Friedrichs-Polytechnikum

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Friedrichs-Polytechnikum (vor 1919)

Das Friedrichs-Polytechnikum entstand 1891 als private Lehranstalt für Techniker in Köthen (Anhalt). Es kam 1897 in städtischen Besitz und erhielt 1906 den Namen von Friedrich II. (Anhalt). 1919 wurde es zur Gewerbe- und Handelshochschule Köthen.[1] Sie ging in der Hochschule Anhalt auf.

Hintergrund[Bearbeiten]

Anhalt-Köthen verfügte am Ende des 19. Jahrhunderts über eine moderne Industrie und Landwirtschaft. Ab 1841 wurde Cöthen zu einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt. Das Herzogtum produzierte 30 % des deutschen Steinsalzes und belegte den 6. Platz in der Braunkohleproduktion. Bei den hoch bonitierten Böden war die Landwirtschaft hochproduktiv, besonders in Anbau und Verarbeitung von Zuckerrüben. Die Starkstromtechnik brachte den Bau von Kraftwerken und Verteilnetzen, von Betrieben der Chemie-, Metallurgie- und Textilindustrie sowie von Fabriken zur Papier-, Glas- und Keramikherstellung.[2] Damit diese Entwicklung an Köthen nicht vorbeiging, wollte der Verein zur Förderung gemeinnütziger Interessen den Standort für Gewerbe- und Industrieansiedlungen anziehender machen. Kreative und produktive Bürger sollten als Unternehmensgründer gewonnen werden. Als entscheidend wurde die Einrichtung eines Lehrinstituts angesehen.

Gründung[Bearbeiten]

Edgar Holzapfel

Das Institut wurde am 4. Mai 1891 mit sechs Hörern eröffnet. Im folgenden Wintersemester waren es schon 50. Unterrichtet wurde im Schloss Köthen sowie im Marstall, in der Remise und im Pavillon.

Mit Vertrag vom 30. Dezember 1891 gewann der Verein Edgar Holzapfel aus Magdeburg als Direktor und Inhaber der Akademie. In seiner Denkschrift Die technischen Schulen und Hochschulen und die Bedürfnisse der deutschen Industrie (1893) führte er aus, „daß die Universitäten die Chemie und Physik als reine Naturwissenschaften verstehen, dagegen die angewandten Naturwissenschaften, also die Mechanik und die chemische Technologie keine Pflegestätte fanden.“ [3] Letzteres galt nach Auffassung Holzapfels auch für die Technischen Hochschulen. Angesiedelt zwischen Hochschule und Technischer Mittelschule, sollte das Technikum die Bedarfslücke mit praxisnaher Ausbildung auf wissenschaftlicher Grundlage schließen. Holzapfels Konzept fand bei der Anhaltischen Regierung keine Zustimmung; denn sie sah den inhärenten akademischen Anspruch als nicht erfüllt oder erfüllbar an. Gleichwohl genehmigte sie ein Ingenieur-Diplom, das wiederum die Technischen Hochschulen ablehnten.

Unabhängig davon errang die als „Höheres technisches Institut“ umbenannte Einrichtung rasch einen guten Ruf. Dank ihres qualifizierten Lehrpersonals waren im Wintersemester 1894/95 bereits 247 Studenten eingeschrieben, darunter 45 Ausländer. Da das Institut sich im Wesentlichen selbst zu tragen hatte, mussten hohe Studiengebühren erhoben werden. Holzapfel richtete seine Tatkraft nun auf den Bau eines Studiengebäudes und gewann dafür den Magistrat von Köthen.

Gebäude[Bearbeiten]

Am 28. November 1896 wurde der Grundstein gelegt. Nach elf Monaten, am 18./19. Oktober 1897 konnte der Mittelbau des „Roten Gebäudes“ eingeweiht werden. Bis 1900 waren auch die Seitenflügel errichtet. Die Schule wurde nach dem Entwurf des Köthener Stadtbaumeisters Paul Bunzel gebaut. Der wilhelminische Ziegelbau steht auf Bossenwerk und hat dreieinhalb Geschosse und drei Risalite. Die reiche Werksteingliederung nimmt Formen der Neorenaissance auf. In unmittelbarer Nähe des Roten entstand 1924–1926 das Grüne Gebäude (Hinze).[1]

Ausbau bis 1914[Bearbeiten]

Karl Friedrich Foehr

Holzapfel zog sich aus dem Unternehmen zurück und verkaufte das Institut 1897 an die Stadt. Trotzdem ging der Aufbau dank der Weitsicht maßgeblicher Magistratsmitglieder weiter. 1902 wurde der Bau eines Maschinenlaboratoriums beschlossen. Am nunmehrigen „Städtischen Köthener technischen Institut“ lehrten anerkannte Fachleute. Dazu zählten Karl Hermann Zipp (Hochspannungstechnik), Dr. Frederick Dupré (Elektrochemie) und Dr. Hinz (chemische Technologie). 1904 wurde Karl Friedrich Foehr zum Direktor berufen, weil er fundierte theoretische Kenntnisse mit umfangreichen praktischen Erfahrungen in sich vereinte.[4] Er festigte die Mittelstellung des Instituts zwischen Hochschulen und technischen Mittelschulen. Um Niveau und Ansehen des Polytechnikums zu heben, wurden unter seinem Einfluss die Aufnahmebedingungen angehoben, die Studiendauer verlängert, eine einheitliche Prüfungsordnung eingeführt und der Lehrplan ständig erweitert.[5] Ab 1905 unterstand das Polytechnikum der Oberaufsicht der Anhaltischen Regierung, Abteilung Schulwesen. Durch einen Kommissar war sie bei der Abnahme der Diplome vertreten. Die vorzuhaltenden Einrichtungen wurden durch ein Statut festgelegt, das von der Staatsregierung in Dessau am 1. Oktober 1905 genehmigt wurde.

Friedrichs-Polytechnikum[Bearbeiten]

Am 7. August 1906 wurde die Schule zu Köthen nach dem regierenden Herzog Friedrich II. (Anhalt) in Städtisches Friedrichs-Polytechnikum umbenannt. Die interne Aufsicht oblag einem Kuratorium, das aus dem Bürgermeister und vier weiteren Mitgliedern bestand, die der Regierung namhaft zu machen waren. Das Kuratorium, an dessen Sitzungen der Direktor teilzunehmen hatte, hatte über alle finanziellen Angelegenheiten zu beschließen. Der Jahresetat betrug etwa 250 000 Mark. Die Kosten des Lehrbetriebes waren allein aus den Studiengebühren aufzubringen. Der mit der Leitung sowie der Vertretung des Polytechnikums nach außen betraute Direktor war beiden Instanzen verantwortlich. Für die internen Entscheidungen und Regelungen stand ihm das Dozentenkollegium beratend zur Seite, in Prüfungs- und Disziplinarangelegenheiten als Beschlussorgan. Für die Aufnahme in den Lehrkörper hatte der Dozent als Voraussetzungen zu erfüllen die Reifeprüfung an einer neunstufigen höheren Lehranstalt, eine abgeschlossene Hochschulbildung und fünfjährige Berufspraxis.

Zur Vermittlung von Praxis bezogenem Wissen und Können wurden nicht nur die Dozenten unter diesem Aspekt ausgewählt; sondern auch im Lehrbetrieb wurde zur Veranschaulichung des Unterrichtsstoffes besonderer Wert auf Übungen, Kolloquien, Seminare und Exkursionen gelegt.[6] Im Jahr 1907 waren am Polytechnikum die folgenden Studienzweige vertreten:

  1. Maschinenbau (Allgemeine Maschinentechnik, Verwaltungstechnik)
  2. Elektrotechnik (Allgemeine Elektrotechnik Laboratoriumstechnik)
  3. Technische Chemie (Allgemeine technische Chemie, Gastechnik, Papiertechnik, Photochemie, Elektrochemie)
  4. Hüttenwesen (Allgemeine Hüttentechnik, Eisenhüttentechnik, Metallhüttentechnik)
  5. Keramik (Allgemeine Keramik, Zementtechnik, Glastechnik)

Daneben wurden Fachkurse etwa in Zuckertechnik und Funkentelegraphie angeboten. Für Interessierte fanden Ferienkurse für koloniale Technik statt. Diese Spezialvorlesungen hielten Professoren der TH Charlottenburg und Halle sowie weiterer Hochschulen.

Das mit allen technischen Ausstattungen der Zeit versehene Studiengebäude umgab zehn Hörsäle, acht Zeichensäle sowie 38 Sammlungs- und Experimentiersäle. neun Laboratorien sowie das mineralogisch-geologische, das mechanisch-technologische und das photographische Institut. Ferner Sammlungen von Apparaten, Demonstrationsobjekten, Vorlagen, Zeichnungen sowie umfangreiche Materialsammlungen aus den neun Fachbereichen. Die Bibliothek verzeichnete die deutschen Patentschriften und etwa 200 Tages- und Fachzeitungen.[7]

Aufnahmebedingungen[Bearbeiten]

Die Aufnahmebedingung für Studierende war - wie bei den technischen Hochschulen - das Reifezeugnis einer neunstufigen höheren Lehranstalt. Außer den Studierenden wurden Hörer zugelassen, die das Befähigungszeugnis für den einjährig-freiwilligen Militärdienst besaßen. Auch sie konnten zu den Examina zugelassen werden und ein Ingenieur-Diplom erlangen.

Selbstverwaltung[Bearbeiten]

Die Besucher des Polytechnikums waren über eine akademische Krankenkasse für Krankheitsfälle und alle mit dem Ausbildungsbetrieb verbundenen Unfälle versichert. Als Vertretung wählten die Studenten und Hörer einen Ausschuss, der in der Deutschen Studentenschaft Sitz und Stimme hatte. Die Gründung von Vereinen und Studentenverbindungen bedurfte der Genehmigung des Direktors.

Studienbetrieb[Bearbeiten]

Die normale Studiendauer betrug für alle Studiengänge sieben Semester. Nach ihrer Form entsprachen die Ingenieurprüfungen der der Diplomprüfungen an den TH, mit einer Vorprüfung zu Beginn des fünften und einer Hauptprüfung, die nach sieben Semestern abgelegt werden konnte. Bescheinigte Semester von Universitäten und TH wurden ganz, die von höheren technischen Fachschulen zur Hälfte angerechnet. Die Prüfungen wurden in den Fachbereichen vor einem Prüfungsausschuss von drei Dozenten abgelegt.[8] Unter dem Vorsitz des Direktors gehörten ihm ferner der Abteilungsvorsteher und ein weiterer Examinator an sowie bei den Hauptprüfungen der staatliche Kommissar.

Nach hinhaltendem Widerstreben erkannte die herzogliche Regierung die Zwischenstellung der Köthener Lehranstalt zwischen Technischer Hochschule und technischen Mittelschulen (Technikum) im Jahr 1910 an. Sie akzeptierte damit die Argumentation der Befürworter des Polytechnikums, die in einer Denkschrift formuliert hatten, „die Industrie verlangt eine große Anzahl junger Kräfte, welche die Resultate der wissenschaftlichen Forschungen im praktischen Leben anzuwenden verstehen.“ [9] Die steigende Anzahl an Immatrikulationen bestätigte die Richtigkeit dieser Marschroute. 1910 waren bereits 619 Studierende eingeschrieben, davon 180 Ausländer aus aller Welt, insbesondere Russen, und 1912 die ersten Frauen.

Auch zu dieser Zeit war das Polytechnikum bei der Finanzierung seines laufenden Geschäftsbetriebes auf sich allein gestellt und hatte sie über die Studiengebühren sicherzustellen. Der Staat unterstützte die Stadt bei Gebäuden und Betriebsmitteln nicht oder nur von Fall zu Fall.

Außenwirkung[Bearbeiten]

Nach außen hatte das Polytechnikum sich gegen Angriffe wegen seiner Mittelstellung zu wehren. Der Verband Deutscher Diplom-Ingenieure bezweifelte den akademischen Charakter Köthens und stellte die Ausbildungsergebnisse in Frage. Foehr hielt dem entgegen, dass die TH selbst größtenteils aus Polytechnika hervorgegangen waren. Die dadurch entstandene Lücke in der Ingenieurausbildung gälte es im Interesse der Industrie zu schließen.[10] Heinrich Müller-Breslau stellte fest, dass die Köthener Studenten eine solide Ausbildung erhielten. Hans Bredow wies in einer Denkschrift nach, dass die Ingenieure von der Industrie mit offenen Armen aufgenommen würden und viele in kurzer Zeit in leitende Positionen gekommen waren.

Erster Weltkrieg[Bearbeiten]

Der Erste Weltkrieg beließ nur 60 dienstuntaugliche Studenten in Köthen. Das Institut setzte den Lehrbetrieb zwar unter immer schwierigeren Umständen fort, war aber bei Kriegsende hoch verschuldet und in katastrophalem Zustand. Im Krieg waren 276 Studenten gefallen.[11]

Weimarer Zeit[Bearbeiten]

Die Verhältnisse am Polytechnikum unterlagen in der Weimarer Republik völlig neuen gesellschaftspolitischen Bedingungen; auch in dieser Epoche gelang die Entwicklung zu einer TH nicht. Der nunmehrige Freistaat Anhalt wurde von einem sozialdemokratischen Staatspräsidenten regiert. Er ernannte Hugo Junkers zum Staatssekretär für Prüfwesen am Polytechnikum. Die Schulleitung bemühte sich weiter um Verstaatlichung der Einrichtung. Man versprach sich davon eine breitere finanzielle Basis sowie Fortschritte auf dem Weg zur Anerkennung als TH; jedoch lehnte die Staatsregierung alle Gesuche bis 1933 mit der Begründung ab, dass dafür kein Geld zur Verfügung stünde und nur eine Minderheit der Studenten Landeskinder wären.

Städtische Gewerbe- und Handelshochschule[Bearbeiten]

Als einziges Ergebnis der Anstrengungen sprang heraus, dass der Staatsrat 1919 das Polytechnikum in Städtische Gewerbe- und Handelshochschule umbenannte. Er verfügte ferner, dass an erfolgreich tätige Dozenten der Professorentitel verliehen werden könnte und die bisherigen „Polytechniker“ sich nunmehr als Studenten bezeichnen dürften.[12] Dessen ungeachtet wurde die nunmehrige Fachhochschule kontinuierlich ausgebaut. Bereits 1919 wurden die Fachrichtung Handelswissenschaften und -ingenieurwesen, eine Bauabteilung sowie der Lehrstuhl für elektrische Messtechnik eingerichtet. Gesamtausgaben für die Verbesserung der Studieneinrichtungen 1920/21 von 1,5 Mio Reichsmark standen staatliche Zuschüsse von 50.000 RM gegenüber. Die Studiengebühren mussten erhöht werden.

Zu der Zeit studierten in Köthen 1.071 Personen, davon 27 Maschinenbau, 150 Elektrotechnik, 60 technische Chemie inkl. Glas- und Zuckertechnik, 60 Hüttenwesen und Keramik, 89 Handelswissenschaften, 49 Papiertechnik und 7 Bauwesen. 8 waren Frauen und 49 Ausländer. Die Zahl der Studierenden stieg 1921 auf 1.300 an, 1923 auf 1.500. Ihre soziale Zusammensetzung änderte sich durch Angehörige der Mittelschichten und der Arbeiterklasse.

Gegen den Widerstand einiger Dozenten und des Verwaltungskommissars begannen 1919 die Bemühungen der Studentenschaft um ein Mitspracherecht und die eigene Vertretung durch einen Allgemeinen Studierendenausschuss. Unter maßgeblicher Beteiligung der Korporationen wurde für den AStA eine Verfassung konzipiert. Sie wurde von den Studenten angenommen und schließlich von der Leitung der Hochschule bestätigt. Die Kammer wurde Anfang 1920 gewählt, Ämter, Ausschüsse und ein geschäftsführender Vorstand gebildet bzw. besetzt. Die Korporationen, insbesondere die Corps, gewannen auf die Studentenvertretung maßgebenden Einfluss.

Rektor und Staat[Bearbeiten]

Um die Verhältnisse den Technischen Hochschulen anzugleichen, beschloss das Kuratorium 1920 die Einführung einer Senatsverfassung mit einem gewählten Rektor an der Spitze des siebenköpfigen Senats. Zum ersten Rektor wurde der verdiente Prof. Foehr, in den Senat die herausragenden Professoren Zipp und Michel gewählt. Als eine der ersten Amtshandlungen stellte der neue Rektor einen abermaligen Antrag an die Landesregierung auf Verstaatlichung der Hochschule, weil das Gros der Studenten aus dem Mittelstand die hohen Gebühren von 1.000 RM jährlich nicht tragen konnte, die die privatwirtschaftlich finanzierte Einrichtung zur Kostendeckung verlangen musste. Zwar unterstützte die Mehrheit des Landtages den Antrag, aber der Staatsrat lehnte wiederum „endgültig“ ab. In der Folge mussten die Studiengebühren weiter auf etwa 1.300 RM angehoben werden, obwohl sie inzwischen das Doppelte der bei vergleichbaren Einrichtungen üblichen Gebühren betrugen. Zur Deckung der Etatlücke von rund 500.000 RM bei einem Haushalt von 2 Mio RM musste bei privaten Stiftern und Spendern um Geldmittel nachgesucht werden. Die Bemühungen vermochten die existenzbedrohende Lage, die Ende 1921 eintrat, nicht zu beheben. Die Berechtigung der Einrichtung als Hochschule stand weiterhin auf dem Prüfstand. In einer Verhandlung bei Staatspräsident Heinrich Deist senior Anfang 1922, gab der Einsatz von Hugo Junkers für die Erhaltung der Hochschule als Ausbildungsstätte für den praxisorientierten, ökonomisch gebildeten Ingenieur den Ausschlag. Die Zuständigkeit für die weitere Entwicklung der Schule wurde der Stadt in Eigenverantwortung übertragen und der staatliche Zuschuss auf 300.000 RM jährlich heraufgesetzt. Der Stadtrat beschloss daraufhin den weiteren Ausbau und die finanzielle Unterstützung.

Die Hyperinflation des Jahres 1923 machte die Ansätze wieder zunichte. Zugleich setzten sich die Auseinandersetzungen um den Status der Schule sowohl intern als auch von außen mit erhöhter Intensität fort. Junkers kam das Verdienst zu, mit Wilhelm Schlink einen Gutachter zu benennen, der als anerkannter Wissenschaftler und Praktiker zugleich die Aufgabe erhielt, die in Köthen verfolgte Verbindung von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft zu bewerten. Dabei wollte Junkers nachweisen, dass das Polytechnikum im volkswirtschaftlichen wie auch im Interesse der Stadt und des Landes unbedingt erhaltenswert war.[13] Schlink hob in seinem Gutachten den günstigen Gesamteindruck des Polytechnikums hervor, klammerte aber den erst drei Jahre zuvor eingerichteten Zweig der Handelshochschule als profilfremd aus. Er schlug in Einzelbereichen bauliche Verbesserungen vor und betonte den Wert der Ausbildung für breit angelegte Spezialgebiete der industriellen Praxis. Auch die Anerkennung als Hochschule mit entsprechender Verfassung befürwortete er. Er empfahl jedoch, die Lehrveranstaltungen für die Studenten obligatorisch zu erklären und den Stoff noch stärker seminaristisch zu erarbeiten sowie jährliche Zwischenprüfungen einzuführen.

Im Sommer 1923 genehmigte die Dessauer Regierung die Rektoratsverfassung. Zugleich forderte sie die Auflösung des Zweiges Handelshochschule. Als Länder wie Österreich und die Tschechoslowakei den Köthener Ingenieurabschluss als staatlichen Hochschulabschluss anerkannten, kam das anhaltische Staatspräsidium nicht mehr umhin, den Hochschulstatus offiziell zu bestätigen. Es stimmte schließlich im Oktober 1925 der Satzung von 1920 zu, die einige Änderungen erfuhr. Die Amtszeit des Rektors wurde auf drei Jahre festgelegt. Magistrat und Kuratorium – in dem auch Rektor und Dozenten vertreten waren – bestimmten einen Verwaltungsdirektor für den laufenden Betrieb. Im Senat saßen neben dem Rektor Prorektoren und Abteilungsvorsteher. Die Studentenkammer war nicht in den Organen vertreten. Der Name Friedrichs-Polytechnikum, Städtische Gewerbehochschule zu Cöthen blieb bestehen.

Lehrangebot[Bearbeiten]

Folgende Fachabteilungen prägten fortan den Charakter des Polytechnikums: Maschinenbau, Elektrotechnik, Technische Chemie, Technologie und technisch orientierte Betriebswirtschaftslehre.[14] Als ergänzende Lehrfächer waren oder wurden in die Lehrpläne aufgenommen Starkstromtechnik, Botanik, Ethik und Ästhetik, Geschichte, Luftschifffahrt und Rechtslehre. Ab 1924 wurde am Bau eines neuen Chemisch-technologisches Instituts gearbeitet. Die anhaltische Regierung verweigerte dafür sogar ein Darlehen. So übernahm die Stadt Köthen die Finanzierung für dieses richtungsweisende Bauwerk. Sie trug auch die Kosten für ein neues Auditorium maximum. Eingeweiht wurde das Institut am Gründungstag der Hochschule, am 4. Mai 1926 unter dem Rektorat von Prof. Zipp, der im Mai 1925 gewählt worden war.

Studentenheim[Bearbeiten]

1927 wurde das erste Studentenheim in Köthen eingeweiht. Bereits seit 1923 konnte in einer ehemaligen Gaststätte ein verbilligtes Essen angeboten werden und nach dem Erwerb eines geeigneten Gebäudes darin neben der Mensa Aufenthalts, Lese- und Arbeitsraum eingerichtet werden. Das Heim musste sich selbst tragen und wurde entscheidend von Alten Herren der Köthener Korporationen gefördert.[15]

Blüte[Bearbeiten]

Die Statussicherung in Verbindung mit der besser abgesicherten finanziellen Basis bewirkten ein Aufblühen des Köthener Polytechnikums in den folgenden Jahren, zumal es dem Bedarf der sich gewaltig entwickelnden Industrie in Deutschland in nahezu sämtlichen ihrer Bereiche mit solide ausgebildetem Ingenieurnachwuchs optimal dienen konnte.

Quellen[Bearbeiten]

Der Artikel stützt sich auf die Quellenedition (2012) von Heinrich Diedler aus

  1. Denkschrift des Askanischen Senioren-Conventes am Städtischen Friedrichs-Polytechnikum. Cöthen 1907.
  2. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991.

Literatur[Bearbeiten]

  • Karl Friedrich Foehr: Das städtische Friedrichs-Polytechnikum. Cöthen 1909.
  • Heinrich Diedler: Wandlungen des Ingenieurstudiums und Korporationswesens im frühen 20. Jahrhundert am Beispiel des Polytechnikums Köthen. Einst und Jetzt, Bd. 57 (2012), S. 309–323.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. a b Friedrichs-Polytechnikum (Stadt Köthen)
  2. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991., S. 3.
  3. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991,, S. 7.
  4. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 5.
  5. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 9.
  6. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 9, 11.
  7. Denkschrift von 1907, S. 63.
  8. Denkschrift von 1907, S. 72 ff.
  9. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 10.
  10. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 11.
  11. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 12.
  12. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 14.
  13. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 16.
  14. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 19.
  15. Horst-G. Richter: Festschrift 100 Jahre Technische Hochschule Köthen, Hg. Der Rektor, Köthen 1991, S. 21.