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Geständnis einer Maske – Teil 1

„Je ne regrette rien“ – Ich bereue nichts. Dieser Satz soll zu Beginn dieses „Geständnisses“ stehen, in dem das Pseudonym „Julian Fosfer“ als solches enthüllt und die „wahre Identität“ dahinter gelüftet wird. Die Spannung steigt, doch bevor es ans „Eingemachte“ geht: „Lüften“, „Geständnis“ und nicht zuletzt der anmaßende Titel bauen einen gewissen Pathos auf, den ich gleich zu Beginn wieder zerstäuben möchte. Die „Enthüllungen“ über meine Person sind eher Formsache, im Großen längst bekannt und entsprechen der neuen seriösen Verlagspolitik von Aurea Aetas sowie einer Weisung unseres gestreng-geliebten IG-Chefredakteurs Patrick Lenart.Der Neuheitswert dieses „offenen Geheimnisses“ über Julian Fosfer beläuft sich wohl auch für unsere meisten Leser gen Null. Abgesehen von einer Erwähnung antifaschistischerseits über einen „Julian F.“, einen mysteriösen „Burschenschafter aus Graz“, hat dieser „nom de guerre“ keine große Karriere erlebt. Warum also einen eigenen zweiteiligen Artikel zu seiner Enthüllung? Ich will in diesem Text begründen, warum ich bei der Gründung der IG nicht mit meinem Klarnamen textete. Dabei werde ich unweigerlich ein paar biographische Details über meine Person ausplaudern, anhand denen ich pars pro toto über die Bedeutung der identitären Idee für das bisherige, altrechte Lager reflektieren will. Genug Material, so meine ich, für einen ernsthaften Beitrag, der über die lapidare Enthüllung eines unbekannten Pseudonyms hinausgeht.

Fangen wir mit dem Wesentlichen an: Beim Autor dieser Zeilen und „Erfinder“ Julian Fosfers handelt es sich um Martin Sellner. Anders als Julian verbindet sich mit meinem realen Namen, vorsichtig ausgedrückt, eine „gewisse politische Implikation“, die – google sei Dank – heute für jeden offen liegt. Ich will, um hier auch einmal meine eigene Sicht darzulegen, wie oben angedroht, ein wenig aus meinem Leben plaudern:

Seit ich denken kann, war ich auf der Suche nach einem Abenteuer, nach einem Wert jenseits der hedonistischen Beliebigkeit, nach einem Ideal, für das es sich zu leben und zu sterben lohnt. Diese „blaue Blume“ und das letzte Abenteuer in einer drögen Welt fand ich, wie so viele Jugendliche, zuletzt nur in der politischen Radikalität. Ungefähr seit meinem 15. Lebensjahr bin ich politisch aktiv (wer kann das im Nachhinein so genau festlegen?). Von Anfang an, lange vor jeder grauen Theorie, lenkte mich etwas in das, was man das „nationale Lager“ nennt. Was es genau war, weiß ich nicht. Vielleicht eine gewisse Sympathie mit den „underdogs“, den Gehetzten, Verfemten und „Bösewichten“? Jedenfalls glaube ich mich zu erinnern, dass ich beim Western immer zu den Indianern und bei Star Wars zum Imperium gehalten habe. Wie auch immer. Diese Phase des politischen Aktivismus brach auf, lange bevor der Begriff „identitär“ überhaupt bekannt war.

Logischerweise führte mich daher meine „aktivistische Karriere“ (die einer realen Bloom-Karriere übrigens sehr abträglich ist, wie ich feststellen musste) in Berührung mit den verschiedensten Bewegungen und Ideologien aus besagtem „Lager“. Das ist es auch, was neben einigen Fehlinformationen über meine Person, die sich auf Antifa-Portalen befinden, als Fakt übrig bleibt. Als junger Patriot, der für liberalen Verfassungspatriotismus immer zu begeistert, für Parteienarbeit immer zu aktivistisch war, durchlief ich folgerichtig das gesamte „außerparlamentarische Spektrum“, welches das nationale Lager in Österreich zu bieten hat und hatte.

Auf tausend Hochzeiten und doch ein Tanz

Ich will hier einen kleinen Überblick über diesen Werdegang ausbreiten, in dem sich möglicherweise manche wiedererkennen werden und der vielleicht einen Anstoß dafür gibt, vorschnelle Pauschalurteile zu hinterfragen. Denn jene, die von Medien jahrelang als „Extremisten“ verhetzt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, sind nichts anderes als die patriotische Jugend dieses Landes, die einen Ausdruck für ihre Gefühle suchte.

Im Alter von ca. 15 Jahren waren ich und ein kleiner Freundeskreis in Kontakt mit einer nationalen Subkultur in Form von Mode und Musik gekommen. Weltanschaulich trieb uns jedoch keine feste Ideologie sondern eine patriotische Begeisterung an. Es war die besagte Suche nach einem Ideal, für das es sich zu kämpfen lohnt, verbunden mit einer ehrlichen Liebe zu Land und Leuten. Hand in Hand damit ging ein Zorn über den antipatriotischen Mainstream und die Politik der Masseneinwanderung und des kulturellen Selbsthasses, die wir als Verrat an Österreich empfanden. Das was wir in unserem Umfeld am eigenen Leib spürten, die Überfremdung, die Gewalt, die Zusammenrottung in ethnische Gangs und Cliquen und damit der Zwang sich zu wehren oder den devoten „Quotenschwabo“ bei den Ausländern zu spielen, all das, was wir auf Sportplätzen, in Parks und am Schulhof erlebten, wurde von keinem thematisiert.

Von keiner Partei, keinem Politiker und keiner der „politisch korrekten“ Jugendrebellionen, die von anarchischen Skatern, über misanthropische Metaller, bis hin zu antiautoritären Kiffer-Rastas ein engmaschiges Netz webten, das fast allen Rebellengeist der Jugend auffing und kommerziell entschärfte. Wir erkannten in eben diesen kommerzialisierten Szenen, in ihren teuren Markenklamotten im „used look“, ihrer „rebellischen Musik“ auf MTV (ja, ich erlebte noch die Nachwehen der guten alten Vor-Youtube-Zeit, ihr jungen Rotzlöffel!) und ihrem apolitischen „Anti-alles“-Gehabe, die Ablenkung von den wesentlichen Fragen unserer Generation.

Der „Ablenker“, der alle täuschte, das war uns rasch (nicht zuletzt durch die Dauerbeschallung gewisser einschlägiger Lieder) klar, war das „scheiß System“, dem wir in jugendlichem Feuer den bedingungslosen Krieg erklärten. Wir erlebten die unterdrückte Wut und Angst der einfachen Leute über Einwanderung und Überfremdung in verzweifelten „Schulhof- und Skaterplatzschlachten“ gegen Türkengangs, wir erlebten die hysterischen Sprach- und Denkverbote des „Systems“ in Gestalt unserer Lehrer und Eltern. Wir fühlten, ganz plastisch und drückend, dass in diesem Staat etwas faul war, dass es etwas gab, das alle fühlten und über das keiner sprach und das scheinbar nur wir erkannten, benannten und bekämpften. Wir waren die Revolution, der Widerstand und die Vertreter der Wahrheit und „wir hatten gelernt, dass Reden ohne Handeln Unrecht ist“. Der Aktivismus wurde uns zur ethischen Maxime.

Erste naive und dilettantische „Aktionen“ gemäß dem Diktum „Werde aktiv in deiner Stadt“ beliefen sich auf symbolisch-provokanten Vandalismus. Sie galten in unserem kleinen verschworenen Kreis als „Erfolg“, wenn die Regionalzeitungen empört über sie berichteten. Rasch führten sie zu ersten Verfahren und Repressionen. Was vorher nur Theorie war: „Die Fremdherrschaft des Systems“ zeigte sich uns nun real und brutal. Wir fielen aus allen Wolken, als uns bewusst wurde, wie intensiv und wie lange wir bereits vom Verfassungsschutz überwacht worden waren. Unser im Grunde harmloser Aktivismus und unsere pubertäre Provokationen erschienen uns nun wie revolutionäre Akte. In dieser Selbstverblendung bestätigten uns die Hausdurchsuchungen, die scharfen Verhöre und die Mühlen der Justiz, die oft zerrüttete Familien, abgebrochene Ausbildungen und den sozialen Tod zur Folge hatten.

Aus diesen Trümmern, unter denen auch der Idealismus vieler Mitläufer begraben wurde, stieg aber bei einigen Wenigen, mich eingeschlossen, der Hass wie ein schwarzer, schwelender Phönix hervor. Wir waren endgültig aus dem „normalen Leben“, dem System ausgestiegen – weniger aus eigenem Antrieb, als durch den Schock der Repressionserfahrung. Während sich unsere Klassenkollegen und Freunde über zu viel Hausaufgaben und Taschengeldverbot ärgerten, und sich um Prüfungen und Beziehungskram sorgten, waren wir mit einem Mal, lange vor jeder erwachsenen Reife, in einem Teufelskreis aus Strafverfahren, Schadenersatz und familiären Rausschmissdrohungen gelandet. (Dazu muss gesagt werden, dass es in Österreich das Verbotsgesetz gibt, das bereits bei aktivistischen Kleinigkeiten angewandt wird und ein Strafmaß von bis zu 20 Jahren hat (wie Mord). Daher ist die Überwachung und Repression gegen den traditionell sehr kleinen und gut überschaubaren aktivistischen Teil des nationalen Lagers so ungehemmt und radikal, wie in kaum einem anderen westlichen, liberalen Staat.)

Was vorher Träumerei war, wurde zu einem persönlichen, brennenden Rachegedanken. Das vorherige Kokettieren mit dem Leben als „Revolutionär“ wurde angesichts der juristischen Brandmarkung schleichend zum auferlegten Schicksal. Man war endgültig „politisch“ geworden. In genau dieser Verfassung stieß ich mit ein paar „letzten Getreuen“ zu aktiven Gruppen, die uns zum ersten Mal echt fundierte Ideologie, aktivistisches Know-How und eine revolutionäre Vision vermittelten. Erste Spontandemos, österreichweite Kampagnen, Sport und Schulungslager und nicht zuletzt der endgültige Einstieg in die diverse „rechte Szene“ in Wien taten das ihrige, um aus einer Gruppe junger Patrioten ideologische Aktivisten zu machen. Die radikalen Gedankenblitze und die dumpfe Wut über die untragbaren Zustände erstarrten allmählich zu einer in sich geschlossenen Weltanschauung, die im Wesentlichen dem Nationalsozialismus entsprach und in der Antisemitismus und chauvinistischer Rassismus eine zentrale Rolle spielten.

Mittlerweile bestand mein Leben nur mehr aus Aktivismus. Ich pendelte zwischen drei Gruppen-Stammtischen in verschiedenen Städten, jede Woche gab es mehrere kleine Aktionen, Fahrten zu Demos nach Deutschland, Vorträge, Konzerte und dazwischen immer wieder Verhöre und Prozesse. Die Gruppennamen und Bündnisse wechselten ebenso rasch wie die einfachen Aktivisten. Die ursprüngliche Sehnsucht, die uns in die Politik geführt hatte, jede freie und offene Herangehensweise an die tabuisierten Probleme der Gesellschaft, war vergessen. Die Szene hatte einen vollkommen aufgesogen und ihre Gesetze, Rituale und Ziele sahen wir nun als die eigenen. Die eigene Szene sahen wir als einzige echte Opposition, als einzige echte Alternative zum „System“, dem alle angehörten, die nicht Teil unserer Subkultur waren.

Die Dämonisierung durch die Medien, unsere Stilisierung als „absolutes Böses“ und „braune Gefahr“ bestärkte uns nur in dieser Haltung und gab uns das Gefühl, wichtig zu sein. Dass man uns nur missbrauchte, um der patriotischen Mehrheit Angst zu machen, war uns nicht klar. Ebenso wurde uns nicht bewusst, dass wir nur mangels Alternativen im jugendlichen Idealismus in der Szene gelandet waren und nicht etwa weil sie unsere eigentlichen Ideale hundertprozentig vertrat. Doch daran verschwendeten wir keine Gedanken, wie überhaupt jedes Zögern und theoretische Nachdenken von uns als „feige“ empfunden wurde. Es war doch alles klar! Wir hier, und dort der Feind! Wir wollten den „Nationalen Widerstand“ organisieren, dessen Aufschwung in Deutschland wir mit Bewunderung und Begeisterung mitverfolgten und brachten dafür große Opfer. Überall ließ man sich blicken. Der Szene-Terminkalender ließ kaum Zeit für andere Aktivitäten. Auf tausend Hochzeiten tanzte ich einen Tanz, verlangte mir und anderen alles ab und war im regionalen, aktiven NW so bald zu einer der zentraleren Figuren geworden (was aufgrund der erwähnten Strukturschwäche der kleinen österreichischen Szene weniger Talent und Charisma als Disziplin und kontinuierliches „Dabeisein“ erforderte.)

Eine folgenreiche Verschmelzung

Ganz unmerklich hatte sich in diesen Tanz aber ein Partner eingeschlichen, der immer mehr die Führung übernahm. Gerade weil uns die „Systemmedien“ ständig und vom ersten Tag an als „Nazis“ diffamierten und wort- und bildgewaltig ausmalten, wie der „Feind des Systems“ auszusehen hatte und was er so dachte und sagte, modellierten wir uns selbst, lustvoll und trotzig nach diesem Vorbild. Wir wurden wandelnde Provokationen, Projektionsflächen für den Selbsthassfetisch der neurotischen Schuldkult-Jünger. Wir genossen die Entrüstung und das blanke Entsetzen, das wir mit unserem Auftreten regelmäßig hervorriefen. Wir waren „Nazis“ geworden. Staatsfeinde, Hasskünstler und verlorene Rebellen. Umbrandet von Abscheu und Furcht, von Verfolgung und Repression in die Katakomben der Gesellschaft getrieben, war unser Idealismus für Heimat, Land und Leute längst mit einem hasserfüllten, bekennenden Nationalsozialismus zu einem unförmigen Klumpen verschmolzen. Der Hass wurde zum primären Antrieb und unsere Herzen wurden zu Stein…

Völlig unhinterfragt setzten wir einen Rehabilitationskampf für den historischen Nationalsozialismus mit dem patriotischen Einsatz für das Lebensrecht unseres Volkes und unserer Kultur gleich. Die Themen unseres Aktivismus wandelten sich demnach auch von Überfremdung und ihren Symptomen hin zur Rehabilitierung des 3. Reichs und seiner Vertreter. Die ehrliche Wut über die Überfremdung und ihre Tabuisierung durch verlogene Medien, über Meinungsverbote und Meinungsdiktatur hatte uns das Politische bewusst gemacht. Die Schläge der Repression, die auf ersten Aktivismus folgten, trieben uns direkt in die Arme der Szene. Sie waren letztlich der Auslöser für diese Verschmelzung von NS und Patriotismus. Sie erzeugten den Hass und provozierten unser Bekenntnis zum „absoluten Bösen“, von dem die Republik der Schuld immer noch negativ ihre Legitimation ableitet.

Wir waren so zu lebendigen „Denkmälern“ geworden, an denen sich die Heerscharen der herrschenden Ideologien, die Schreibschergen der Medien, NGOs sowie die Blogger aus ihren antifaschistischen Nachwuchspfuhlen lukrativ abarbeiteten. Sie brauchten uns als ewiges „Warnsignal“, als wandelnde „Anfänge“, denen man „wehren“ konnte. Aber auch wir brauchten sie irgendwie als „totales Feindbild“, als Hassfetisch, an dem lustvoll, am Tage X sich zu rächen, als mobilisierender Mythos bald das Aufrütteln des eigenen Volks ersetzt hatte. Dieses begannen wir aus der bierseligen Isolation unserer Kellerelite allmählich eher zu verachten. Dass das Volk auf unseren Aktivismus, der immer fanatischer um Begriffe, Themen und Symbole des 3. Reichs kreiste, ablehnend reagierte, bestätigte uns darin. Man war gar nicht mehr daran interessiert, den Bürger anzusprechen, sondern gierte wie ein Hass-Junkie nach ihrem nackten Entsetzen. Wir verachteten sie und wünschten ihnen Armut und Hungernöte an den Hals, damit sie reumütig zu uns gekrochen kämen.

Doch diese Verschmelzung von jugendlich-patriotischem Idealismus und nationalsozialistischer Ideologie hatte keine neue echte Vision erzeugt, sondern im Grunde zwei verschiedene, widersprüchliche Ideen künstlich verkleistert. Gerade bei unseren Versuchen, den NS als revolutionäre Idee zu rehabilitieren, sein „negatives Bild reinzuwaschen“, (womit wir immer stärker in den Revisionismus abglitten), zeigten sich diese Widersprüche. Wir versuchten im Grunde, unser ursprüngliches, patriotisches Gefühl ex post in den historischen NS hineinzuprojizieren. Das innere Zwiedenken, das sich hier auftat, ist retrospektiv betrachtet unfassbar. Einerseits sprach man auch von Völkerviefalt, und davon, dass jedes Volk seinen Wert in sich trage, im selben Atemzug wurden primitive chauvinistische Lieder angestimmt. Man leugnete vehement die Existenz einer Vernichtungsidee gegen die Juden im 3. Reich, weil Deutsche für so etwas „viel zu anständig“ seien und beteuerte gleichzeitig, dass man, wenn man an der Macht wäre, die Juden endlich wirklich beseitigen müsste, nur diesmal „rücksichtsloser“. Dieses orwellsche Doppeldenken ist auf die besagte ungesunde Verschmelzung zurückzuführen, welche die eigentliche Intention der meisten Aktivisten überdeckte.

Denn was den meisten von uns eigentlich vorschwebte, war die einfache und selbstverständliche Losung „jedem Volk sein Land“ und nicht etwa imperialer Rassenchauvinismus, wie er im NS offiziell postuliert wurde (Das blendeten wir völlig aus, oder wussten es mit vielen konstruierten Zitaten zu verschleiern). Es war vielmehr der Kampf gegen die Globalisierung und ihre weltweite Vereinheitlichung als eine rassistische Ideologie mit Vernichtungs- und Erlösungsantisemitismus, die unseren Grundstandpunkt bildete. Wir sahen uns als die wahren Freiheitskämpfer, die gegen verlogene Kriege, grausame Ausbeutung, bis gegen vergiftetes Klima und Essen mobil machten. (Das führte sogar zu skurrilen Initiativen wie „Nationale Sozialisten für Israel“).

Mit einiger Verspätung schwappte auch die Welle der „autonomen Nationalisten“ nach Österreich über und ein neues ideologisches Konglomerat namens „Nationaler Sozialismus“, der mit dem historischen bis auf den provokanten Namen und den evozierten Hass und Abscheu fast nichts gemein hatte, war auf einmal en vouge. Bewusst beriefen diese Nationalen Sozialisten sich auf dissidente, ausgeschaltete Strömungen im real existierenden NS. Warum sie dennoch auf diesem unverwechselbaren Begriff beharrten, ihn unter Berufung auf unbekannte, geschichtlich wirkungslose Strömungen sowohl gegen seine historische Realität als auch gegen seine gesellschaftliche Wahrnehmung, die auf jener beruht, als „nationaler Sozialismus“ rehabilitieren wollten, dürften sie selbst nie hinterfragt haben. Ich glaube mittlerweile sogar, dass hier die subkulturellen Klamotten und die Musik eine Hauptrolle gespielt haben dürften. Man war einfach in der Szene und man blieb ihr treu. Denn „Ausstieg war Verrat“. Das bedeutete konkret vor allem, gewisse „heilige“ Begriffe und Symbole niemals anzutasten.

Bei uns jungen Aktivisten im Raum Wien schlug diese neue Welle aus Deutschland erste Bruchstellen in die nie voll abgeschlossene Verschmelzung von NS und Patriotismus. Ja, letztlich führte sie in uns, und insbesondere in mir, zu einem radikalen Bruch. Ein Bruch, aus dem sich später eine NS-Kritik aus identitärer Sicht entwickelte, die unter aktiven Kräften eine absolute Neuheit war (und ist). Damit hat es aber eine eigene Bewandtnis: Wien war, wegen dem besagten Trotz kontra die pauschal-brutale Repression alles Nationalen, eine Hochburg des „orthodoxen Nationalsozialismus“ und stets gegen Um- und Neudeutungen aufgetreten. Auch der neue Dreh des „nationalen Sozialismus“ stieß in der Szene in Wien auf Widerstand und Verachtung. „Wozu das Rad neu erfinden?“, so der O-Ton. „Uns reichen die 25 Punkte“. Gegen die sozialen, antichauvinistischen und ethnopluralistischen Aspekte, die in dieser neuen Welle aus Deutschland auftauchten, wurde ein harter, antisemitischer, chauvinistischer und „reiner NS“ vertreten. Diese Verhärtung und Abgrenzung zu ethnopluralistischen Verwässerungen der reinen Lehre, stellte für uns die Gleichsetzung von Heimatliebe und NS radikal in Frage. Eine gewisse „innere Emigration“ begann, wenngleich man sich freilich noch moralisch gemeinsamen Zielen und Projekten verpflichtet fühlte.

Und doch: eine tiefe ideologische Sinnkrise kündigte sich an und wurde durch fiebrigen Aktivismus und einen starken, zusammenschweißenden Repressionsdruck, den eine Szene-Homepage zu dieser Zeit ausgelöst hatte, überdeckt. Die Frustration über das überschaubare „Erreichte“ wuchs. Erst zögerlich wurde uns bewusst, dass wir den Bezug zum „Gegenstand“ all unserer Bemühungen, dem „einfachen Volk“, längst verloren hatten. Von revisionistischer Selbstanzeige über andere suizidalen Herostrates-Taten bis zu wehrbauernhaften Siedlungsprojekten zuckten unsere ohnmächtigen Phantasien hin und her. Es sollte aber eine ganz andere Richtung sein, die den weiteren Weg bestimmte und am Ende dazu führte, dass ich heute diesen Artikel schreibe.

Weiterlesen: Geständnis einer Maske – Teil 2

Über Martin Sellner

Martin Sellner
Studiert in Wien Rechtswissenschaften und Philosophie. Leiter der IBÖ Landesgruppe Wien.

4 Kommentare

  1. Dumpfe Skinhead Szene mit Outlaw Habitus, nationaler Bürgerschreck, ungefilterte Glorifizierung von NS-Gedankengut, schrilles Konglomerat aus ideologischen Versatzstücken das zu einem möglichst einheitlichen Konzept gezimmert wurde, Mangel an Alternativen zwischen RFJ und NS-NW – ja, der Wiederkennungswert ist groß. Freue mich auf Teil II.

  2. Carabus violaceus

    Interessanter Werdegang! Nur eine kleine Anmerkung zwecks der Passage: „…womit wir immer stärker in den Revisionismus abglitten“ – Ich halte einen objektiven Revisionismus (ala Stefan Scheil, Schultze-Ronhof, Chr. Clark) nicht für per se schlecht! So soll er ja nicht der vorbehaltlosen Glorifizierung und der Wiederbelebung des „Dritten Reiches“ dienen. Zwischen „Revisionismus“ auf der einen und „Glorifizierung“ auf der anderen Seite ist also eine strikte Trennlinie zu ziehen. Dem Bürger, den es zu erreichen gilt, sollte dies auch deutlich gemacht werden. Ich halte das für eine wichtige Aufgabe der IB, auch wenn diese noch nicht die „Hoheit der Begriffe“ inne hat. Was meint ihr dazu?

    • Martin Sellner

      Ja du hast Recht- das ist schwammig formuliert. Die „Alleinschuldthese“ ist klar zu kritisieren und das wurde und wird von großen Historikern wie Nolte auch gemacht. Mit Revisionismus meinte ich hier vor allem den Holocaust-Revisionismus in der Szene. Der ist im Grunde nur der Gegenpart zum herrschenden Schuldkult und versucht mit absurden Behauptungen den NS zu glorifizieren, anstatt ihm „gerecht zu werden“, wie besagter Historiker einmal sagte. Wenn Ernst, dann Nolte statt Zündel! 😉

  3. Mir scheint, dass hier persönliche Frustration, Unverständnis über den NS (die „Kritik“ am NS könnte von Guido Knopp stammen) und (vermutlich legitime) Enttäuschung über die zwischenmenschlichen Verhältnisse im NW, dazu geführt haben, dass sich der Autor vom NS abgewandt hat.
    Man kann wohl niemanden einen Vorwurf machen, wenn er das Verhalten vieler Personen im NW ablehnt (insbesondere von jenen, welche sich als Nationalsozialisten sehen, diesen aber nicht leben). Man kann auch niemanden einen Vorwurf machen, wenn bei ihm die persönliche Frustration eintritt, da die politischen Ziele immer noch nicht erreicht sind. Aber man kann jemanden einen Vorwurf machen, wenn er sein persönlichen – ich nenne es einmal – Fehler bei anderen sucht.
    Hätte sich der Autor in seiner „NS-Zeit“ mal mehr mit dem NS beschäftigt würde er wohl wissen was Nationalsozialismus bedeutet.
    Dinge wie die Behauptung der nationale Sozialismus sein ein „ein neues ideologisches Konglomerat“ sprechen Bände, über die Unwissenheit (die aber im NW leider weit verbreitet ist).
    Aus heutiger Sicht spielt die Wortaufteilung wohl mehr oder weniger nur eine juristische Rolle.
    Auch der historische NS wurde anfänglich u.a. nationaler Sozialismus genannt. Die Vereinigung der Worte wurde später jedoch fest. Rosenberg sprach sich bspw. dafür aus, um eine bessere Einheit von beidem zu verdeutlichen, bzw. als Stärkung des Nationalem (national nicht nur als Beiwort).
    Wenn es eine erst gemeinte Kritik am NS wäre, dann wäre Autor wohl deutlich mehr auf den Inhalt vom NS eingegangen. Ich las aber weder Kritik am Nationalismus, noch am Sozialismus oder an der Vereinigung dieser. Sämtliche Kritik welche geäußert wird bezieht sich auf Äußerungen und Verhalten von (vermutlich wirklich) asozialen Personen. Das Verhalten dieser Personen aber nun dem NS in die Schuhe zu schieben, zeugt von einer persönlichen Schwäche.

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