Kann Ärger Triebkraft sein für das, was man denkt, was man tut und wovon man träumt? Schon als kleines Mädchen ärgerte ich mich über Jungs, die so taten, als sei körperliche und mentale Stärke eine rein männliche Eigenschaft. Ich ärgerte mich über die Klischees von Mädchen. Und ich ärgerte mich über meine Angst vor dem Unbekannten, das irgendwo und irgendwann lauern kann: In der Nacht beispielsweise, in einem Wald, in einer unbelebten Straße oder aber am helllichten Tag im Dickicht zufälliger Ereignisse.

Mein Traum ist es, solchen Ärger – solche Ängste – hinter mir zu lassen. Vielleicht bei einem Ausstieg auf Zeit in Australien. Dieser Traum beginnt mit einer eher oberflächlichen Empfindung. Reise ich – beispielsweise im Auftrag des DGB – mit dem Auto eine längere Strecke von A nach B, denke ich oft: Jetzt müsste ich in Australien sein und die Freiheit genießen, mir die Zeit nach meinen Wünschen selbst einzuteilen. Doch würde ich mich aufmachen nach Australien, zu zweit, nur mein Hund Tim und ich, bekäme ich sehr schnell jene Gefühle, die man ungern hat: die des Alleinseins, des Ausgeliefertseins, die Begegnung mit beängstigenden Situationen.

Meinem Australien-Traum geht ein anderer voraus, den ich als junges Mädchen träumte. Aufgrund meiner Erfahrungen mit der männlichen Dominanz, den oftmals empfundenen Ungerechtigkeiten, überlegte ich zeitweilig, ins Kloster zu gehen und mich mit Philosophie zu beschäftigen, insbesondere mit der Rolle der Frau. Doch diesen Traum erfüllte ich mir nie, weil er mir wie eine Flucht vorkam und weil meine Neugier und Abenteuerlust erheblich stärker waren.

Der erste, starke Mann in meinem Leben war mein Vater. Ein Wirtschaftsprüfer, der mir Kritikfähigkeit und Dialektik beibrachte, aber dem Leben eher resignativ gegenüberstand. Ich war stolz auf meinen Vater, und sicherlich war ich eine "Vater-Tochter", doch fiel es mir immer schwer, konsequent stolz auf ihn zu sein. Aber er nahm mich ernst und respektierte mich; im Gegensatz zu einigen Mitschülern und Lehrern, die mir zeigten, dass Mädchen für sie nicht viel wert waren.

Im Studium und Berufsleben erzeugten verbale Angriffe und die Mischung aus männlichen Attitüden und kaum verhehltem Geschlechterkampf in mir frühzeitig einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Das Kloster, dachte ich als Jugendliche naiv, könnte mich vor "dieser schlechten Welt" retten. Doch ich wäre nicht die Tochter meines Vaters, wenn ich die Waffen gestreckt hätte: Ich studierte Volkswirtschaft, ging nach Amerika, lernte meinen Mann kennen, der bis heute auch mein bester Freund ist, brachte zwei Söhne zur Welt und habe einen Job, den ich als Privileg empfinde.