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Vollkornbrot schadet den Zähnen

Elmar Hellwig untersuchte mit seinem Team die Mundgesundheit der "Steinzeit"-Sippe

SWR.de: Was war für Sie das interessanteste Ergebnis?

Prof. Dr. Elmar Hellwig (Quelle: Universitätsklinikum Freiburg)
Prof. Dr. Elmar Hellwig Abteilung für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie an der Uni Freiburg

Prof. Dr. Elmar Hellwig: Das interessanteste Ergebnis für mich war, dass die Menschen, die sich in diesem Steinzeitdorf aufgehalten haben, Karies entwickelt haben, das hätte ich zu Beginn der Studie nicht vermutet. Ich bin davon ausgegangen, dass die Steinzeitmenschen eine Nahrung mit wenig Kohlenhydraten zu sich nehmen. Jetzt muss ich zugeben, dass ich da offensichtlich nicht ganz richtig lag. Offensichtlich war Honig vorhanden. So haben sie auch Kohlenhydrate in anderer Form zu sich genommen. Das haben andere Studien zur Karies-Entstehung im Neolithikum bisher nicht gezeigt. In Schönenfeld im Thüringer Becken gab es eine Untersuchung an über sechzig Skeletten. Sie zeigte, dass eigentlich wenig Karies entstanden war.

Haben sich die Dorfbewohner falsch ernährt?

Es kann sein, dass schon Karieskeime im Mund waren. Im Neolithikum waren sie vielleicht nicht in so einer ausgeprägten Form vorhanden. Ich glaube auch, dass der Kohlenhydrat-Konsum im "Steinzeit"-Projekt relativ hoch war. Die Dorfbewohner haben Getreide verzehrt, das sie zuvor zermahlen haben. Das könnte durchaus eine Rolle gespielt haben. Dazu haben sie Honig gegessen. Ein wichtiger Punkt bei der Kariesentstehung sind Kohlenhydrate, die von Bakterien in der Mundhöhle fermentiert werden. Und die sind in besonderem Maße im Honig enthalten. Es ist vorstellbar, dass die Menschen mit der Sesshaftwerdung in der Steinzeit mehr Getreide verwendet haben, um Teige herzustellen, und  Honig zum Süßen verwendeten und dass damit die Karies angestiegen ist.

Stichwort Plaque - was ist das eigentlich?

Unter Plaque versteht man in der Zahnmedizin bakterielle Zahnbeläge. Bestenfalls besteht der Belag aus guten Bakterien, die keine Schäden verursachen. Häufig sind es allerdings Karies auslösende Bakterien. Einige Bakterien können sogar Zahnfleischentzündungen oder Entzündungen des Zahnhalterapparates verursachen. Hat ein Mensch sehr viel Plaque auf den Zähnen, kann man davon ausgehen, dass die schädigenden Keime auch vorhanden sind.

Sobald die Menschen in Dörfer zusammengezogen sind, haben sie sich auch gegenseitig mit Bakterien infiziert, so dass man davon ausgehen kann, dass die meisten Keime zwischen den Menschen damals ausgetauscht wurden. Es gab bestimmt Individuen, die nicht empfänglich waren für bestimmte Keime.

Was hat sich bei der Mundflora geändert?

Wir wissen auch aus anderen Untersuchungen, in denen Menschen sich über vier Wochen nicht die Zähne geputzt haben, dass die Anzahl der Bakterien zunimmt, die für Zahnfleischentzündungen oder Entzündungen des Zahnhalteapparates verantwortlich sind. Die ursprüngliche Besiedlung der Mundhöhle durch 'gute' Bakterien nimmt ab. Wir wissen heute, dass Biofilme wie Plaque aus Bakterien bestehen, die sich gegenseitig beeinflussen. Sie kommunizieren miteinander und können sich auch gegenseitig verdrängen. Wer in einen Wettbewerbsvorteil kommt, schubst die anderen sozusagen aus dieser Stadt der Mikroben raus. Das passiert, wenn man sich über längere Zeit die Zähne nicht putzt.

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