Wenige Monate nach Kriegsende, inmitten von Not und Zerstörung, gab es bereits die ersten Versuche, den Spielbetrieb wieder aufzunehmen. Im fast intakten „Theater des Westens“ in der Kantstraße gab das Orchester Konzerte. Mit der Unterstützung der Besatzungsmächte, die ein spezifisches Interesse am kulturellen Wiederaufbau Berlins hatten und schon bald zusammen mit dem Berliner Magistrat den Wiederaufbau des Hauses an der Bismarckstraße beschlossen, wurde das Theater als provisorische Spielstätte hergerichtet und am 4. September 1945 mit Beethovens FIDELIO eröffnet. Intendant Michael Bohnen gelang es, mit Hilfe seines Orchesters und eines zum Teil neu zusammengefügten, hochmotivierten Ensembles nahezu aus dem Nichts – der Fundus an Bühnenbildern und Kostümen war zerstört worden – ein Repertoire aufzubauen, das an Vorkriegstraditionen anknüpfte. Die Städtische Oper, wie das Haus inzwischen wieder hieß, konnte unter Bohnen und später erneut unter Heinz Tietjen ein Fundament legen, in dem die späteren Erfolge der Charlottenburger Oper wurzelten: Künstler wie Ferenc Fricsay, der von 1948 bis 1952 Generalmusikdirektor war, Dietrich Fischer-Dieskau, Elisabeth Grümmer, Martha Musial, Josef Greindl oder Ernst Haefliger, um nur einige wenige zu nennen, prägten in den fünfziger Jahren das Ensemble; Carl Ebert übernahm von 1954 bis 1961 wie schon zuvor die Intendanz und konnte erneut innovative künstlerische Impulse geben. Er war es auch, der die Rückkehr des Ensembles in das inzwischen neu errichtete Opernhaus an der Bismarckstraße leitete.
Fritz Bornemann und die Wiedereröffnung der Deutschen Oper Berlin
Am 24. September 1961 wurde das von Fritz Bornemann entworfene neugebaute Zuschauerhaus mit Mozarts DON GIOVANNI wieder eröffnet. Auf Anregung von Ferenc Fricsay war aus der „Städtischen Oper“ die „Deutsche Oper Berlin“ geworden. Die Eröffnung fiel in eine Zeit, die wieder einmal voller politischer und gesellschaftlicher Umbrüche war. Sechs Wochen zuvor, am 13. August 1961, hatte die Führung der DDR eine Mauer errichten lassen, die den Ostteil Berlins und damit die beiden anderen Opernhäuser, die Staatsoper Unter den Linden und die Komische Oper, vom Westteil trennte. Berlin war eine Insel geworden und die Deutsche Oper Berlin eine der wichtigsten nationalen Kulturstätten überhaupt – für die West-Berliner das einzige große Musiktheater ihrer Stadt.
Nach der Eröffnung, die zugleich das Ende der Intendanzzeit Carl Eberts bedeutete, übernahm Gustav Rudolf Sellner, der mit der szenischen Erstaufführung von Arnold Schönbergs MOSES UND ARON in der Kantstraße Furore gemacht hatte, die Leitung; 1965 verpflichtete er den jungen Dirigenten Lorin Maazel als Generalmusikdirektor, der das Orchester zu Glanzleistungen führte. Die Dirigenten Karl Böhm und Eugen Jochum verstärkten ihr Engagement für das Haus. In den folgenden Jahren entwickelte sich die Deutsche Oper Berlin zu einem kulturellen Mittelpunkt, der Gaststars aus aller Welt anlockte. Junge Sängerbegabungen wurden entdeckt, die später an allen großen internationalen Bühnen tätig waren: Evelyn Lear, Gundula Janowitz, José van Dam, Pilar Lorengar, Leonie Rysanek, Anja Silja oder Agnes Baltsa. Zahlreiche Gastspiele führten das Ensemble an viele bedeutende Bühnen Europas, aber auch zu den Olympischen Spielen 1968 nach Mexico City oder, in den sechziger Jahren, dreimal nach Japan. Repräsentative Vorstellungen wichtiger Repertoire-Stücke, bahnbrechende Inszenierungen jüngerer Regisseure, die oft völlig neue Sichtweisen auf bekannte, aber auch auf noch unbekannte Werke der Moderne ermöglichten sowie wegweisende Wagner-Inszenierungen wie etwa des Bayreuther Reformers Wieland Wagner machten das Haus an der Bismarckstraße zu einem der führenden internationalen Opernhäuser. Egon Seefehlner, der die Intendanz 1972 übernahm, führte diese Entwicklung fort. Unter seiner Ägide wurde Gerd Albrecht Chefdirigent, Jesús Lopéz Cobos wurde ebenfalls verpflichtet. Nach dem Weggang Seefehlners an die Wiener Staatsoper übernahm dann 1976 der renommierte Cellist Siegfried Palm die Intendanz, und auch ihm gelangen nach mancherlei Anfangsschwierigkeiten wichtige Erfolge. Edita Gruberova debütierte als Lucia di Lammermoor, Siegfried Jerusalem und Barbara Hendricks begannen ihre Karrieren, der Dirigent Giuseppe Sinopoli begeisterte Publikum und Fachwelt. Und noch ein großes Talent gab seinen Einstand an der Deutschen Oper Berlin: Der Felsenstein-Schüler Götz Friedrich inszenierte 1977 zum erstenmal an dem Haus, dem er wenige Jahre später, von 1981 an, als Generalintendant sein unverwechselbares Profil geben sollte.
Die Intendanz Götz Friedrich
Mit seiner Inszenierung von Leos Janáceks AUS EINEM TOTENHAUS begann die Intendanz Götz Friedrichs programmatisch: Die letzte Neuproduktion vor der Schließung der politisch und künstlerisch hochambitionierten „Kroll-Oper“, das packende Musiktheaterwerk Janáceks, wurde zum Beginn einer neuen Ära im Haus an der Bismarckstraße. Fesselndes Musiktheater, lebendige Oper – der Regisseur und Intendant Götz Friedrich führte das Haus zu höchster, auch internationaler Geltung. Das Ensemble wurde durch wichtige Sängerpersönlichkeiten erweitert, Dirigenten wie Horst Stein, Giuseppe Sinopoli, Marcello Viotti, Christof Prick und Peter Schneider prägten das musikalische Gesicht des Hauses. Zusammen mit Götz Friedrich trat Jesus Lopez Cobos als Generalmusikdirektor an, seit der Spielzeit 1990/91 war Jiri Kout Erster Dirigent der Deutschen Oper Berlin. 1992/93 übernahm Rafael Frühbeck de Burgos die Leitung des Orchesters. Christian Thielemann bekleidete von 1997 bis 2004 das Amt des Generalmusikdirektors und Künstlerischen Leiters der Konzerte.
Namhafte Gastregisseure, darunter Herbert Wernicke, Jean-Pierre Ponnelle, John Dew, Günter Krämer, Hans Neuenfels oder Achim Freyer setzten Glanzlichter im außerordentlich innovativen Repertoire jener Jahre, das bei aller Vielfalt geprägt war vom Wirken des Hausherrn Götz Friedrich. Die Zahl seiner wegweisenden Inszenierungen, darunter eine beispielhafte Interpretation von Richard Wagners DER RING DES NIBELUNGEN, lässt sich in wenigen Sätzen nicht zusammenfassen, ebenso wenig sein Einfluss auf das musikalische Leben seiner Stadt, der er bis zu seinem Tod im Dezember 2000 immer wieder wichtige Impulse gab.
Von Udo Zimmermann zu Kirsten Harms
Nachfolger Götz Friedrichs wurde der Leipziger Opernintendant Udo Zimmermann, der als Komponist von Werken wie LEVINS MÜHLE und DIE WEISSE ROSE als ausgewiesener Spezialist für Neue Musik gilt. Er leitete die Deutsche Oper Berlin von August 2001 bis zum Juni 2003. Seine Konzeption setzte auf Kontinuität und Erneuerung. Eine Vielzahl der Inszenierungen von Götz Friedrich, wichtige Arbeiten von Hans Neuenfels und Achim Freyer wurden im Repertoire lebendig gehalten. Götz Friedrichs DER RING DES NIBELUNGEN erlebte eine Wiederaufnahme. Udo Zimmermanns erste Spielzeit wurde durch zwei programmatische Ereignisse markiert: Peter Konwitschny inszenierte Luigi Nonos INTOLLERANZA, der Architekt Daniel Libeskind realisierte seine szenische Vision zu Olivier Messiaens SAINT FRANCOIS D´ASSISE. Seine Spielplangestaltung bezog selten gespielte Werke ein wie Mozarts IDOMENEO in der Regie von Hans Neuenfels, Cherubinis MÉDÉE, inszeniert von Karlernst und Ursel Herrmann oder Rossinis SEMIRMAMIDE in der Regie von Kirsten Harms. Das theatrale Experiment der szenischen Realisation von Verdis MESSA DA REQUIEM durch Achim Freyer wurde zu einem Publikumserfolg. In der Spielzeit 2003/04 lag die Leitung des Oper in den Händen von Peter Sauerbaum, dem kommissarischen Leiter und geschäftsführenden Direktor der Deutschen Oper Berlin, sowie Heinz-Dieter Sense, dem kommissarischen künstlerischen Leiter des Hauses.
Von 2004 bis 2011 war die Hamburger Regisseurin Kirsten Harms Intendantin der Deutschen Oper Berlin. Seit August 2009 ist der Wagner- und Strauss-Experte Donald Runnicles neuer Generalmusikdirektor an der Bismarckstraße. Neben Wien und München verfügt die Deutsche Oper über ein in Europa einmaliges, gewissenhaft gepflegtes Repertoire von ca. 70 Operninszenierungen in vielfältigsten Regiehandschriften. Ca. 40 Premieren-Produktionen prägten in der Ära Harms das Gesicht des Hauses genauso wie hervorragend besetzte Repertoirevorstellungen, spannende Diskussionsreihen und Konferenzen. Kirsten Harms selbst inszenierte hier GERMANIA, CASSANDRA / ELEKTRA, TANNHÄUSER, DIE FRAU OHNE SCHATTEN und DIE LIEBE DER DANAE und lud zahlreiche Regisseure von „renommiert-etabliert“ bis „jung und wild“ ein, den großen Opernwerken ihre jeweiligen Sichtweisen zu verleihen. Exemplarisch seien u. a. genannt: Marco Arturo Marelli, Graham Vick, David Pountney, Johannes Schaaf, Christoph Schlingensief, Robert Carsen, Andreas Kriegenburg, Katharina Thalbach, Philipp Stölzl, Lorenzo Fioroni oder Roland Schwab. In den letzten Jahren gastierten u. a. Anja Harteros, Elina Garanca, Anna Netrebko, Angela Gheorghiu, Patrizia Ciofi, Natalie Dessay, Waltraud Meier, Evelyn Herlitzius, Adrianne Pieczonka, José Cura, Jonas Kaufmann, Johan Botha, Klaus Florian Vogt, Vittorio Grigolo, Peter Seiffert, Roberto Alagna, Neil Shicoff, Joseph Calleja, Zeljko Lucic, Dmitri Hvorostovsky, Ildebrando D'Arcangelo sowie Matti Salminen.
Wiederentdeckungen verlorener oder verfemter Stücke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben das Kernrepertoire erweitert: Hier seien u. a. Alberto Franchettis GERMANIA genannt, Alexander von Zemlinskys DER TRAUMGÖRGE, Vittorio Gnecchis CASSANDRA, Walter Braunfels’ SZENEN AUS DEM LEBEN DER HEILIGEN JOHANNA, Ottorino Respighis MARIE VICTOIRE und Hermann Wolfgang von Waltershausens OBERST CHABERT.
In der Saison 2011/2012 übernahm Christoph Seuferle als Kommissarischer Intendant zusammen mit Donald Runnicles und Geschäftsführer Thomas Fehrle die Verantwortung.
Der Beginn der Intendanz Dietmar Schwarz und das 100jährige Jubiläum
Am 1. August 2012 übernahm Dietmar Schwarz die Geschicke des Hauses. In seiner ersten Spielzeit, die gleichzeitig die 100. des Hauses an der Bismarckstraße ist, werden Helmut Lachenmanns DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN, Richard Wagners PARSIFAL, Sergej Prokofjews DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN, Benjamin Brittens PETER GRIMES und Giuseppe Verdis RIGOLETTO zur Premiere kommen. Ein besonderes Augenmerk wird der Kinder- und Jugendarbeit gewidmet. Die neue Bühne in der Tischlerei wird dem Nachwuchs eine eigene Heimstatt werden mit Babykonzerten, Musiktheaterprojekten, Performances, Werkstätten.
Mit Xenakis’ Ausnahmewerk für Kammerorchester, Chor und Bariton, ORESTEIA, wurde der Premierenreigen 2014/2015 eröffnet, und zwar auf dem Oberdeck des Parkhauses Deutsche Oper, das dem Regie-Team um David Hermann eine ungewöhnliche Kulisse bieten wird. Weiter führten die Premieren in die Philharmonie, wo mit Meyerbeers DINORAH ein großer Meyerbeer-Zyklus eingeläutet wurde, der die kommenden Spielzeiten überspannt. Ebendort würdigte ARIADNE AUF NAXOS den 150-Jahr-Jubilar Richard Strauss, bevor im November Edita Gruberová eine ihrer absoluten Bravourpartien, die der Elisabetta I. in ROBERTO DEVEREUX, gab. Mit Brittens DIE SCHÄNDUNG DER LUCRETIA in einer Inszenierung von Fiona Shaw im Haus der Berliner Festspiele wurde der Zyklus mit Werken des britischen Komponisten nach PETER GRIMES und BILLY BUDD fortgesetzt.
Seit 27. November 2014 kann das Ensemble der Deutschen Oper Berlin nach großen Renovierungsarbeiten an der Bühnenmaschinerie seine Bühne an der Bismarckstraße wieder bespielen. Im Laufe der Saison gelangen vier zentrale Werke des Opernrepertoires zur szenischen Premiere und markieren damit programmatische Schwerpunkte, die sich auch im Repertoire des Gesamtspielplanes finden: Mit Schostakowitschs LADY MACBETH VON MZENSK in der Inszenierung von Ole Anders Tandberg wird das russische Repertoire eine Erweiterung erfahren, mit ROMEO UND JULIETTE in der Inszenierung von Sasha Waltz und Gounods FAUST in der Inszenierung von Philipp Stölzl die französische Oper. Im März 2015 präsentieren wir Ihnen eine Puccini-Werkschau, deren Höhepunkt sicherlich die Premiere von LA RONDINE in der Inszenierung von Rolando Villazón markiert.