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  • 22.11.2015
  • von Oliver Dietrich

Tatort-Kritik: Sympathy for the Luftwaffe

von Oliver Dietrich

"Hol mir die Sterne vom Himmel, Maverick!" Foto: NDR/Frederic Batier

Der Tatort "Spielverderber" (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) versucht sich als Imagefilm für die deutsche Luftwaffe - offenbar ein weinerlicher langweiliger Haufen

Eigentlich sollte es an diesem Abend heiß hergehen - Premiere des Hamburger Tatorts "Der große Schmerz" um Kommissar Nick Tschiller, eher "Alarm für Cobra 11" statt niedersächsischer Erdverwachsenheit. Nach den Anschlägen von Paris war der ARD die Geschichte um einen Polizeikommissar, der sich auf dem Schwarzmarkt Sprengstoff und eine Bazooka besorgt, um seine von kriminellen Banditen entführte Familie freizuballern, wohl doch etwas zu heiß: Die Tschiller-Doppelfolge wurde auf nächstes Jahr verschoben. Na mal sehen, dachte man wohl bei der ARD, was für ein Tatort noch in der Schublade liegt.... ach ja, hier: Im Hannoveraner Tatort "Spielverderber" ermittelt Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) auf einem Stützpunkt der deutschen Luftwaffe. Na also, passt doch auch viel besser als Reaktion auf Paris! Ein Schelm, der Arges dabei denkt. 

Scheinbar wurde übersehen, dass hier offenbar der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wurde. Wenn man hier nämlich eins von der nationalen Luftwaffe lernt, dann nur, dass sie augenscheinlich aus weinerlichen Kameraden und Kameradinnen besteht, die ihre Beziehungsprobleme mit über die Wolken nehmen - von "Top Gun" keine Spur, wer spektakuläre Luftaufnahmen erwartet, kann gleich abschalten. Sogar der auf gruselig getrimmte Anfang ist nicht mehr als eine Finte, die angedeutete Spannung kann der Tatort nämlich nicht halten. Da mag die Leiche auch noch so schön sein. 

Die Leiche heißt Lore Körner und ist auf jeden Fall tot - und ihr Noch-Mann Jan (Gerdy Zint), der sie gefunden hat, den Tränen nahe. "Wunstorf. Lufttransportgeschwader 62", schluchzt er grad noch so, als Lindholm sich neben ihn setzt. Wir wissen da schon, dass die schöne Lore eine Affäre hatte. "Warum haben Sie sich getrennt?", fragt Lindholm. "Afghanistan", zählt Körner auf, "Mali, die übliche Scheiße." Das Soldatenleben scheint nicht mehr so ausgelassen-fröhlich zu sein wie damals. "Die Soldaten, so wie Jan, die geben diesem Land viel", haucht dessen Nachbarin Vera (Catherine Flemming) sehnsüchtig und lässt den Blick aus dem Fenster schweifen. "Und dann werden sie angefeindet von der Bevölkerung." Und so wohnen sie alle zusammen mit den Soldaten in einem Haus in der Provinz, sie und ihre Nachbarin sind beide Witwen: "Wir wissen, was Einsamkeit bedeutet." Wenn man aber als Wohngemeinschaft in solch permanentem Kriegszustand verharren muss, hackt natürlich eine Krähe der anderen kein Auge aus - da muss man schon etwas ermitteln. Bleibt ja nur noch Lores Lover, der Künstler, zwar beliebt, aber keiner der Ihren. Doch der bleibt verschwunden...

"Kameradschaft ist das A und O, merken Sie sich das!", herrscht Jan gerade sein Regiment an, als Lindholm aufs Gelände rollt, begleitet von einem jungen Hirsch in Uniform, der sich freut: "Ich bin Russlanddeutscher!" Dann gibt es noch etwas Sightseeing, ein wenig unterschwellige Kritik an der Presse und schlechten Flugzeugen, und irgendwann darf Lindholm mit dem Commodore des Stützpunktes, Oberst Andreas Friedrich (Richard van Weyden), noch in dessen Auto knutschen: "Lust auf etwas Neues?" - und die Lindholm frisst ihm aus der Hand. Friedrich ist aber auch der papihafteste Kommandant, den man sich wünschen kann: "Meine Leute haben es schwer genug. Ich will sie nicht noch zusätzlich belasten", brummt er gutmütig mit seiner Märchenonkelstimme. Da können die Kameraden gar keine Mörder sein. 

Der Tatort (Buch und Regie: Hartmut Schoen) bemüht sich - neben einer höchst prominenten, eingeschmuggelten Zweit-Leiche, besser bekannt als Bild-Chefredakteur Kai Diekmann - ganz redlich, der Luftwaffe einen neuen Ruf zu verpassen, der die Kameraden als menschliche Wesen zeigt, die genauso leiden wie jeder Normalo auch - ob sich die Bundeswehr davon geschmeichelt fühlt, darf jedoch bezweifelt werden. Denn diese Kameraden gehören auf die Couch, aber auf keinen Fall in ein Flugzeug. Für den Zuschauer gilt: Genau andersrum. Meiden Sie am Sonntagabend die Couch und fliegen Sie in den Urlaub. Möglichst weit weg. 

Oliver Dietrich ist beim Versuch, diesen Tatort zu Ende zu gucken, zweimal eingeschlafen. Zweimal! 

 

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