Leitmedium

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Als Leitmedien werden in der Publizistik- und Medienwissenschaft Einzelmedien bezeichnet, denen eine ausgeprägte „Hauptfunktion in der Konstitution gesellschaftlicher Kommunikation und von Öffentlichkeit zukommt“.[1] Der Begriff wird für einzelne Medienangebote gebraucht, die einen besonders starken Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf andere Massenmedien ausüben.

Beispiele für Leitmedien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Presse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1999 hat der Medienwissenschaftler Jürgen Wilke eine Untersuchung veröffentlicht, welche Medien der gedruckten Presse von Journalisten häufig bei der Recherche konsultiert werden. Wilke ermittelte aus einer 1993 unter deutschen Journalisten durchgeführten Umfrage die am meisten benutzten Pressetitel. Zwischen einem Drittel und zwei Drittel aller Journalisten benutzten demnach (in absteigender Reihenfolge der Häufigkeit einer Nennung):[2]

Deutsche Journalisten wurden in einer Untersuchung im Sommer 2005 gefragt, welche Medien sie regelmäßig nutzen. Mit großem Abstand sagten jeweils gut ein Drittel der Befragten, sie griffen regelmäßig zur Süddeutschen Zeitung und zum Spiegel. Die fünf führenden Presseerzeugnisse sind:

Diese Daten der Studie des Kommunikationswissenschaftlers Siegfried Weischenberg beruhen auf der Befragung von 1533 repräsentativ ausgewählten Journalisten.[3]

Die International Herald Tribune griff dies 2011 auf und verwendete leitmedium als Germanismus, als sie nach dem German leitmedium fragte. Sie zog – jeweils in Verbindung mit den zugehörigen Internetseiten – fünf Zeitungen und Zeitschriften für diese Position in Betracht:[4]

Regelmäßige Erhebungen zur Nutzung ausgewählter Medien werden von der Leseranalyse Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung seit 1975 alle zwei bis drei Jahre, und seit 2010 jährlich veröffentlicht.[5]

Kritik und Vertrauensverlust[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Leitmedien (in Deutschland) sehen sich verstärkter Kritik ausgesetzt, wobei vor allem ihre Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit und journalistische Ethik in Frage gestellt wird. So wird etwa in der Wulff-Affäre Vorverurteilung und Unverhältnismäßigkeit („Skandalisierungsexzess“)[6] kritisiert, in der Berichterstattung über Russland im Rahmen des Ukraine-Konflikts Einseitigkeit und Befangenheit.[7] Insgesamt lässt sich ein signifikanter Vertrauensverlust bei den Leitmedien konstatieren, mit der Folge, dass ihr Einfluss abnimmt und sich Medienkonsumenten anderer Quellen bedienen.[8][9]

Zu einer anderen Einschätzung kommt Sebastian Turner, demnach der Einfluss der Leitmedien in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen ist und sie auch in den Sozialen Medien die stärkste Quelle darstellen. Eine Analyse von sieben ausgewählten Printmedien ergibt, dass ihre Reichweite in diesem Zeitraum nahezu konstant geblieben (von 14,7 % auf 14,0 %), insgesamt aber mit aktuell 23,9 % (2015) deutlich gestiegen ist.[10][11]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jürgen Wilke: Leitmedien und Zielgruppenorgane. In: Jürgen Wilke (Hrsg.): Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 302–329.
  • Uwe Krüger: Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse. Halem Verlag, Köln 2013, ISBN 978-3-86962-070-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Udo Göttlich: Massenmedium. In: Helmut Schanze (Hrsg.): Metzler Lexikon. Medientheorie Medienwissenschaft. Verlag J.B. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2002, S. 193–194.
  2. Veronika Westhoff, Ernst Ulrich Große: Die Leitmedien. In: DeuFraMat. [2003], abgerufen am 27. Februar 2009.
  3. Siegfried Weischenberg, Maja Malik, Armin Scholl: Journalismus in Deutschland 2005. In: Media Perspektiven, Nr. 7/2006, S. 359. Abgerufen am 6. März 2016 (PDF; 299 kB).
  4. While both Bild and Der Spiegel may want to be a German leitmedium, at least three other publications could lay claim to that role: the dailies Frankfurter Allgemeine and Süddeutsche Zeitung and the weekly Die Zeit.” Eric Pfanner: Gloves Off in German Media Scramble. In: International Herald Tribune, 14. März 2011, abgerufen am 15. März 2011.
  5. Selbstbeschreibung der LAE
  6. Heribert Prantl: Im Visier der Medien-Meute. In: diepresse.com. 28. März 2015, abgerufen am 31. März 2015.
  7. ZDF zerreißt Ukraine-Berichterstattung. In: freitag.de. Abgerufen am 31. März 2015: „Die ZDF-Sendung ‚Die Anstalt‘ provoziert in ihrer Satire-Sendung erneut die deutschen Medien mit schweren Vorwürfen, die sie mit Fakten und Beispielen unterlegen.“
  8. „Ziemlich katastrophale Medienverdrossenheit“. Interview Bernhard Pörksen. 9. März 2015, abgerufen am 31. März 2015: „Zum anderen aber macht sich die schleichende Medienverdrossenheit an gerade aktuellen Reizthemen fest - denken Sie nur an die Sarrazin-Debatte, die Auseinandersetzung um Christian Wulff, den Ukraine-Konflikt und die Russland-Berichterstattung.“
  9. Das Diktat der lauten Minderheit. 4. Februar 2015, archiviert vom Original am 8. Februar 2015, abgerufen am 31. März 2015: „Der Vertrauensverlust in die Medien ist hoch - insbesondere bei umstrittenen Themen wie zum Beispiel dem Ukraine-Konflikt.“
  10. "Wer entscheidet über unsere Köpfe?", S. Turner, DIE ZEIT Nr. 40, 1. Oktober 2015, S. 11
  11. Klaus Stratmann: "Von Entscheidern und Followern" Handelsblatt vom 7. Oktober 2015, abgerufen am 22. Januar 2016