Richard Perle ist politisch interessierten Zeitgenossen als Falke mit den schärfsten Krallen ein Begriff, als Ideengeber von Donald Rumsfeld und rühriger Vorkämpfer des Irak-Kriegs. Er ist einer der Lieblingsfeinde des "alten Europa", ein Neokonservativer und UN-Verächter. Die wenigsten werden Perle dagegen als Schriftsteller kennen. Tatsächlich aber hat er 1992 einen Roman veröffentlicht, unter dem sinnigen Titel Hard Line . Das Buch wurde nicht ins Deutsche übersetzt und ist auf Englisch vergriffen; doch wer es antiquarisch in die Hand bekommt, wird es mit Lust und Gewinn lesen.

Hard Line ist ein Schlüsselroman über Perles Zeit in der Regierung von Ronald Reagan, als er im Verteidigungsministerium die Abteilung für internationale Sicherheitspolitik leitete. Ein neuer sowjetischer Generalsekretär ist im Amt, Gorbatschow also, der hier Novikov heißt. Ein Gipfeltreffen mit dem amerikanischen Präsidenten findet statt, in Helsinki – auch das hat es wirklich gegeben, 1986 in Reykjavík. Ausgerechnet Reagan, der Kalte Krieger par excellence, war damals nahe daran, sich mit Gorbatschow den Traum von einer atomwaffenfreien Welt zu erfüllen – eine Aussicht, die kühlere und härtere Köpfe wie Perle (und sein Roman-Alter-Ego Michael Waterman) für gefährlich naiv hielten. Hard Line erzählt, wie der Abrüstungsspuk gerade noch einmal verhindert wird. Ein todesmutiger Informant verrät Waterman, dass die Russen sich heimlich einen Raketen-Rest vorbehalten und verstecken wollen. Dem Präsidenten werden im letzten Moment die Augen geöffnet, und der Kampf kann weitergehen, bis zum bekannten Ende 1989.

Halb Dokudrama, halb Räuberpistole, war das Buch bei seinem Erscheinen Anfang der neunziger Jahre ein Plädoyer im Zeitgeschichtsstreit über die Verdienste am Ende des Ost-West-Konflikts: Nicht die liberalen Verhandler und Entspanner, sondern die Politik der Stärke hatte die Sowjetunion überwunden. Wirklich verblüffend aber sind die Aha-Erlebnisse und Déjà-vu-Gefühle, mit denen man die Geschichte vom Tauziehen um die Seele eines Präsidenten heute liest, wo die Hauskräche hinter der Fassade der Bush-Administration bis an den Persischen Golf oder nach Korea zu hören sind. Die Michael Watermans (und Richard Perles) von Washington sind es, die diesen Infight um den Kurs und die Formulierung der Außenpolitik austragen – "Stadtguerilleros in dunklen Anzügen, die nicht mit AK-47-Gewehren kämpfen, sondern mit Memoranden, Positionspapieren, Sprechzetteln und verstohlenen Tipps für die Presse".

Sofort erkennt man in Hard Line die politischen Philosophien und ihre bürokratischen Bastionen wieder, die Moderaten im State Department und die Aggressiven im Verteidigungsministerium, die Status-quo-Freunde und die Advokaten des Regimewechsels. Hinter dem Außen- und dem Verteidigungsminister in Perles Roman, Anthony Winthrop und James Ryder, lassen sich unschwer George Shultz und Caspar Weinberger aus Reagans Kabinett ausmachen. Aber es könnten, wenn man nur die Themen der Konflikte und die Namen der Brennpunkte auf dem Globus austauscht, auch Colin Powell und Donald Rumsfeld sein. "Ja, Waterman kannte alle Rationalisierungen – die Gedankengebilde, mit denen das State Department, sogar vor sich selbst, seinen Glauben an Diplomatie und Kompromiss verkleidete, während es in Wirklichkeit Not tat, die westlichen Demokratien in einer großen ideologischen Konfrontation zu versammeln. Der Präsident begriff, dass es nötig war, die Legitimität des kommunistischen Systems anzugreifen. Rede für Rede nannte er das Sowjetreich böse. Das State Department wollte stillhalten und verhandeln." Wie vor dem Irak-Krieg eben, als Powell und die Seinen auch zum Jagen getragen werden mussten.

Man wundert sich und ist erschrocken darüber, wie Rumsfelds Pentagon eine eigene Außenpolitik macht, strategische Prioritäten setzt, Bündnispartner heranzieht oder verprellt. Genau so sehen Waterman und sein Minister Ryder sich als Hüter eines politischen Gesamtentwurfs, fühlen sich für die Menschenrechte im Ostblock nicht weniger zuständig als für die sowjetischen Mittelstreckenraketen; nicht das Verteidigungsministerium ist in ihren Augen eine bloß technisch-militärische Veranstaltung, sondern das State Department eine inhaltsleere Verständigungsmaschinerie, alleweil auf der Suche nach "Gemäßigten", denen es "den Rücken zu stärken" gilt – seinerzeit in Moskau, inzwischen in Teheran oder Riad. Es ist ein tiefes Misstrauen gegen die Berufsdiplomatie, das hier herrscht, und übrigens auch keine hohe Achtung für die professionellen Militärs; beide sind im Grunde blind für die ideologische Natur des Gegners und für das moralische Gewicht des Konflikts.

Wer immer jetzt, in Washington oder anderswo, Außenpolitik macht, ist durch den Kalten Krieg geprägt – die Vorsichtigen wie die Verwegenen, die Ideologen wie die Konferenz-Business-Typen. Daher wiederholt sich so viel. Für Perle und seine Mitstreiter ist die Lektion aus der Vergangenheit, nicht auf Platz zu setzen, sondern auf Sieg. Der Gegner ist gefährlicher, als man im Seminar oder bei der New York Times meint, aber er ist auch schwächer; man kann ihn in die Knie zwingen. "Wenn es nach ihnen gegangen wäre", notiert Waterman über die Entspannungsgläubigen, "hätten wir uns Moskau großzügig angepasst. Sie wissen wenig von der Macht, noch weniger vom Bösen. Und von der Macht im Dienste böser Menschen wissen sie überhaupt nichts."

Waterman dagegen wird von einer Geschichte umgetrieben, die zu Sorge und Wachsamkeit anhält: "Als Jude, der mit den Schreckensberichten des Holocaust aufgewachsen war, waren seine Sinne geschärft für die Bedrohung durch den Totalitarismus. Als Gelehrter, dessen Spezialgebiet Europa zwischen den Weltkriegen war, waren ihm die Gefahren des Appeasements klar geworden." Aus den Erfahrungen der dreißiger und vierziger Jahre erwächst die Politik der achtziger und daraus wieder die Weltsicht nach dem 11. September 2001.

Hard Line ist ein spannendes und gut geschriebenes Buch. Literarisch hat es nur einen einzigen Fehler: Michael Watermans Hauptgegenspieler aus dem State Department ist eine Karikatur – blauäugig im Umgang mit den Russen, verschlagen in der Manipulation des Washingtoner Regierungsapparats, eigentlich sogar ein Verräter am eigenen Land. Der Hang zum Klischee ist bei einem Autor eine Schwäche. Bei einem Politiker auch.