Dienstag, 28. Mai 2013

Braunes Musik-Event in Folge

Rechte Skinheads und Neonazis in Rocker-Outfit feiern mit über tausend Anderen im sachsen-anhaltinischen Nienhagen. Engagierter Protest kann das Konzert nicht verhindern. Mit freundlicher Genehmigung des „blick nach rechts“ übernommen. 

Mit freundlicher Genehmigung des „blick nach rechts“ übernommen

Frohlockend lief Oliver Malina am Samstagnachmittag dem nicht endenden Strom seiner Gäste entgegen. Gemeinsam mit der Kameradschaft „Honour&Pride“ war es dem aus Salzgitter stammenden Neonazi gelungen, erneut ein Riesenkonzert mit bekannten Szene-Bands in Nienhagen auf die Beine zu stellen und gegen Verbote der Kommunen erfolgreich zu klagen. Gut gelaunt präsentierte er sich vor dem Konzertgelände neben der alten Hopfendarre am Ortsrand von Nienhagen. Ließ sich weder von Polizei noch von anwesenden Medienvertretern stören.

Ein hoher Holzzaun versperrte die Sicht, am Einlass kontrollierten bullige Ordner von „Incognito Security“ aus Werningerode. Gegen den Regen waren große, weiße Zelte aufgebaut worden. Alles sah aufwändig vorbereitet aus. Malina schwenkte den Gästen sein Dosenbier entgegen. Die durften weder Alkoholisches noch Handys oder Kameras mit aufs Gelände nehmen. Viele Ältere hatten ihre Domestos-Jeans und Springerstiefel wieder hervorgekramt. Konzertbesucher reisten unter anderem aus Berlin, Brandenburg, Norddeutschland, Thüringen und Bayern an.

Zwei Handgranaten auf dem Logo

Neben stark tätowierten männlichen und weiblichen Skinheads fielen vor allem so genannte Bruderschaften oder „Brotherhoods“ in rockerähnlichem Outfit auf. Darunter waren Anhänger des „Hammerskin“-Supporterclubs „Crew 38“, eine mehrköpfige Gruppe, die sich „Blood Brothers Nation“ nannte und Codes wie „22“ und „14“ trug sowie Mitglieder einer „Brigade 8“, gekleidet in Kutten mit Patches, auf denen „Krieger“ oder „General“ stand. Auch die „28“ war auf Haut und Kleidung dieser Personen aus Niedersachsen und Bremen zu sehen, das Kürzel für die in der Bundesrepublik Deutschland verbotene Truppe „Blood&Honour“. Das Logo der Kutten der „Arischen Bruderschaft“ aus dem Umfeld eines Thüringer Neonazi-Funktionärs zierte zwei Handgranaten. Aus dem bayerischen Schwaben war eine größere Gruppe mit dem Kameradschaftsnamen „Voice of Anger – Brotherhood“ und aus Ostvorpommern Anhänger des „Heimatbund Pommern“ sowie der „Aryan Warriors“ angereist.

Nur die rund 1200 rechten Skinheads, die Eintrittskarten ergattert hatten, erhielten Zutritt. In der Einladung war angekündigt worden, dass Waffen nicht erwünscht seien und auch indizierte Lieder gespielt werden würden. Auf die Frage, ob Malina denn jetzt auch so gut verdiene, wie einige seiner Kameraden, die seit Jahren erfolgreich im Musik- und Konzertbusiness tätig sind, winkte der sofort ab. Lachte und zog mit ankommenden Oldschool-Skins weiter.

Sieben internationale Bands aus Belgien, USA und Finnland waren neben den deutschen Gruppen „Endstufe“ aus Bremen und „Kommando Skin“ aus Stuttgart angesagt. Mit angeblich 5000 Euro als Lockmittel soll es gelungen sein, den Besitzer des Veranstaltungsortes umzustimmen, hieß es vor Ort.

Zivilgesellschaftlicher Protest hielt sich bisher in Grenzen

Etwa 200 Gegendemonstranten, darunter diesmal auch etwa 40 Einwohner aus Nienhagen, feierten mit Sichtkontakt zu den anreisenden Neonazis ein buntes Bürgerfest. Trillerpfeifen, Clowns, selbstgebackener Kuchen, Musik und Plakate mit Aufschriften wie „Nienhagen rechtsrockfrei“ waren zu sehen.

Im Jahr 2011 gab es in Sachsen-Anhalt 16 Neonazi-Konzerte. Das Bundesland liegt zentral und ist logistisch über mehrere Autobahnen gut zu erreichen. Bisher hielt sich auch der zivilgesellschaftliche Protest in Grenzen. Malinas Musik-Event in Nienhagen findet bereits zum dritten Mal in Folge statt. Nicht nur er, sondern auch andere Rechtsextremisten haben sich inzwischen in der Region niedergelassen, unter anderem auch ein Mitglied der Bremer Hooligan-Band „Kategorie C“.

Erneut für Schlagzeilen sorgte Malina, Jahrgang 1977, als er bei einer Versteigerung für nur 12 000 Euro den Zuschlag für die Schlossruine im nahen Germersleben erhielt, ein fast 50 000 Quadratmeter großes Anwesen. Dort auf dem Außengelände im Schlosspark sollte das Konzert zunächst stattfinden. Das konnte verhindert werden. Doch trotz dieses Teilerfolges und der guten Beteiligung an den beiden Protestaktionen in Germersleben und Nienhagen gegen das Neonazi-Konzert steht das Land Sachsen-Anhalt in der Kritik. Am Freitag noch hatte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) geäußert: „Ich bin begeistert davon, dass es durch konzertierte und stringente Prüfungen der Verwaltungsbehörden gelungen ist, ein Rechtsrock-Konzert in Sachsen-Anhalt zu untersagen.“ Er unterschätzte allerdings die Professionalität des langjährigen Neonazi-Akteurs Malina und dessen Mannen.

Sachsen-Anhalt als Spielfeld für solche Konzerte etabliert

Der Geschäftsführer des Vereins Miteinander, Pascal Begrich sagte dem MDR in Sachsen-Anhalt, dass die ehrenamtlichen Bürgermeister der kleinen Kommunen allein gelassen worden seien. Es sei ein Unterschied, ob Roland Kaiser ein Konzert gebe oder ob man mit einer Veranstaltung mit 1500 Neonazis umgehen müsse. Ähnlich äußerte sich auch der Initiator der Bürgerinitiative „Nienhagen rechtsrockfrei“, Hans-Christian Anders. Sachsen-Anhalt habe sich mittlerweile als Spielfeld für solche Konzerte regelrecht etabliert. Im Kommentar der „Mitteldeutschen Zeitung“ wurden Politik und Behörden ebenfalls kritisiert und „eine umfassende Strategie gegen Rechtsrock-Konzerte“ vermisst.

„Nienhagen ist ein schwieriges Pflaster“, räumte Protest-Mitinitiator Anders ein, er hätte sich mehr Beteiligung an den Gegenaktionen gewünscht. Viele Einwohner seien immer noch eingeschüchtert durch die massive Präsenz von Neonazis in den vergangenen Jahren, betonte er. Doch 2011 hatte es auch solche Nienhagener gegeben, die begeistert ihre Ferienwohnungen für die einschlägigen Gäste bereitstellten oder sich bei Sonnenschein mit Grillbratwürsten neugierig blickend im Garten niederließen.

Bespuckt und geschubst


In diesem Jahr gab es einige Medienvertreter, mehrere Hundertschaften Polizei und die ankommenden Konzertbesucher, die sich in dem kleinen, knapp 400 Seelen zählenden Dorf bewegten. Beamte kontrollierten akribisch die Zufahrten, entlang fast aller Straßen parkten Neonazis. „Ein Strick ist schon für euch bereit“, rief einer der Ankommenden schon aus dem Wagenfenster Journalisten zu. Ein anderer spuckte in Richtung einer Fotografin. Eilig schauten die uniformierten Beamten weg, als sie auch noch geschubst wurde. „Das war keine Körperverletzung“, hieß es vonseiten des zuständigen Polizisten nur. Anwesende Lokalpolitiker zeigten sich empört.

Auch als ein durchtrainierter Neonazi auf einen anderen Fotografen losging, griff niemand ein. Ein Opferberater wurde gegängelt. „Dreckige Fotze“, grölte ein Glatzkopf direkt in die Kamera. „Scheiß Presse“ oder „wir kriegen dich“, waren nur zwei der vielen offen gerufenen Drohungen, die sich Journalisten in unmittelbarer Nähe von Polizeikräften anhören mussten. Eingegriffen wurde nicht. Offen zeigten vereinzelte Beamte am Rand des Konzertgeländes, wen sie bei dieser Feierlichkeit als eher störend empfanden. Auch Sanitäter und Sicherheitsleute unterhielten sich angeregt mit Malina und seinen „Honour&Pride“-Anhängern sowie dem Neu-Nienhagener Musiker der extrem rechten Band „Kategorie C“. Als aber einer der braunen Gäste auf dem Weg seine Eintrittskarte verlor, Journalisten sie aufhoben und lesen wollten, reagierten Polizeibeamte sofort – und drohten mit einer Anzeige wegen Diebstahls und Unterschlagung.

Fotos: St. Heide