Gründung der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)

Knapp 200 antisemitische Straftaten zählte die Berliner Polizei im Jahr 2014. Doch dabei handelt es sich lediglich um strafrechtlich relevante Vorfälle. Die vielen alltäglichen Pöbeleien, Drohungen und Beleidigungen, die nicht in den strafbaren Bereich fallen, werden bislang in Berlin kaum dokumentiert. Der Berliner Senat hat deshalb den Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK) beauftragt die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) zu gründen. Sie wird zukünftig antisemitische Entwicklungen in Berlin beobachten und dokumentieren.

Dafür sollen neue Wege gegangen werden. So hat der VDK e.V. 2014 gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung erstmals eine Umfrage bei allen Synagogengemeinden Berlins durchgeführt. So sollen aus erster Hand Berichte von Anfeindungen gegen Juden in Berlin im Alltag gesammelt werden. Die Ergebnisse werden in den nächsten Monaten präsentiert.

Für das Jahr 2014 sind besonders hervorzuheben die zunehmende öffentliche Verbreitung antisemitischer Verschwörungsideologien und die offen judenfeindlichen Positionierungen auf Demonstrationen in Berlin. Diese wurden dokumentiert und kategorisiert (siehe Tabellen unten).

Bezug zum Nahost-Konflikt

In Berlin kam es wie in ganz Deutschland vor dem Hintergrund der israelischen Militäroperation im Gaza-Streifen zwischen Anfang Juli und Ende August 2014 vermehrt zu antisemitischen Angriffen und Sachbeschädigungen sowie antiisraelischen Demonstrationen. Bei 17 (von 28) Demonstrationen wurden von RIAS Dämonisierungen und Delegitimierungen Israels bzw. die Anwendung doppelter Standards, für sechs judenfeindliche Positionen festgestellt. Aus Demonstrationen heraus kam es zu Angriffen gegen ein als jüdisch identifiziertes israelisches Ehepaar und gegen Menschen mit Israel-Fahne. Im selben Zeitraum kam es in Berlin zu vier antisemitischen Angriffen, drei Bedrohungen und zu mehreren Beschimpfungen im Umfeld von Synagogen.

Antisemitische Verschwörungsideologien

Im März 2014 bildete sich vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts eine „Neue Friedensbewegung“, welche sich als „Montagsmahnwachen für den Frieden“ bezeichnet. Die Kundgebungen hatten zwischen Mitte April und Anfang Mai ihren größten Zulauf mit bis zu 2000 Teilnehmenden. Diese „Friedensbewegung“ ist äußerst heterogen, aber in Teilen offen für antisemitische Verschwörungsideologien und rechtsextreme Inhalte. Insbesondere im Internet verbreiten zahlreiche Anhänger der „Friedensbewegung“ judenfeindliche Texte, Bilder und Videos.

Anschlussfähig für antisemitische Überzeugungen ist vor allem die permanent vorgetragene Dämonisierung der US-amerikanischen Zentralbank Federal Reserve, welche für alle Kriege der letzten 100 Jahre verantwortlich gemacht wird. Offen antisemitisch hingegen ist die häufig auf den „Mahnwachen“ geäußerte Behauptung Medien und Politik würden einem amerikanischen bzw. einem jüdischen „Meinungsdiktat“ unterliegen und „von oben“ gesteuert werden.

Zur Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)

Der Verein für demokratische Kultur in Berlin e.V. hat im Auftrag des Senats die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) gegründet. Im vergangenen Jahr war die Arbeit noch bei ReachOut angesiedelt, seit 2015 arbeitet RIAS als eigenständiges Projekt. Derzeit wird ein Kooperationsnetzwerks mit dem Berliner Register, ReachOut, der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin, der Amadeu Antonio Stiftung sowie der Jüdische Gemeinde zu Berlin und dem Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus aufgebaut.

RIAS hat zum Ziel ein umfassendes Meldesystem für antisemitische Vorfälle in Berlin zu entwickeln und damit den Zugang zu den bestehenden Beratungsangeboten für Betroffene von Antisemitismus zu erleichtern. Außerdem soll mit den gemeldeten Fällen nicht nur die Voraussetzung für detaillierte Einschätzungen und Lagebilder zu antisemitischen Ausdrucksformen in Berlin geschaffen werden, sondern auch ein stärkeres Engagement der demokratischen Zivilgesellschaft für das Thema ermöglicht werden.

Die Befragung der zehn Synagogengemeinden zwischen August und Oktober 2014 war die Grundlage, um im Januar 2015 mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen. Primäres Ziel der Befragung war die Beschreibung jüdischer Wahrnehmungen von und Erfahrungen mit Antisemitismus im Alltag. So soll ermittelt werden, inwieweit zivilgesellschaftliche Angebote angepasst oder ausgebaut werden müssen, um auch für Betroffene von Antisemitismus besser ansprechbar zu sein.

Presseberichte

Kontakt:
Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)
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