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Vermischtes (Print Welt)

Der Ball ist ihr Freund

Von Henrik Lerch | Veröffentlicht am 02.05.2010 | Lesedauer: 6 Minuten
Interview

Shary Reeves wurde als Moderatorin einer Kindersendung populär. Davor hat sie in der ersten Bundesliga Fußball gespielt. Ein Gespräch darüber, wie kickende Frauen wirklich ticken

Beim Thema Fussball denkt jeder an die WM, an die Bundesliga und die Champions League - selten jedoch spielen Frauen dabei eine Rolle. Dass der Frauenfußball heutzutage als chic gilt, weiß eine, die sich gut auskennt: Fernsehmoderatorin Shary Reeves. Die gebürtige Kölnerin, die im Gespräch ihr Alter mit "zwischen dreißig und vierzig" angibt, hat in der ersten Liga gespielt, besitzt die Trainer-C-Lizenz - und liebt den Fußball.

Welt am Sonntag: Wenn man Ihren Namen mit dem Begriff "Klugscheißerin" googelt, landet man 57 500 Treffer. Ist kein Kompliment, oder?

Shary Reeves: Tja, ich weiß, dass ich oft so bezeichnet werde. Ich will das aber gar nicht. Das fing alles mit dieser Sendung an.

Welt am Sonntag: Mit der Sendung "Wissen macht Ah!", in der Sie seit 2001 neugierigen Kindern alle wichtigen Dinge des Lebens erklären?

Reeves: Genau. Eine tolle Sache, die ich liebend gerne weitermachen will. Es ist aber faszinierend, dass die "Klugscheißerin" überall auftaucht. Während meiner eigenen Schulzeit auf einem Mädchengymnasium ist nämlich gar nicht so furchtbar viel hängen geblieben.

Welt am Sonntag: Sie hatten keinen Spaß?

Reeves: Nur im Sport! Ich war eine Supersportlerin und habe schon als Bambini gekickt.

Welt am Sonntag: Sind wir direkt beim Thema Fußball: Sie haben die Trainer-C-Lizenz und in den 90er-Jahren in der Frauen-Bundesliga gespielt, sind FIFA-Botschafterin der Stadt Bochum für die U20-WM und die Frauen-WM 2011. Auf diesem Gebiet dürfen Sie also eine wahre Klugscheißerin sein.

Reeves: Na ja, als Kind habe ich bei Borussia Kalk angefangen, später zwei Jahre beim SC Bad Neuenahr gespielt. Und mal kurz beim 1. FFC Frankfurt. Als Klugscheißerin fühle ich mich trotzdem nicht immer. Denn das, was ich weiß, muss ja nicht unbedingt das Richtige sein.

Welt am Sonntag: Sie haben Ahnung vom Fußball - und weitere interessante Seiten.

Reeves: Diese Vielseitigkeit habe ich von meinem kenianischen Vater geerbt. Er arbeitete für die Deutsche Welle, hat da meine Mutter aus Tansania kennengelernt, ist Professor der Philosophie und sehr intelligent. Er schreibt etwa Briefe auf Latein an Papst Benedikt.

Welt am Sonntag: Okay. Was können Sie denn bieten?

Reeves: Seit zwei Jahren arbeite ich in einer Schreinerei, in einer Art Praktikum. Immer wenn ich frei habe, kann ich da hingehen. Davor war meine Ausbildung zur Fotoassistentin. Außerdem habe ich Softball bei den Cologne Cardinals und Eishockey gespielt. Ich bin Snowboard- und Inline-Skate-Lehrerin, und auch Ballett und Modern Jazz kenne ich ganz gut.

Welt am Sonntag: Außerhalb des Sports sind Sie mit ihren Geschwistern in den 90er-Jahren als Popgruppe "4Reeves" aufgetreten und waren von 2001 bis 2003 in der ARD-Serie "Marienhof" dabei. Daran werden sich noch einige Menschen erinnern können.

Reeves: (lacht)

Reeves: Ach ja, das hatte ich fast vergessen. Ich bin wie ein Chamäleon: Ich verändere mich oft und passe mich meiner Umwelt an. Bei "Marienhof" sind viele ehemalige Schauspielkollegen noch dabei, und wenn ich mir das heute so angucke, dann denke ich: Ich könnte vielleicht ein paar Quoten retten!

Welt am Sonntag: Tatsächlich?

Reeves: Das Problem ist: Du hast Gesichter von tollen Menschen - es sind aber keine Charaktere dabei. Und da muss ich die Brücke zurück zum Fußball schlagen.

Welt am Sonntag: Nämlich?

Reeves: Auch da gibt es heute keine echten Typen mehr. Man kann nicht irgendwen zu einer sogenannten Führungspersönlichkeit machen, der das von sich aus gar nicht will.

Welt am Sonntag: Sind Sie denn so ein starker Typ?

Reeves: Nein, während meiner Fußballzeit war ich das auch nie. Das ist eine Aufgabe, die mit Leistungsdruck zu tun hat. Und dieses Gefühl mag ich nicht. Das war schon in der Schule so. Ich bin genetisch von einem Kontinent, auf dem alles "mellow" zugeht: entspannter. Wenn ich zu einem Fernsehdreh komme, sage ich als erstes: Hetze nie den Afrikaner - diese Entspanntheit brauche ich. Trotzdem finde ich, dass ich jetzt so weit bin.

Welt am Sonntag: Was meinen Sie?

Reeves: Ich würde gerne eine Fußball-Fernsehsendung moderieren. Vor Jahren war ich beim WDR-Casting für "Sport im Westen", da haben sie Tony Baffoe (früher Fort. Düsseldorf /die Red.) genommen.

Welt am Sonntag: Ihre Fußballkarriere ist beendet. Hätten Sie als einstige Kandidatin fürs deutsche U16-Nationalteam mehr daraus machen können?

Reeves: Irgendwann hatte ich keine Lust mehr. Ich brauche Harmonie - und bei uns Frauen gibt es Stutenbissigkeit und Zickerei. Dieses Intrigenspiel war nicht mein Fall.

Welt am Sonntag: Wir dachten, dies sei ein Klischee.

Reeves: Klar, ist das auch ein Klischee. Aber zu meiner Zeit war es so. Nun hat sich einiges verändert.

Welt am Sonntag: Was denn? Nicht wenige Leute meinen, dass alle Fußballerinnen lesbisch und untereinander liiert sind.

Reeves: Darüber kann ich nur lachen! Früher wollten die Frauen wie Männer spielen und sahen auch fast so aus - aber das Thema ist inzwischen überholt und altbacken. Das hat nichts mit der modernen Frau zu tun. Unter Mädchen ist Kicken jetzt chic. Außerdem: Man kann den Männerfußball nicht mit dem Frauenfußball vergleichen.

Welt am Sonntag: Endlich eine Frau, die es ausspricht.

Reeves: Man hat früher doch auch nicht das Tennisspiel von Steffi Graf mit dem von Boris Becker verglichen, oder? Nationalspielerinnen wie Linda Bresonik (Duisburg/die Red.) oder Lira Bajramaj (Potsdam/die Red.) sind total weiblich.

Welt am Sonntag: Und treten auch genau so auf.

Reeves: So ist es! Ja, wir sind Mädchen: Wir haben manchmal lange Fingernägel und laufen nach dem Fußball mit der Handtasche herum.

Welt am Sonntag: Und der Stellenwert des Frauenfußballs steigt: Fürs Pokalfinale Duisburg - Jena am 15. Mai in Köln wurden bislang 12 500 Tickets verkauft.

Reeves: Dafür, dass das kein Länderspiel ist, finde ich das richtig klasse. Ich werde auch dort sein und singen. Mit "de Höhner".

Welt am Sonntag: Bitte?!

Reeves: Ja, genau. Kennen Sie das kölsche Lied "Viva Colonia"?

Welt am Sonntag: Ja, sicher.

Reeves: Das haben wir umgedichtet auf den Frauenfußball, der Chorus mit "Da simmer dabei" bleibt.

Welt am Sonntag: Aha. Dann singen Sie doch mal bitte.

Reeves (lacht): Hmm, also ich rappe da ein wenig. Eine Strophe geht so: "Heute tanzt sie mit dem Ball, morgen tanzt sie auf 'nem Ball, nach dem Spiel ist vor dem Spiegel, Multitasking verleiht Flügel!"

Welt am Sonntag: Klingt schon mal gut. Letzte Frage: Wer wird Fußball-Weltmeister?

Reeves: Oh, das weiß ich nicht - wohl aber, dass ein afrikanisches Land ins Halbfinale kommen wird. Denn wir Afrikaner sind einfach Sportler: Gib uns einen Ball in die Hand, dann machen wir das schon.

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