Die neuen Kirchenfenster

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Kurzvortrag von Christine Goetz

„Creation“ - Erschaffung der Welt

Zum Fensterzyklus von Graham Jones in der Kirche Heilige Dreifaltigkeit in Brandenburg a. d. Havel

Kurzvortrag am 9. September anlässlich der Vollendung

Diese schöne Kirche, im Jahre 1851 geweiht, eine Hallenkirche aus Ziegeln, innen hell verputzt, ist durch Kriegszerstörungen und mehrere Restaurierungen schon lange nicht mehr im bauzeitlichen Zustand. Heute zeigt sich der Raum puristisch und fast streng, die Wände von Langhaus und Chorraum sind ruhig und klar rhythmisiert durch die rundbogigen Fenster – ein schöner sakraler Raum auch vorher schon, bevor dieses herrliche Fenster-Gesamtkunstwerk entstand.

Die Entscheidung der Gemeinde für ein neues farbiges Fensterwerk war nicht nur für mich eine Sensation: heutzutage so eine Idee zu haben und sogar noch zu realisieren – das war doch ein Wagnis. Und es ist beglückend zu sehen, dass Visionen, wenn man sie denn wirklich ernst nimmt, Wirklichkeit werden können.

Man musste sich entscheiden: wollte man ein Fensterwerk im Stil des existierenden Raumes, also eher verhalten, auf geometrischen Grundformen beruhend und reduziert in der Farbgebung. So einen Entwurf gab es, er war qualitätvoll und diskussionswürdig. - Oder aber wollte man den Kontrast zum Raum, den Kontrast zu seiner Kargheit, seiner Strenge und auch zu seiner Farblosigkeit. Ja – das wollte man, ausdrücklich gewünscht war Farbe und Dynamik, eine Fensterwerk, dass den Raum neu prägt, gleichsam auflädt mit farbigem Licht, ein Fensterwerk, das nicht im Dekorativen stecken bleibt, sondern spirituell wirkt und von der Schönheit Gottes kündet.

Der Engländer Graham Jones machte einen künstlerischen Entwurf, dem kaum jemand widerstehen konnte und den wir nun fertig und meisterhaft realisiert von den Glaswerkstätten Derix vor Augen haben. 12 Rundbogenfenster insgesamt, 6 auf jeder Seite, 5 davon im Langhaus, das 6. im Chorraum und ein kreisrundes Fenster, eine Lichtscheibe, im Scheitel der Apsis. Die sich gegenüberliegenden Fenster haben jeweils das gleiche Thema, variieren aber in der Gestaltung.

Grundthema dieser farbigen Glasbildwerke ist die Erschaffung der Welt - auf englisch „creation“, Gottes Schöpfung. Das großartige Thema der Genesis entfaltet sich hier als dynamischer Prozeß, beginnend mit der Trennung des Lichtes von der Dunkelheit – es sind die beiden gegenüberliegenden Fenster im Bereich der Empore. Ein leuchtendes tiefes Blau herrscht vor im oberen Teil, aber ist bereits von hellen Elementen berührt, im unteren Teil wird das Blau von einer geheimnisvollen Kraft immer heller und lichter durchwirkt und durchwirbelt – die Trennung von Licht und Dunkelheit ist als dynamischer Prozeß von Farb-Form-Gebilden gesehen.

Assoziationen werden frei – das ist das Spannende an diesen Glasbildern – Assoziationen, die die Fantasie und die Kreativität des Betrachters anregen und – ich vermute – auch unterschiedlich stark. Welches Fenster mich am meisten berührt.... ich weiß es noch nicht.

Die nächsten beiden thematisieren den nächsten Schritt im biblischen Schöpfungsbericht, nämlich die Erschaffung von Himmel und Meer. Auch diese Fenster – einander gegenüberliegend - sind von den Grundfarben blau und weiß geprägt, zusätzlich mit grünen und gelben Einsprengseln, man sieht stürmische Vertikalen und Diagonalen. Auch hier geschieht etwas Elementares voller Kraft und Energie, ergänzt durch ein lyrisches Element: weiße lichte Tropfen, Regen, Schnee vielleicht – der Himmel öffnet sich.

Das nächste Fensterpaar verweist auf das Werden der Erde, der Pflanzen, Bäume und Früchte. Hier geht es ruhiger zu, die Grundfarbe ich ein grün durchtränktes Gelb, Form- und Farbassoziationen an Blätter, Gras, Gräser werden frei, Gewächse die sich nach oben emporrecken, wie ich finde eine sehr poetische Farbvision von der Fruchtbarkeit der Erde. Ein Frühlingslicht macht sich breit.

Dann als nächstes – hinreißend strahlend die beiden folgenden Fenster: die Schaffung der Gestirne, Sonne, Sterne und Mond, geprägt von großen Partien sonnigen Gelbs; es ist ein hohes starkes Gelb, immer wieder von Strahlen und Strahlenbündeln energetisch durchzuckt , im oberen Bereich der blaue Nachthimmel mit funkelnden Gestirnen und dynamischen nach oben und unten fegenden Lichtbahnen.

Nächstes Fensterpaar: die Erschaffung der Fische und Vögel – ein herrliches leuchtend - malerisches Grün in Kombination mit verschiedenen Blauwerten, Anklänge an Wässriges werden frei und an Luftiges. Die an Fische und Flügel erinnernden Formen schweben und schwimmen im lichten Grün – ein eher stilles Fenster im Vergleich zu der explosiven Schöpfung von Sonne, Sterne und Mond.

Wir sind im Altarraum angelangt, in der Apsis und haben einen völlig neuen Farbklang vor Augen. Alle bisherigen Fenstern lebten von blau, weiß, grün und gelb. Der entwerfende Künstler hat für den letzten Schritt der Schöpfungsgeschichte aus farbiger Glasmalerei die Grundfarbe rot gewählt, nirgendwo vorher kam sie vor und jetzt in ungeheurer Variation: purpur- , rubin- , blut- , orange-, feuerrot und noch viel mehr. Thema ist die Erschaffung des Menschen – Gott erschafft den Menschen nach seinem Bild. Rot wie das Blut, der Lebenssaft des Menschen, wie Blutbahnen, pulsierend, strömend, mit Formen, die wirken wie kostbare Edelsteine, wie Juwelen, manchmal vielleicht auch organhaft wie das menschliche Herz. Kostbar und nobel wirkt dieses Fenster und auch hier wie bei allen anderen Stationen der Genesis ist eine geheimnisvolle Kraft am Werk, die alles durchwirkt und durchlichtet. Diese roten Fenster glühen regelrecht, rot ist auch die Farbe des Geistes und der Liebe.

Dem Fensterzyklus von Graham Jones geht es um dieses Geheimnis der Schöpfung und die große Kostbarkeit und Herrlichkeit der Schöpfung. Er schuf sein Werk in dynamischen farbigen Gesten, es sind Visionen aus farbigem Licht. So auch das Rundfenster im Scheitelpunkt der Apsis, das der Künstler „das Paradies“ genannt hat. Plastische weiße Glassteine Kristalle funkeln wie Kristalle, transparent und entmaterialisiert. Der Kreis ist Symbol der Ewigkeit und der Vollkommenheit, der Auferstehung. Hierhin mündet der Weg.

Jedes Fenster ist für sich der Betrachtung wert, aber erst in ihrer Gesamtheit geben sie dem Kirchenraum einen neuen Geist, eine vergeistigte Stimmung, sie dienen so dem sakralen Raum, ohne ihn als solitäre Kunstwerke zu beherrschen. So muß es sein. Glaskunst im Kirchenraum ist eine Flächenkunst, die mit der Wand und dem Raum eine symbiotische Verbindung eingehen muß, um als Membran zu wirken zwischen außen und innen. Die Mauern lösen sich auf in Licht, Transparenz wird zum Symbol der Transzendenz – eine jahrhundertealte Tradition im Kirchenbau.

Christine Goetz

Katholische Kirche Heilige Dreifaltigkeit in Brandenburg an der Havel
aktualisiert am 26.11.06