkt, dass es natürlich sehr viel mit mir zu tun hat, auch mit der Gespaltenheit und Rätselhaftigkeit, wie sich Charaktere in gewissen Situationen verhalten oder ihren Versuchen, Lösungen zu finden.

Wie gestaltet sich die Umsetzung eines Textes auf der Bühne? Wie viel von dem ursprünglich geschriebenen Text bleibt übrig?
Ich würde sagen, sechzig Prozent. Vierzig Prozent werden bei den Proben, nach der Konfrontation mit dem Publikum, durch Kürzungen und Aktualisierungen verändert. Das Skript ist kein Dogma. Den Theaterbetrieb finde ich ja auch deshalb interessant, weil der eine andere Herangehensweise an Texte hat: Es gibt ein Stück, und das gilt es umzusetzen, egal, was bei den Proben und den Zuschauern passiert. Das Stück gilt also, außer wenn Kürzungsmöglichkeiten bestehen, als Monolith. Das ist eigentlich das Gegenteil dessen, was ich mache.

Gerade das Kabarett ist eine Form, die auch davon lebt, dass sie politische Zustände kommentiert und reflektiert. Ist das eine Voraussetzung dafür, dass Kabarett entstehen kann?
Es hängt davon ab, was man unter Kabarett verstehen will. Wenn man politische Zustände weit fasst, nämlich im Sinn von gesellschaftlichen Zuständen oder von zwischenmenschlichen Zuständen in einer bestimmten Kultur, dann ja. Das Kabarett, das sich auf Parteipolitik oder tagesaktuelle Anspielungen beschränkt, ist ohnehin nicht mehr als eine ephemere Geschichte. Ich will das nicht runtermachen, aber es eignet sich nicht für den Schriftverkehr.

Sie haben eine Schauspielausbildung absolviert, Theaterwissenschaft studiert. Wie kam der Schwenk zum Kabarett und warum?
Das war unabsichtlich. Ich habe damals mein Studium unterbrochen - und eben abgeschlossen -, und mit der fertigen Schauspielausbildung im Sack habe ich keine Möglichkeit gesehen im Regeltheater unterzukommen. Ich habe ein Jahr lang am Theater in der Josefstadt gespielt, und dort hätte es sich ergeben, klein anzufangen und zu bleiben. Dann kam die Begegnung mit Roland Düringer, und wir beschlossen, unsere eigenen Stücke zu machen. Wir haben das allerdings nie als Kabarett bezeichnet, sondern bekamen diese Marke irgendwann aufgedrückt. Für uns waren das komödiantische Stücke. Damals war das Kabarett im Aufbruch, und so war dann irgendwann der Stempel drauf.

Das Buch ist in einem deutschen Verlag erschienen, und es kommentiert österreichische Zustände. Kann das gut gehen?
Es beschäftigt sich nicht nur mit österreichischen Zuständen, weil es auch Kommentare aus der Süddeutschen Zeitung oder der Zeit enthält, die für den gesamten deutschsprachigen Raum gelten, den ich als Einheit sehe. Wenn man Grenzen zieht, muss man überall Grenzen ziehen, dann gibt es sie zwischen Berlin und Bayern, Sachsen und Schwaben usw. Ich sehe das also nicht großdeutsch, sondern grenzenlos.

Inwiefern unterscheidet sich denn das deutsche Publikum vom österreichischen?
Es gibt gravierende Unterschiede zwischen Bayern und Köln etwa, zwischen Leipzig und Hamburg. Im ehemaligen Osten ist das Publikum sehr hellhörig, scheinbar geschult, noch immer hellhörig sein zu müssen. Zwischen Ried im Innkreis und München hingegen gibt es keinen Unterschied. In Hamburg wird das, was ich tue, wohlwollend als leichte Exotik behandelt, und zwischen Berlin und Wien gibt es eine Seelenverwandtschaft.

Das Buch bietet nur einen Ausschnitt aus Ihrem Werk. Wird es noch weitere Bücher geben?
Mein zweites Buch wird entweder meine Dissertation sein oder neue Texte enthalten. Das erste Buch war mehr Arbeit als erwartet: Alte Texte zu sammeln, klingt zunächst gemütlich, tatsächlich habe ich rund ein Jahr dafür gebraucht, sie zusammenzustreichen, zu kombinieren. Für mich war es interessant zu sehen, dass sich die Dinge plötzlich verändern, wenn sie in Buchform dastehen. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass ich sehr bibliophil bin. Für mich sind Bücher etwas ganz besonderes, und da es von mir noch nie abgedruckte Texte gab außer in Zeitungen oder Sammelbänden, empfinde ich Wörtlich beinah schon ergreifend - nicht aus Stolz oder Arroganz, sondern weil es plötzlich etwas anderes war.

Wie lautet das Thema Ihrer Dissertation?
Satire in restriktiven Systemen
, meine Diplomarbeit hieß Kabarett und Totalitarismus und hat sich mit Nationalsozialismus und DDR auseinandergesetzt. In meiner Dissertation möchte ich das Thema auf den Faschismus in Italien und eventuell auch das Vichy-Regime in Frankreich ausdehnen.

Wenn von einem Tag auf den anderen das Kabarett abgeschafft wäre, welchen Beruf würden Sie ausüben?
Ich würde schreiben. Dinge niederschreiben ist ohnehin der ureigenste Kern meines Antriebs. Die Umsetzung ist eine sehr lustvolle Arbeit.



Alfred Dorfer
Wörtlich. Satirische Texte
Karl Blessing Verlag
ISBN 978-3-89667-330-5
EUR 19,50

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