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US-Soldaten bekommen deutsche Plastikpistolen

Von Gerhard Hegmann | Veröffentlicht am 21.01.2017 | Lesedauer: 3 Minuten
Megaauftrag für die Waffenfirma SIG Sauer. Für gut 580 Millionen Dollar bestellen die amerikanischen Streitkräfte neue Modelle

Seit gut 30 Jahren schießen US-Soldaten mit Pistolen des italienischen Herstellers Beretta. Doch das ändert sich jetzt.

In einem jahrelangen Auswahlverfahren über eine neue Pistolengeneration, an dem sich neben Beretta weitere prominente Firmen wie Smith & Wesson oder Glock beteiligten, fiel die Entscheidung zu Gunsten von SIG Sauer.

Für die deutsche Firma mit Schweizer Wurzeln ist es ein Mega-Auftrag zum Festpreis über 580,2 Millionen Dollar für Pistolen, Munition und Zubehör. Die Waffen werden aber in der amerikanischen Fabrik im US-Bundesstaat New Hampshire produziert, teilte die Firma mit ihrem norddeutschen Sitz in Eckernförde mit.

SIG Sauer gewann mit seinem neuen Modell P320 den Wettbewerb. Die Pistole besteht teilweise aus besonders hartem Plastik (Polymer). Die US-Army suchte ein „Modulare Handgun System (MHS)“ und SIG Sauer betont, dass sich an der Pistole mit üblicherweise 9-Millimeter-Kaliber die Größe der Pistolengriffe austauschen lässt und auch das Kaliber geändert werden kann.

Zunächst ist nun ein Testverfahren geplant, bevor die Waffe noch in diesem Jahr schrittweise an die Soldaten ausgegeben werden soll, hieß es in der Erklärung. Nach der Ausschreibung will das US-Heer allein 280.000 neue Pistolen bei der US-Tochter der SIG Sauer-Gruppe bestellen und damit die alten M9-Modelle von Beretta ersetzen, die von den US-Bodenstreitkräften seit 1985 genutzt wurde. Weitere 212.000 Pistolen werden angeblich von anderen Teilen der US-Streitkräfte bestellt.

SIG Sauer wertet die Bestellung der US-Militärs als Anerkennung einer technischen Vorreiterrolle. Die Waffenfirma gehört seit 16 Jahren der privaten deutschen L&O Holding, zu der die deutschen Aktivitäten, die US-Tochter und die Schweizer Swiss Arms gehört. L&O ist die Abkürzung für die Inhaber Michael Lüke und Thomas Ortmeier. Die Firma ist in einer komplexen Firmenstruktur sowohl im Zivilmarkt mit Jagd- und Sportwaffen als auch im Militär- und Sicherheitsmarkt tätig.

Zu den Konkurrenten von SIG Sauer im Pistolen- und Gewehrgeschäft gehört der deutsche Waffenhersteller Heckler & Koch. Zumindest in der Endrunde der jetzt entschiedenen US-Ausschreibung war Heckler & Koch nicht vertreten. Ob sich die Oberndorfer Firma in einer frühen Phase des Wettbewerbs beteiligte, hat die Firma nie offiziell mitgeteilt.

Als nächste große Entscheidung im militärischen Waffengeschäft steht die Ausschreibung für ein neues Sturmgewehr für die Bundeswehr als Nachfolger des G36 an. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte 2015 entschieden, 167.000 G36-Gewehre wegen unzureichender Treffsicherheit bei Dauerfeuer oder großer Hitze auszumustern. In einem Schadensersatzprozess um das umstrittene Sturmgewehr setzte sich aber der Hersteller Heckler & Koch gegen das Verteidigungsministerium durch. Das Ausmustern der G36-Gewehre soll dennoch ab 2019 beginnen. Bei der Ausschreibung will SIG Sauer dabei sein. Dabei werden die Eckernförder nicht nur auf die Oberndorfer Firma Heckler & Koch treffen, die zuletzt mit dem Auftrag für das neue Sturmgewehr Frankreichs einen Großerfolg feierte.

Als dritter deutscher Anbieter für die G36-Nachfolge in Deutschland wird sich auch der große deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall einmischen. Er verkündete jüngst eine Zusammenarbeit mit dem österreichischen Waffenhersteller Steyr Mannlicher. Sie wollen dabei das neue Sturmgewehr RS556 mit 60 Prozent deutschem Anteil als „Made in Germany“ ins Rennen schicken.

Die genauen Kosten, die die Bundeswehr für das neue Gewehr einplant, sind noch nicht bekannt. Experten sprechen aber von einer ähnlichen Größenordnung wie jetzt in den USA für die Pistolen.

Der Standort von SIG Sauer in Eckernförde hat schon von der neuen Waffenkonjunktur profitiert. Früher arbeiteten dort bis zu 600 Beschäftigte, dann waren es unter 100, aber seit dem Vorjahr legt die Mitarbeiterzahl wieder zu. Das Unternehmen setzt auf die Sportbranche und das Behördengeschäft. Denn auch bei der Polizei wächst wegen der zunehmenden Terrorgefahr die Nachfrage nach modernen Feuerwaffen.

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