Fahrplanauskunft
nahsh header 03

Die Gutachten

Warum dauerte die Begutachtung der Kupplungen so lange?

Der Kupplungsabriss am 6. Oktober 2016 sowie die im Nachgang festgestellten Auffälligkeiten an weiteren Kupplungen der Marschbahnflotte sind nicht erwartbare, singuläre Ereignisse. Es gibt in der in der gesamten Eisenbahnwelt nur sehr wenige Erfahrungen mit solchen Vorfällen. Eine klar auf der Hand liegende Erklärung für diese Schäden, die nur noch verifiziert werden musste, gab es nicht.

Stattdessen ist von einer Verkettung verschiedener Faktoren auszugehen. Anhand von Indizien mussten verschiedene plausible Thesen für Ursachen und Schadverlauf aufgestellt werden und dann anhand von Messungen, Materialprüfungen, Tatsachenfeststellungen plausibilisiert oder ausgeschlossen werden. Da es sich bei den Kupplungen um ein sicherheitsrelevantes Bauteil handelt, müssen die Aussagen zur Schadensursache und zur künftigen Vermeidung dieser Schäden mit hoher Verlässlichkeit getroffen werden.

Die Risse an den Kupplungen sind mit bloßem Auge nicht erkennbar. Die Kurzkupplungen müssen für die Untersuchung von den Reisezugwagen abmontiert werden. Das bedeutet: Abschrauben der Kupplungen vom Wagenkasten, Trennung der Luftleitungen und der elektrischen Verbindungen und anschließend Demontage, indem Federelemente und Zentralplatte entfernt werden. Erst nach der Demontage ist der betroffene Bereich überhaupt einsehbar.

Für eine Begutachtung müssen Experten die Kupplungen dann mit speziellen Verfahren und Geräten detailliert untersuchen. Ultraschall-Überprüfungen und Magnetpulververfahren sind zwei dieser Maßnahmen. Schritt für Schritt werden Material, Belastungen und Kräfte, die während der Fahrt auf die Kupplungen einwirken, untersucht. Die Experten vollziehen die Hauptuntersuchungen und Wartungen an den Kupplungen der letzten Jahre nach und analysieren die vom Hersteller ausgegebene Betriebs- und Wartungsanleitung. Schritt für Schritt wurden und werden so mögliche Ursachen für den Kupplungsriss ausgeschlossen bzw. bestätigt.

Gibt es schon Ergebnisse der Gutachter?

Seit dem 1. Februar liegen die Ergebnisse der Materialprüfung der durchgerissenen Kupplung von der DEKRA vor: Es kann demnach ausgeschlossen werden, dass Qualitätsmängel am Werkstoff der Kupplung ursächlich für den Schaden waren. Es kann ebenfalls ausgeschlossen werden, dass ein Einzelereignis (z.B. ein Unfall) ursächlich für den Schaden war. Die Anzeichen lassen vermuten, dass eine Verkettung mehrerer Faktoren den Kupplungsriss verursacht hat. Das sind wichtige Erkenntnisse.

TÜV Süd Rail geht davon aus, dass erhöhte Korrosionen an einzelnen Bestandteilen der Kupplung und ein fehlender sogenannter „Inbetriebnahme-Hub“ bei der letzten Hauptuntersuchung in den Jahren 2012/13 verantwortlich für die Schäden sind. Durch den Hub werden die erneuerten Kunststoff-Federelemente der Kupplung durch Krafteinwirkung aktiviert. Warum das nicht geschehen ist und wer dafür die Verantwortung zu tragen hat, wird geprüft. Beide Faktoren zusammen haben nach Erkenntnis des Gutachters die Materialermüdung in den Kupplungen sehr stark beschleunigt.

Messfahrten der Fahrzeuge im Netz West und Auswertungen von Unterlagen sollten die Untersuchungen noch weiter untermauern, um damit einen wiederholten Kupplungsschaden ausschließen zu können. Die Daten der Messfahrt liegen vor und werden derzeit noch ausgewertet. Ein abschließender Bericht vom TÜV Süd soll demnächst vorliegen.

Wann ist die Reparatur endlich abgeschlossen?
Der Vermieter Paribus-DIF, DB Regio, Nord-Ostsee-Bahn, der Kupplungshersteller Faively und die NAH.SH GmbH haben eine detaillierte Planung für Reparatur und Wiedereinsatz der gesamten Flotte ausgearbeitet und abgestimmt. Die reparierten Marschbahnwagen kehren Schritt für Schritt in den Betrieb zurück. Die Beteiligten gehen nach derzeitigem Stand davon aus, dass die Reparatur im Herbst abgeschlossen werden kann.

Wie sieht der Plan für den Wiedereinsatz der Marschbahnwagen aus?
Der mit der Untersuchung der Kupplungsschäden beauftragte Gutachter von TÜV Süd Rail hatte im Frühjahr eine Bewertung zum möglichen Wiedereinsatz der ersten Marschbahnwagen vorgelegt. Geprüfte Kupplungen, die keine Risse hatten, konnten vorübergehend wieder eingesetzt werden. Die ersten Marschbahnzüge haben Anfang April den Betrieb wieder aufgenommen. Sie haben die ersten Altfahrzeuge des Ersatzkonzeptes abgelöst.

Alle vorläufig eingesetzten Marschbahnwagen mit geprüften Kupplungen ohne Risse wurden mittlerweile durch reparierte Kupplungen ersetzt. Bis Ende des Jahres soll die gesamte Fahrzeugflotte aus insgesamt 90 Reisezugwagen auf der Marschbahn wieder zur Verfügung stehen. Bis dahin sollen schrittweise weitere Wagen eingesetzt werden, sobald sie verfügbar sind.

Wie aufwendig ist eine Reparatur der Kupplungen?
Insgesamt sind ca. 150 Kupplungen in den Marschbahnwagen verbaut. Von den untersuchten Kupplungen waren circa 25 Prozent auffällig und wiesen Risse auf. Auf Grund der Beschaffenheit der Kupplungen und der langen Lieferzeiten für Ersatzteile war und ist ein einfacher, schneller Austausch der betroffenen Komponenten nicht möglich. Es musste zunächst die Ursache für den verfrühten Ausfall der Kupplung analysiert und anschließend notwendige Konsequenzen, die künftige Ausfälle verhindern, abgeleitet werden. Mittlerweile ist der Reparaturprozess schon weit vorangeschritten.